In Urheberrechtssachen kann in dem Land geklagt werden, von wo aus eine Website erreichbar ist. Der bestimmungsgemäße Adressatenkreis ist irrelevant
Der EuGH hatte vergangene Woche Donnerstag, den 22. Januar 2015, darüber zu urteilen, ob im Fall der Verletzung von Urheber- oder verwandten Schutzrechten über das Internet das Gericht eines Mitgliedsstaates schon alleine deshalb für eine Klage auf Schadensersatz international zuständig ist, weil die Webseite des Verletzers in diesem Mitgliedsstaat abrufbar ist (EuGH C-441/13 Hejduk ./. Energie.Agentur.NRW GmbH). Er bestätigt dabei seine bereits in der Entscheidung „Pinckney ./. KDG Mediatech“ (EuGH C-170/12, Urteil vom 3. Oktober 2013) eingeschlagene Linie.
Website aus Österreich erreichbar – Klage in Österreich
Frau Hejduk, eine professionelle Architektur-Fotografin und Urheberin von Lichtbildwerken, hatte ein in Deutschland ansässiges Unternehmen vor dem Handelsgericht Wien auf Schadensersatz verklagt. Das beklagte Unternehmen hatte auf seiner Webseite mit der Top-Level-Domain „.de“ von Frau Hejduk stammende Bilder ohne ihre Zustimmung zum Abruf und Download bereit gehalten.
Die internationale Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien leitete die Fotografin aus Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (kurz „Brüssel I“; jetzt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, die seit dem 10. Januar 2015 gilt) her. Danach kann eine Person, die eine unerlaubte Handlung begangen hat, auch in dem Mitgliedsstaat verklagt werden, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.
Dem hielt die Beklagte entgegen, dass ihre Webseite nicht auf Österreich ausgerichtet gewesen sei. Allein die Abrufbarkeit der Webseite in Österreich reiche nicht aus, um die Zuständigkeit österreichischer Gerichte zu begründen.
Das Handelsgericht Wien bat den EuGH um Klärung.
Bestimmungsgemäßer Adressatenkreis der Webseite irrelevant
Der EuGH ließ die Argumentation der Beklagten nicht gelten. Mit den Worten „des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“ in Art. 5 Abs. 3 Brüssel I sei nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (s. etwa EuGH C-360/12, Urteil vom 5. Juni 2014, Coty Germany GmbH ./. First Note Perfumes NV, Rdnr. 46) sowohl der Ort gemeint, an dem das für den Schaden ursächliche Geschehen stattgefunden habe, als auch der Ort, an dem der Schadenserfolg eingetreten sei.
Zwar hätten im konkreten Fall die Handlungen, die zur Urheberrechtsverletzung geführt hätten, lediglich einen räumlichen Bezug zum Ort des Sitzes der Beklagten gehabt. Jedoch seien die von der Klägerin geltend gemachten Rechte auch in Österreich geschützt, so dass der Schadenserfolg auch dort eingetreten sei.
Im Gegensatz zur Regelung in Art. 15 Abs. 1 lit. c) Brüssel I (jetzt Art. 17 Abs. 1 lit. c)) komme es im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 Brüssel I für die Verwirklichung des Schadenserfolges nicht darauf an, ob die Webseite des Verletzers auf den entsprechenden Mitgliedsstaat ausgerichtet sei (s. hierzu insbesondere auch EuGH C-170/12 Pinckney ./. KDG Mediatech, Rdnr. 33ff.). Die bloße Zugänglichkeit der Webseite von Österreich aus genüge.
Fliegender Gerichtsstand mit Einschränkung
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Inhaber urheberrechtlich oder als verwandtes Schutzrecht geschützter Rechte bei Verletzungen über das Internet in jedem Mitgliedsstaat der EU klagen können. Denn üblicherweise sind Webseiten von jedem Ort innerhalb der EU abrufbar, unabhängig von ihrer Top-Level-Domain.
Spiegelbildlich müssen sich (potentielle) Verletzer vergegenwärtigen, bei einer Verletzung derartiger Rechte nicht bloß in ihrem Heimatstaat verklagt zu werden. Vielmehr können sie sich theoretisch einer Vielzahl von Klagen an unterschiedlichsten Orten ausgesetzt sehen. Ein portugiesischer Urheber könnte etwa ein deutsches Unternehmen in Portugal verklagen, selbst wenn die allein unter der Top-Level-Domain „.de“ und lediglich in deutscher Sprache verfügbare Webseite des Unternehmens sich offensichtlich nicht an den portugiesischen Markt richtet.
Anbietern von Webseiten müssen mehr denn je darauf achten, ob sie zu einer Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke berechtigt sind und ob die dieser Nutzung ggf. zugrunde liegende Rechtekette hält.
Eine wichtige Einschränkung nimmt der EuGH indes doch vor. Das lediglich über Art. 5 Abs. 3 Brüssel I international zuständige Gericht ist nur für den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Mitgliedsstaates verursacht worden ist, zu dem es gehört (ebenso EuGH C-170/12 Pinckney ./. KDG Mediatech, Rdnr. 45). Denn aufgrund des im Urheberrecht geltenden Territorialitätsprinzips ist das verletzte Recht in jedem Mitgliedsstaat gesondert geschützt. Will der Kläger somit sämtlichen ihm in der EU entstandenen Schaden in nur einem Rechtsstreit geltend machen, so muss er den Verletzer über Art. 2 Abs. 1 Brüssel I (jetzt Art. 4 Abs. 1) an dessen allgemeinem Gerichtsstand verklagen. Dieser liegt bei den Gerichten des Mitgliedsstaates, in dem der Verletzer seinen Wohnsitz hat.