Das OLG Düsseldorf hatte über einen rufbeeinträchtigenden Verkauf von Parfums über eine Online-Plattform zu entscheiden.
Geklagt hatte das Konzernunternehmen eines Herstellers zahlreicher Markenparfums, das zugleich Lizenznehmerin der in Bezug auf die streitgegenständliche Parfums geschützten Unionsmarken ist. Anlass hierfür waren Vertrieb und Angebot von Parfums auf der Online-Plattform der deutschlandweit SB-Warenhäuser mit umfassendem Lebensmittelsortiment und zahlreichen Non-Food-Artikeln betreibenden Beklagten. Die Online-Plattform enthielt ein ähnliches Angebot wie die SB-Warenhäuser der Beklagten, war aber zugleich Marktplatz für eine größere Zahl von Dritthändlern.
Der Senat (OLG Düsseldorf, Urteil v. 7. Dezember 2023 – 20 U 277/22) bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts und stellte fest, dass der Klägerin Ansprüche auf Unterlassung Art. 9 Abs. 1, Art. 9 Abs. 2 lit. a), Art. 15 Abs. 2, Art. 130 Abs. 2 UMV, Auskunftserteilung nach Art. 129 Abs. 2 UMV, § 125b, § 19 Abs. 1 MarkenG sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht gemäß Art. 129 Abs. 2 UMV, § 125b, § 14 Abs. 6 MarkenG zustünden.
Beeinträchtigung von Luxus- und Prestigecharakter als „berechtigter Grund“ nach Art. 15 Abs. 2 UMV
Unstreitig war zunächst, dass hinsichtlich der streitgegenständlichen Parfums Erschöpfung nach Art. 15 Abs. 1 UMV eingetreten war. Eine Untersagung des Vertriebs kam demnach nur unter Vorliegen von „berechtigten Gründen“ im Sinne des Art. 15 Abs. 2 UMV in Betracht.
Im Einklang mit der europäischen Rechtsprechung stellte der Senat zunächst klar, dass das die „berechtigten Gründe“ einen Ausnahmetatbestand darstellen. Dieser könne aber u. a. fruchtbar gemacht werden, wenn die konkrete Verwendung einer Marke geeignet ist, deren Ruf zu schädigen. So müsse etwa bei Waren mit Luxus- und Prestigecharakter der Wiederverkäufer darauf bedacht sein, die Wertschätzung der Marke nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass er den Luxus- und Prestigecharakter der betreffenden Waren sowie die von diesen ausgehende luxuriöse Ausstrahlung beeinträchtigt. Art. 15 Abs. 2 UMV setze indes nicht voraus, dass der Markeninhaber zuvor alle ihm zur Verfügung stehenden, weniger eingriffsintensiven rechtlichen Mittel ausgeschöpft hat, wie insbesondere die Errichtung und die Aufrechterhaltung eines kartellrechtskonformen und durchgesetzten Selektivvertriebssystems sowie die Verwendung von Kodierungssystemen, da durch das Erfordernis der Interessenabwägung im Rahmen des Art. 15 Abs. 2 UMV all dies ausreichende und angemessene Berücksichtigung finden könne. Auch müssten Inhaber selektiver Vertriebssysteme nicht zunächst versuchen auf Basis vertraglicher Ansprüche gegen ihre Abnehmer vorzugehen, da damit die Präsenz der Markenware aus dem prestigebeeinträchtigenden Umfeld nicht beseitigt werde.
Hürde einer abstrakten Luxushöhe muss zur Feststellung des Luxus- und Prestigecharakters einer Marke nicht überwunden werden
Der Schutz einer Marke vor Beeinträchtigung des Luxus- und Prestigecharakters verlange, dass der Marke ein hinreichender Luxus- und Prestigecharakter (sog. „Luxushöhe“) zukommt. Nach Auffassung des Gerichts sei dieser nicht abstrakt, sondern jeweils konkret im Hinblick auf die drohende Beeinträchtigung festzustellen. Maßgeblich sei, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Marke und die mit dieser gekennzeichneten Produkte als luxuriös bewerten und einen besonderen Prestigewert im Sinne einer „Aura des Luxuriösen“ als Gegenteil von Gewöhnlichem und Alltäglichem beimessen. Dies sei unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren festzustellen, wie u.a. der Preishöhe, einer beschränkten Bezugsmöglichkeit, dem Präsentationsaufwand, den Marketingmaßnahmen, der Produktplatzierung im Verkaufsumfeld oder der Produktqualität, wobei nicht auf das Image eines einzelnen Produkts, sondern auf das Image der Marke abzustellen sei. Über den Charakter von Luxusgütern entscheide daher nicht die Produktart, sondern die ins Werk gesetzte Vermarktungsstrategie des Herstellers und Markeninhabers. Denn die Qualität von Luxuswaren beruhe nicht allein auf deren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf deren Prestigecharakter, der diesen eine luxuriöse Ausstrahlung verleihe. Mithin spreche im streitentscheidenden Fall für eine ausreichende luxuriöse Ausstrahlung, dass die Klägerin die mit der Klagemarke gekennzeichneten Waren innerhalb eines selektiven Vertriebssystems vermarktet, in dem sie ihre Vertriebspartner nach strengen Kriterien auswählt und diesen gewisse Qualitätsstandards vorschreibt, insbesondere in Bezug auf die Verkaufsumgebung. Zudem gehe die Klägerin nach den gerichtlichen Feststellungen hinreichend konsequent gegen Verstöße innerhalb ihres Selektivvertriebssystems vor, wobei dies keine – tatsächlich ohnehin unmögliche – lückenlose Kontrolle erfordere.
Unschädlich für den Luxus- und Prestigecharakter der streitgegenständlichen Marke seien hingegen folgende Faktoren:
- Die Produktart als Körperpflegeprodukte und somit Massenprodukte des täglichen Bedarfs, da Körperpflegeprodukte – wie auch alle anderen Produkte –regelmäßig in einer Basis- sowie in einer Luxusvariante angeboten würden.
- Die mit „Sale“, „Best Price“ und/oder „Angebot“ und/oder mittels UVP-Streichpreiswerbung und/oder der Angaben negativer Prozentzahlen beworbenen Angebote, da diese Werbeinstrumente im Bereich von Luxusgütern ebenfalls gebräuchlich seien.
- Das Online-Angebot der Depositäre, soweit dies unter Verwendung von visuell hochwertigem Bildmaterial innerhalb von sog. „Brandrooms“ – einer eigenen Abteilung für Markenprodukte, die von anderen Bereichen der jeweiligen Onlineplattform klar wahrnehmbar getrennt ist – erfolge.
- Das mangelnde Angebot von Geschenkverpackungen, da dies dem Markenimage keine abträgliche Prägung verleihe.
- Die zeitlich begrenzten Rabattaktionen im stationären Handel, da diese insbesondere zum Jahresstart üblich seien.
- Die Anzahl der Verkaufsstellen, da ein exklusives Image nicht zwingend durch eine künstliche Verknappung erreicht werden müsse.
- Das mittlere Preissegment, da auch dieses zu hoch sei, um aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise den Gedanken an ein Allerweltsprodukt und/oder eine „Billigware“ nahezulegen.
- Das Angebot in einem breiten Produktumfeld bei der Nutzung der Suchfunktion, da die Zusammenstellung der in dieser Weise angezeigten Produkte maßgeblich von dem Suchbegriff abhänge.
Erhebliche Rufbeeinträchtigung der Klagemarken durch die Warenpräsentation im Onlineshop der Beklagten
Die Warenpräsentation auf der Webseite der Beklagten sei hingegen geeignet, den Ruf der Klagemarke erheblich zu beeinträchtigen, wobei es ausreichend sei, dass die Rufbeeinträchtigung droht, ohne tatsächlich eingetreten sein zu müssen.
Die erhebliche Rufbeeinträchtigung ergebe sich zum einen daraus, dass die mit der Klagemarke gekennzeichneten Produkte nicht von „Billigwaren“ getrennt angeboten würden und es damit an der notwendigen Abgrenzung zum sonstigen Sortiment fehle. Dadurch, dass auf der streitgegenständlichen Webseite die Oberkategorie „Körperpflege & Gesundheit“ gleichrangig neben den übrigen Oberkategorien wie etwa „Elektronik“, „Garten & Baumarkt“ etc. stehe, entstehe beim Verbraucher der Eindruck, die streitgegenständlichen Produkte seien überall verfügbare Massenware. Dieser Eindruck werde durch die Unterkategorien – namentlich „Eau de Toilette“, „Tagescremes“, „Duschgele“, „Sonstige Körperpflege“, „Eau de Parfum“, „Deodorants“, „Körperpflege-Geschenksets“ und „mehr“ – zusätzlich verstärkt, weil dort die streitgegenständlichen Parfums gleichrangig neben anderen Körperpflegeprodukten angeboten würden, denen schon aufgrund der Preisgestaltung kein Luxus- bzw. Prestigecharakter zukomme. Das Angebot werde gerade von Waren des täglichen Bedarfs – oftmals in Gestalt eigener, besonders preiswerter Handelsmarken – beherrscht und geprägt.
Zum anderen werde die rein funktionale und keineswegs luxuriös wirkende Art der Präsentation auf der Online-Plattform der Beklagten dem Image der Klagemarke nicht gerecht und hinterlasse beim Verbraucher in Bezug auf die Klagemarke einen negativen Eindruck. Diese werde optisch dominiert von den groß und mittels Fettdrucks hervorgehobenen Preisangaben unter Verwendung des identischen Designs, an das Verbraucher aufgrund des Einkaufs in den stationären SB-Warenhäusern der Beklagten gewöhnt sind.
Interesse am Erhalt des Markenimages überwiegt dem Verkaufsinteresse der Beklagten
Schließlich überwögen die berechtigten Interessen der Klägerin, das Image ihrer Klagemarke hochzuhalten, um ihr Geschäftsmodell – den Verkauf von Parfum- und Kosmetikprodukten mit einer luxuriösen bzw. prestigeträchtigen Ausstrahlung – weiter betreiben zu können, deutlich dem Interesse der Beklagten, ihr Image als Vollsortimenter mit Hilfe prestigeträchtiger Markenprodukte aufzubessern.