Der EuGH ergänzt seine Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Zulässigkeit des Framing und entscheidet im Sinne der Rechtsinhaber.
Das Thema Framing beschäftigt deutsche und europäische Gerichte bereits seit vielen Jahren. Der EuGH hat dazu am 9. März 2021 (Az. C 392/19), eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen: Framing kann eine Urheberrechtsverletzung darstellen, wenn dabei technische Maßnahmen zum Schutz der Inhalte umgangen werden.
Das Einbetten fremder Inhalte auf der eigenen Website
Framing bedeutet im technischen Kontext der Internetnutzung, dass ein bestimmtes Werk (z.B. ein Video oder ein Bild), das sich auf einer bestimmten Ausgangswebsite befindet, in die Website eines Dritten eingebettet wird, sodass Internetnutzer sie dort unmittelbar rezipieren können. Der Internetnutzer klickt also nicht auf einen Link und wird auf die Ausgangswebsite geleitet, sondern kann sich das Video direkt auf der Drittwebsite ansehen.
In technischer Hinsicht ist dabei entscheidend, dass das Video die ganze Zeit auf den Servern der Ausgangswebsite verbleibt und nicht im Sinne von § 16 UrhG durch den Betreiber der Drittwebsite vervielfältigt wird. Stattdessen wird in den Quellcode der Website des Dritten ein Link eingefügt, der auf die Ausgangswebsite bzw. auf die Datei verweist und den Browser des Internetnutzers anweist, diese zu laden.
Der Begriff Framing bezieht sich indes auf die technische Unterteilung der Website des Dritten in mehrere Rahmen (Frames), von denen ein Frame zur Darstellung des Werkes von der Ausgangswebsite genutzt wird. Um die Funktion des Framing effektiv nutzen zu können, bieten Plattformen, wie z.B. YouTube oder Twitch, Websitebetreibern sogar extra dafür konzipierte Anleitungen oder auch Tools zur Einbettung der Werke. Nutzt ein Websitebetreiber z.B. das Framing-Tool von YouTube, erscheint auf seiner Website ein Videoplayer mit dem YouTube Logo und das auf YouTube veröffentlichte Video kann von den Nutzern direkt auf seiner Website angesehen werden.
Framing urheberrechtlich zulässig, wenn dadurch kein „neues Publikum″ erreicht wird
Die rechtliche Bewertung dieser Technik ist insbesondere aus dem Blickwinkel des Urheberrechts interessant, denn sie berührt zentral die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers auf Verwertung seines Werks.
Die entscheidende Frage, die sich die Gerichte dabei in unterschiedlichen Fallkonstellationen mit der Etablierung der Framing-Technik immer wieder stellen mussten, war, ob die Einbettung in die Website eines Dritten – wenn denn schon keine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG vorliegt – nicht eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG bzw. Art. 3 Abs. 1 der InfoSoc-RL (RL 2001/29/EG) darstellt und damit Ansprüche des Rechtsinhabers gegen den Betreiber der Website auslösen kann.
Da die Wiedergabe sowohl auf der Ausgangswebsite als auch beim Vorgang des Framing auf der Website des Dritten über das Internet und damit nach demselben technischen Verfahren erfolgt, kann nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH nur dann eine weitere öffentliche Wiedergabe vorliegen, wenn das Werk mit dem Framing auch einem „neuen Publikum″ zugänglich gemacht wird, d.h. einem Publikum, das der Rechtsinhaber nicht hatte erfassen wollen, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (vgl. EuGH, Urteil v. 13 Februar 2014 – C‑466/12 – Svensson/Retriever).
Vor dem Hintergrund dieser Maßgabe ist das Framing von Werken, die mit der Zustimmung des Rechtsinhabers veröffentlicht wurden und frei zugänglich sind, folglich grundsätzlich gestattet, ohne dass es einer weiteren Zustimmung des Rechtsinhabers bedarf. Denn ist das Werk für jeden Nutzer der Website frei zugänglich, so wird mit dem auf die rechtmäßige Erstveröffentlichung folgenden Framing kein Publikum erreicht, das der Rechtsinhaber bei der Erstveröffentlichung nicht bereits im Blick hatte: Das Zielpublikum der ursprünglichen Wiedergabe besteht aus allen potenziellen Besuchern der Website des Rechtsinhabers, egal ob diese über einen eingebetteten Link oder auf sonstigem Wege besucht wird (vgl. EuGH Svensson/Retriever Urteil v. 13 Februar 2014 – C‑466/12; EuGH Bestwater, Urteil v. 21. Oktober 2014 – C‑348/13).
EuGH stellt klar: Framing kann Urheberrechtsverletzung darstellen, wenn der Urheber das Werk zuvor durch technische Maßnahmen geschützt hat
Nicht geklärt war im Rahmen der urheberrechtlichen Bewertung der Framing-Technik durch den EuGH jedoch bisher die Frage, ob der Rechtsinhaber die Möglichkeit hat, das von ihm gewünschte Zielpublikum rechtswirksam zu beschränken, um so die Hoheit über die Nutzung seines Werks zu behalten.
Dies hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 9. März 2021 ausdrücklich bejaht und dazu wie folgt Stellung genommen:
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass die Einbettung in die Website eines Dritten im Wege der Framing-Technik von urheberrechtlich geschützten und der Öffentlichkeit mit Erlaubnis des Inhabers des Urheberrechts auf einer anderen Website frei zugänglich gemachten Werken eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung darstellt, wenn sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat.
EuGH, Urteil v. 9. März 2021 – C-392/19 – Bild-Kunst/SPK
Die Entscheidung des EuGH erging aufgrund einer entsprechenden Vorlage durch den BGH (Beschluss v. 25. April 2019 – I ZR 113/18). Dem Revisionsverfahren liegt dabei keine strittige Urheberrechtsverletzung zugrunde, sondern ein Streit über eine durch die Rechtsinhaberin geforderte Aufnahme einer Klausel in den Lizenzvertrag, mit der sie die Vornahme von beschränkenden technischen Maßnahmen gegen das Framing zur Voraussetzung für die Einräumung einer Lizenz machen will.
Die Klägerin ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). Sie ist Trägerin einer Onlineplattform für Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen, der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB). Auf der Webseite der DDB werden digitale Inhalte der teilnehmenden Einrichtungen verlinkt mit dem Ziel, künstlerische und wissenschaftliche Werke einer breiten Öffentlichkeit zentral zugänglich zu machen. Dem Nutzer werden auf der Website der DDB dabei sogenannte Thumbnails angezeigt, also Miniaturversionen der Originalwerke, die auf Wunsch vergrößert werden können, unter Verlinkung mit den zuliefernden Internetseiten der zuliefernden Einrichtungen (EuGH, Urteil v. 9. März 2021 – C-392/19 – Bild-Kunst/SPK).
Die Beklagte ist die VG Bild-Kunst, eine Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten an Werken der bildenden Künste in Deutschland. Sie macht den Abschluss eines Lizenzvertrags mit der Klägerin über die Nutzung ihres Repertoires auf dem Portal der DDB im Wege von Thumbnails davon abhängig, dass die Lizenznehmerin sich verpflichtet, wirksame technische Maßnahmen gegen das Framing dieser Bilder durch Dritte anzuwenden.
Dies lehnt die Klägerin ab. Sie hält eine solche Bedingung nicht für angemessen und erhob daher Klage auf Feststellung, dass die VG Bild-Kunst verpflichtet sei, ihr die fragliche Lizenz auch ohne diese Bedingung einzuräumen. Dieses Vorgehen ist möglich, da es der Kontrahierungszwang gemäß § 34 Abs. 1 Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) einer Verwertungsgesellschaft gebietet, die von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte nicht nur jedermann einzuräumen, sondern dies obendrein auch zu angemessenen Bedingungen zu tun. Wäre das Framing für Dritte trotz beschränkender technischer Maßnahmen rechtlich folgenlos, so wäre eine vertragliche Verpflichtung, solche technischen Maßnahmen vorzunehmen, mithin auch nicht angemessen im Sinne des § 34 Abs.1 VGG.
Während die Klägerin zunächst vor dem LG Berlin scheiterte, gab das Kammergericht Berlin der Klage statt (vgl. KG Berlin, Urteil v. 18. Juni 2018 – 24 U 146/17). Der BGH hat die Frage im Anschluss dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, dabei jedoch betont, dass er ein neues Publikum und damit eine öffentliche Wiedergabe für gegeben erachtet, wenn ein Framing trotz entsprechender Schutzmaßnahmen vorgenommen wird. Denn hat sich der Rechtsinhaber nur mit der öffentlichen Wiedergabe der Werke für die Nutzer einer bestimmten Internetseite einverstanden erklärt, nicht jedoch mit den Nutzern der Website, in die die Werke eingebettet sind, dann handle es sich nach Ansicht des BGH bei dem Framing in diesem Fall um eine weitere öffentliche Wiedergabe (BGH, Beschluss v. 25. April 2019 – I ZR 113/18).
Umgehung von technischen Schutzvorrichtungen beim Framing führt zu öffentlicher Wiedergabe gegenüber einem neuen Publikum
Der EuGH kommt in seiner Entscheidung – genauso wie der BGH im Rahmen des Vorlagebeschlusses – zu dem Ergebnis, dass im Falle der Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen das Framing eine erneute öffentliche Wiedergabe der besagten Werke vorliegt.
Denn hat der Rechtsinhaber den Kreis des ursprünglich von ihm avisierten Zielpublikums durch technische Maßnahmen zur Verhinderung des Framing beschränkt und werden diese technischen Maßnahmen umgangen, können Personen auf das Werk zugreifen, die nicht vom ursprünglichen Zielpublikum umfasst sind. Insoweit ist das Werk einem neuen Publikum zugänglich mit der Folge, dass die Nutzung wieder dem Bestimmungsrecht des Rechtsinhabers unterliegt. So konstatiert der EuGH konkret:
Folglich stellen, wenn der Urheberrechtsinhaber beschränkende Maßnahmen gegen Framing getroffen oder seinen Lizenznehmern aufgegeben hat, solche Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu seinen Werken von anderen Internetseiten aus als derjenigen seiner Lizenznehmer zu beschränken, die ursprüngliche Zugänglichmachung auf der Ausgangswebsite und die nachfolgende Zugänglichmachung im Wege der Framing-Technik unterschiedliche öffentliche Wiedergaben dar, für jede von denen daher eine Erlaubnis der betreffenden Rechtsinhaber erteilt werden muss.
EuGH, Urteil v. 9. März 2021 – C-392/19 – Bild-Kunst/SPK
Zur Begründung führt der EuGH insbesondere an, dass der Rechtsinhaber nicht vor die Wahl gestellt werden dürfe, entweder die unerlaubte Nutzung seines Werks durch Dritte hinzunehmen oder auf eine Nutzung vollständig zu verzichten. Verneinte man eine weitere öffentliche Wiedergabe, so würde dies dazu führen, dass für das Recht der öffentlichen Wiedergabe in wortlautwidriger Weise eine Regel über die Erschöpfung aufgestellt werden würde. Eine solche Regel nähme überdies dem Rechtsinhaber die im zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie zu Art. 3 genannte Möglichkeit, eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Werkes zu verlangen.
Rechtsinhaber sollte Reichweite der Zugänglichmachung durch technische Maßnahmen bestimmen dürfen
Die Entscheidung des EuGH und die bereits in der Vorlagefrage ausführlich begründete Auffassung des BGH entsprechen den vom Gesetzgeber intendierten Anforderungen an die Wahrung der Interessen des Urhebers: Ein Rechtsinhaber sollte die Möglichkeit haben, sicherzustellen, dass seine Werke nur den Nutzern zugänglich sind, die sich auch in der Umgebung der von ihm bestimmten Website bewegen. Der Rechtsinhaber darf nicht vor die Alternative gestellt werden, sein Werk entweder gegenüber allen Internetnutzer zu veröffentlichen oder gar nicht. Folgerichtig muss es dem Rechtsinhaber auch möglich sein, das Zielpublikum für die öffentliche Wiedergabe seines Werks klar zu definieren und zu beschränken.
Begrüßenswert ist dabei, dass der EuGH zugleich klarstellt, dass der Rechtsinhaber das Zielpublikum seiner öffentlichen Wiedergabe nur durch wirksame technische Maßnahmen beschränken kann. Nicht ausreichend dürften folglich bloße Hinweise oder ein rechtlicher Vorbehalt in den Nutzungsbedingungen sein. Er begründet dies zu Recht mit der Notwendigkeit, auf diesem Wege Rechtssicherheit und das ordnungsgemäße Funktionieren des Internets zu gewährleisten.
Damit wird im Übrigen auch eine in der Rechtsprechung der deutschen Gerichte erkennbare Ratio wertungstechnisch bestätigt: Die Bereitstellung von Inhalten im Internet ohne Implementierung entsprechender technischer Schutzmaßnahmen kann dazu führen, dass der Rechtsinhaber gegen daraufhin typischerweise erwartbare internetspezifische Handlungen nicht vorgehen kann.
So hat z.B. der BGH entschieden, dass der Urheber durch das öffentliche Zugänglichmachen von geschützten Bildern im Internet ohne Implementierung von technischen Schutzmaßnahmen in die erneute öffentliche Zugänglichmachung durch Suchmaschinen einwilligt (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08 Vorschaubilder I; BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 – I ZR 140/10– Vorschaubilder II ). Auch das OLG München hat vor dem Hintergrund dieser Ratio konstatiert, dass eine (eventuelle) Umarbeitung von Websites durch das Unterdrücken oder Verstecken von Werbung mittels Werbeblocker von der schlichten Einwilligung des Rechtsinhabers gedeckt ist, wenn dieser den Zugang zu der Website nicht mithilfe technischer Vorkehrungen begrenzt (OLG München , Urteil vom 17.08.2017 – U 2225/15 Kart).
Selbst wenn der konkrete technische und dogmatische Kontext beim Framing natürlich ein anderer ist als in diesen Fällen, zeigt sich jedoch in dem Urteil des EuGH, dass die Rechtsprechung die Usancen des Internets würdigt und es deshalb auch hier für interessengerecht hält, dass der Rechtsinhaber – ähnlich wie bei der Darstellung in Suchmaschinen oder der Blockade von Werbung – zur Unterbindung des Framings technischen Maßnahmen ergreifen muss und insoweit einfache Hinweise nicht genügen.