21. Dezember 2016
Haftung für Links
Urheberrecht

Landgericht Hamburg bestätigt Haftung für Links

Das LG Hamburg bestätigt Rechtsprechung des EuGH zur Haftung für Links, insbesondere bei Gewinnerzielungsabsicht.

Der Aufschrei war groß, als der EuGH in seiner GS Media-Entscheidung (EuGH, Urt. v. 08.09.2016 – Az.: C-160/15) mit dem Kriterium der „Gewinnerzielungsabsicht″ ein scheinbar neues Element in die Frage der Haftung für Hyperlinks einführte. Tatsächlich war das nicht der Fall.

Mit dem Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 18. November 2016 (Az.: 310 O 402/16) existiert nun – soweit ersichtlich – die erste gerichtliche Entscheidung, die ausdrücklich die Grundsätze des EuGH und eine Haftung für Links in Deutschland bestätigt.

„Öffentliche Wiedergabe″: neues technisches Verfahren oder neues Publikum

In der GS Media-Entscheidung knüpfte der EuGH an seine Entscheidungen BestWater und Svensson an (C‑348/13 und C-466/12). Danach liege eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Infosoc-Richtlinie vor, wenn ein geschütztes Werk unter Verwendung eines neuen technischen Verfahrens oder (alternativ) für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Ein neues Publikum werde erreicht, wenn der Inhaber des Urheberrechts nicht (auch) an dieses gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte.

Sei das geschützte Werk mit Erlaubnis des Rechteinhabers frei zugänglich gewesen, liege keine öffentliche Wiedergabe vor, weil die Wiedergabe nicht für ein neues Publikum erfolgt.

Zusätzlich bediente sich der EuGH zur Beschränkung der Haftung für die Linksetzung eines subjektiven Tatbestandsmerkmals:

So liege eine öffentliche Wiedergabe nur vor, wenn die Linksetzung schuldhaft in dem Sinne erfolgt, dass der Linksetzer um die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung „wusste oder hätte wissen müssen″. Handele der Linksetzer mit Gewinnerzielungsabsicht, bestehe eine Vermutung dafür, dass der Linksetzer in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung handelte. Von demjenigen, der Hyperlinks mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, könne erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Webseite, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde.

Gewinnerzielungsabsicht nicht unerheblich für Haftungsfragen

Das Abstellen auf die Gewinnerzielungsabsicht war für viele neu; tatsächlich aber war dies schon immer eines von mehreren Kriterien, die alle nach Ansicht des EuGH für die Beurteilung des Vorliegens einer öffentlichen Wiedergabe unselbständig und miteinander verflochten seien.

Schon in früheren Entscheidungen hat der EuGH regelmäßig betont, es sei „nicht unerheblich″ für die Frage, ob eine Wiedergabe im Sinne der InfoSoc-Richtlinie vorlege, ob der Wiedergebende Erwerbszwecke verfolgt (vgl. nur EuGH – C-403/08 und C-429/08, ZUM 2011, 803. Rn. 204 ff.– FAPL, EuGH – C-135/10, ZUM-RD 2012, 241, Rn. 88 f.– SCF). Im Urteil ITV-Broadcasting (EuGH, C-607/11, MMR 2013, 459ITV Broadcasting) erklärte der EuGH dann den Erwerbszweck zwar nicht als „zwingende Voraussetzung″ für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe. Damit war das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht aber nicht abgeschafft.

Für die GS Media-Entscheidung belebte der EuGH das Kriterium neu. In seinem Beschluss vom 18. November 2016 bezieht sich das Landgericht Hamburg auf den EuGH und erläutert auch das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht.

Webseitenbetreiber verlinkte auf Internetseite eines Dritten

In dem Fall vor dem LG Hamburg setzte ein Webseitenbetreiber einen Link auf eine andere Internetseite. Auf dieser war eine Abbildung zu finden, die ohne Einwilligung des Fotografen veröffentlicht und weiter bearbeitet worden war. Der Fotograf hatte die Abbildung unter die sogenannte Creative Commons-Lizenz gestellt.

Der Fotograf hatte auch die Abwandlung der Abbildung gestattet; gleichzeitig aber verlangt, dass die Abwandlung der Abbildung durch einen Hinweis erkennbar gemacht wird. Diese Voraussetzung wurde im vorliegenden Fall nicht eingehalten, was zum Erlöschen der Lizenz führte.

LG Hamburg: eigene öffentliche Zugänglichmachung des Webseitenbetreibers

Nach Ansicht der Richter sei die Linksetzung durch den Webseitenbetreiber auf die Seite, die diese nicht berechtigte Abwandlung der Abbildung des Fotografens bereithielt, eine eigene öffentliche Zugänglichmachung der Umgestaltung nach §§ 19a, 23 S. 1 UrhG.

Die Vorschrift des § 19a UrhG dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 der Infosoc-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) und setzt als objektives Tatbestandsmerkmal voraus, dass durch die Verlinkung der Zugriff durch ein neues Publikum eröffnet wird oder durch ein technisches Verfahren wiedergeben wird, das sich von dem bisher verwendeten Verfahren unterscheidet. Im vorliegenden Fall sahen die Richter den Zugriff durch ein neues Publikum als erfüllt an, da das bearbeitete Werk nicht mit Zustimmung des Rechteinhabers veröffentlicht wurde.

Haftung für Linksetzung, wenn sie schuldhaft erfolgte

Auf der Grundlage der GS Media-Rechtsprechung war ferner zu klären, ob auch das subjektive Tatbestandsmerkmal erfüllt war; ob der Webseitenbetreiber also als Linksetzer schuldhaft gehandelt hatte. Hierbei kam es auf die Frage an, ob der Linksetzer wusste oder hätte wissen müssen, dass die Linksetzung rechtswidrig war.

Nach der Rechtsprechung des EuGH bestehe hierfür eine Vermutung, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht auf Seiten des Linksetzers vorliege. Dann, so der EuGH, könne vom Linksetzer erwartet werden, dass er erforderliche Nachprüfungen vornähme und sich vergewissere, dass die verlinkten Werke nicht unbefugt veröffentlicht worden waren.

Nach Auffassung des Hamburger Gerichts habe der EuGH in seiner GS Media-Entscheidung nicht festgelegt, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen. Allerdings sei die Rechtsprechung des EuGH nicht in einem engen Sinne dahingehend zu verstehen, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsse, höhere Gewinne zu erzielen. Vielmehr genüge es, wenn die Linksetzung im Rahmen eines Internetauftrittes erfolge, der insgesamt zumindest auch der Gewinnerzielungsabsicht diene. Hierfür reiche aus, dass ein Webseitenbetreiber entgeltliche Leistungen auf seinem Internetauftritt anbietet.

Webseitenbetreiber hat Rechtsverstoß billigend in Kauf genommen

Nach Ansicht der Richter konnte der Linksetzer die aufgrund seiner Gewinnerzielungsabsicht eingreifende Vermutung nicht entkräften. Zum Verhängnis wurde dem Webseitenbetreiber hierbei, dass er sich umfassend zur Frage der Prüfung der Rechtswidrigkeit der verlinkten Inhalte eingelassen hatte. Der Fotograf konnte ein Schreiben des Webseitenbetreibers vorlegen, in dem dieser angab, nicht auf die Idee gekommen zu sein, beim Seitenbetreiber nachzufragen oder sonstige Nachforschungen zu den urheberrechtlichen Hintergründen des Bildes anzustellen.

Das Urteil das EuGH in Sachen GS Media war dem Webseitenbetreiber bekannt – er hielt es aber für grundgesetzwidrig und mit der EU-Grundrechtecharta unvereinbar. Die Richter ließen sich davon nicht überzeugen, nahmen aufgrund der Äußerungen des Webseitenbetreibers vielmehr an, dass dieser die Rechtswidrigkeit der verlinkten Zugänglichmachung der Umgestaltung zumindest billigend in Kauf genommen habe, demnach also mit bedingtem Vorsatz handelte.

Die vom Webseitenbetreiber geäußerten Bedenken hinsichtlich der Unvereinbarkeit der Rechtsprechung des EuGH mit der EU-Grundrechtecharta verwarfen die Richter ebenfalls. Der EuGH habe, so die Richter, in seiner GS Media-Entscheidung gerade einen Ausgleich zwischen den Eigentumsinteressen des Urhebers und dem Kommunikationsinteresse des Linksetzers vorgenommen.

Anforderungen an Prüfpflicht eines Linksetzers bleiben unklar

Vor dem Hintergrund der eindeutigen Äußerung des Webseitenbetreibers, er habe über eine Prüfung nicht einmal nachgedacht, bleibt auch nach dem Urteil des Landgerichts Hamburgs weiterhin mit Spannung zu erwarten, welche Anforderungen in anderen Verfahren an die Prüfpflichten des Linksetzers unter Berücksichtigung der europäischen Rechtsprechung gestellt werden. Dies gilt gerade deshalb, weil es zukünftig auch weniger eindeutigere Fälle geben wird, in denen der Linksetzer nicht bereits jegliche Überprüfung unterlassen hat.

Der Beschluss des Landgerichts Hamburgs verdeutlicht zudem die Risiken der Entscheidung des EuGH noch einmal anschaulich. Der mit einer Gewinnerzielungsabsicht handelnde Linksetzer muss prüfen, ob die von ihm verlinkten Inhalte rechtswidrig sind. Ob dies im Einzelfall möglich ist, bleibt fraglich. Ein Linksetzer muss unter Umständen erkennen, dass es sich um ein fremdes Bild handelte, welches entgegen vertraglicher Bestimmungen veröffentlicht wurde. Bei relativ transparenten Bedingungen einer Lizenz wäre diese Prüfung noch relativ einfach. Anders, wenn die vertraglichen Lizenzbedingungen nicht für Dritte einsehbar sind.

Problematisch wäre auch das Szenario eines Links, der auf eine Seite verweist, die eine Vielzahl verschiedener Bilder von verschiedenen Urhebern beinhaltet. Hätte das Landgericht Hamburg dann erwartet, dass der Linksetzer hinsichtlich jeder einzelnen Abbildung Nachforschungen anstellt? Vermutlich ja, was aber für mit Gewinnabsicht Handelnde einen enormen Aufwand mit sich bringen würde und ggf. ganze Geschäftsmodelle in Frage stellen könnte. Das eigentliche Ziel des europäischen Gesetzgebers, die Meinungsvielfalt im Internet zu stärken, wäre damit unterminiert. Denn der Linksetzer wird aus Angst vor falschen rechtlichen Bewertungen eher keinen Link setzen.

Auch die Frage, welche Aussage und rechtliche Wirkung eine Bestätigung der Rechtefreiheit vom Betreiber der Seite, auf die verlinkt werden soll, hat, bleibt weiterhin unbeantwortet. Die Internetseite „heise online″, wollte sich vor dem Hintergrund des Urteils von dem Landgericht Hamburg bestätigen lassen, dass ein Link auf die Seite des Gerichts gefahrenlos möglich ist. Eine rechtsverbindliche Erklärung wollte das Gericht, so heise online, aber nicht abgeben. Vielmehr teilte das Gericht nur mit, dass es davon ausgehe, dass die Zugänglichmachung sämtlicher Inhalte rechtmäßig erfolge. Ob eine solche Erklärung im Streitfall zur Einhaltung der Prüfpflicht ausreichen würde, ist auch nach dem Urteil des Landgerichts Hamburg völlig unklar.

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