Können die Verwender von Open Source Software nun aufatmen? Die Antragsrücknahme am 7. März 2018 vor dem OLG Köln weckt den trügerischen Schein.
Spätestens durch das Verfügungsurteil des Landgerichts Köln vom 20. Oktober 2017 (Az.: 14 O 188/17) wurde bestätigt, dass die Verletzung von Lizenzbedingungen für Open Source Software dramatische Folgen haben kann. Nun hat der Antragsteller Mc Hardy in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 07. März 2018 vor dem OLG Köln den Antrag auf Erlass der erstinstanzlich ergangenen Einstweiligen Verfügung zurückgenommen, um einer für ihn negativen Entscheidung auszuweichen.
Gefahren mangelnder Open Source Compliance
Sind damit die Gefahren gebannt, die von einzelnen Entwicklern ausgehen, die in den USA schon als „Copyright Trolls″ bezeichnet wurden?
Neil Mc Hardy nimmt für sich in Anspruch, Urheberrechte an Teilen des Linux Betriebssystems zu haben. Daraus erwirkte er das Verbot des Landgerichts Köln. Dem Antragsgegner wurde untersagt, eine Reihe von Softwareprodukten öffentlich zugänglich zu machen oder zu verbreiten, ohne die Lizenzbedingungen der GNU General Public License einzuhalten. Unabhängig von diesem Einzelfall zeigt das Verbot des Landgerichts, dass mangelnde Open Source Compliance einschneidende Folgen haben kann. Es drohen Vertriebsverbote, Produktionsunterbrechungen und sogar Bußgelder.
Hinweise des OLG Köln führen zur Rücknahme des Antrags
Die durch das Verbot des Landgerichts Köln betroffene Antragsgegnerin konnte nun in der Berufung des Verfügungsverfahrens einen Etappensieg erringen. Der 6. Zivilsenat des OLG Köln wies in der mündlichen Verhandlung auf eine Reihe von Sachverhaltsbesonderheiten hin, die wohl zum Erfolg der Berufung und damit zur Aufhebung des Verbots geführt hätten.
So bezweifelte der Senat zunächst die Miturheberschaft Mc Hardy’s am Linux Kernel, da dieser im Wesentlichen schon vor 2004, als der Antragsteller der Entwicklung beitrat, durch Linus Torvalds entwickelt wurde. Noch heute entschieden Torvalds und ihm vorgelagerte Instanzen, welche Neuentwicklungen in den Linux Kernel aufgenommen würden. Es sei daher zweifelhaft, ob das für eine Miturheberschaft erforderliche gemeinsame Zusammenwirken zur Schaffung des auf einer gemeinsamen Idee beruhenden Werkes „Linux Kernel″ vorläge. Auch für die vom Antragsteller angeführte Komponente Netfilter zweifelte der Senat an einer Miturheberstellung des Antragstellers. Denn das Netfilter-Projekt wurde schon 1999 begonnen; Mc Hardy wurde allerdings erst 2004 Teil des Teams.
Ein grundsätzlich mögliches Bearbeiterurheberrecht sah der Senat ebenfalls nicht. Auch wenn eine hohe Schutzfähigkeit von Computerprogrammen bestünde, sei nicht ausreichend dargelegt, ob wesentliche Teile vom Antragsteller stammten und woraus sich die Wesentlichkeit ableite.
Das Verhalten des Antragstellers könne zudem rechtsmissbräuchlich sein. Es spräche einiges dafür, dass bei dem Antragsteller monetäre Interessen im Vordergrund stünden. Der Antragsgegner und Berufungsführer hatte hierzu vorgetragen, dass der Antragsteller gegen mindestens 38 Unternehmen vorginge oder vorgegangen sei und in einem Einzelfall 1,8 Millionen Euro Vertragsstrafe gefordert habe. Insgesamt soll er bereits mehr als 2 Millionen Euro eingenommen haben. Angesichts einer vom Antragsteller erst in der mündlichen Verhandlung am 07. März 2018 vorgelegten Eidesstattlichen Versicherung zu seiner Motivationslage wollte der Senat sich in diesem Punkt aber nicht festlegen.
Nach diesen Hinweisen wurde der Antrag zurückgenommen, womit das Verbot des Landgerichts Köln aus der Welt ist. Ob damit die Probleme mangelnder Open Source Compliance aus der Welt sind, darf aber bezweifelt werden.
Die Open Source Community nimmt Open Source Compliance selbst in die Hand
Trotz des Etappensiegs stellt sich weiterhin die Frage, wie eine ausreichende Open Source Compliance herzustellen ist. Selbst im hier dargestellten Einzelfall ist es noch möglich, dass der Antragsteller ein Hauptsacheverfahren einleitet und dort durch weiteren Vortrag und Sachverständigenbeweis seine behauptete Urheberschaft belegt. Zudem nehmen Beanstandungen mangelnder Open Source Compliance zu.
Die Open Source Community beobachtet das Vorgehen des hiesigen Antragstellers schon länger kritisch. Sie nimmt das Enforcement von Open Source Lizenzen lieber selbst in die Hand und geht bereits seit längerer Zeit erfolgreich gegen Lizenzverstöße vor. Da heutzutage keine Softwareentwicklung mehr ohne die Verwendung von Open Source Software auskommt, wird die Einhaltung der zahlreichen Lizenzbedingungen immer wichtiger. Es bietet sich an, hier mit standardisierten Analyseverfahren zu arbeiten und angemessene Compliance Richtlinien zu entwickeln. Viele Unternehmen haben schon entsprechende Kapazitäten in ihren zuständigen Abteilungen geschaffen.