1. April 2021
Lichtshow Urheberrecht
Urheberrecht

Weitere Lichtshows am Düsseldorfer Rheinturm ohne Verletzung von Urheberrechten möglich

Eine im Oktober 2020 an und auf dem Düsseldorfer Rheinturm inszenierte Lichtinstallation verletzt nicht die Urheberrechte an der zuvor an gleicher Stelle dargebotenen Lichtinstallation "Rheinkomet".

Das Landgericht Düsseldorf hat sich mit dem urheberrechtlichen Schutz der im Jahr 2016 auf dem Düsseldorfer Fernsehturm präsentierten Lichtshow „Rheinkomet″ und der Frage der urheberrechtlichen Zulässigkeit einer im Oktober 2020 an gleicher Stelle aufgeführten Lichtshow eines in Düsseldorf ansässigen Großhandelskonzerns befasst (LG Düsseldorf, Urteil v. 13. Januar 2021 – 12 O 240/20). Das Landgericht stellt zunächst fest, dass der Rheinkomet zwar urheberrechtlichen Schutz genieße, es sich bei der nachfolgenden Lichtshow aber um eine urheberrechtlich zulässige freie Benutzung des Rheinkometen handele und Unterlassungsansprüche daher abzulehnen seien.

Das Gericht stützt die Entscheidung auf das in § 24 UrhG verankerte „Recht zur freien Benutzung″. Hierbei dürfte es sich allerdings um einen der letzten Fälle handeln, in denen § 24 UrhG zur Anwendung gelangt. Denn ein aktueller Regierungsentwurf zur Änderung des Urhebergesetzes sieht die Streichung des § 24 UrhG und Verlagerung seines Regelungsgehalts in die Vorschrift des § 23 UrhG vor.

Zwei teilweise identische Lichtinstallationen an und auf dem Düsseldorfer Rheinturm

Die gemeinnützige Stiftung DUS-illuminated® inszenierte im Jahr 2016 anlässlich der 70-Jahr-Feier des Bundeslandes NRW eine eindrucksvolle Lichtinstallation am Düsseldorfer Fernsehturm. Die unter dem Titel „Rheinkomet″ präsentierte Lichtshow bestand aus 56 an der Kuppel des Rheinturms angebrachten Lichtstrahlern, die einzeln bewegt und gesteuert werden konnten. Der Gesamteindruck der Lichtshow war maßgeblich durch einen rhythmischen Bewegungsablauf der Lichtstrahler geprägt, die im Wechsel zu einer synchronen, senkrecht stehenden Bündelung und aufgefächert an den äußeren Rand der Kuppel geführt wurden.

Im Oktober 2020 realisierte ein Düsseldorfer Großhandelsunternehmen im Rahmen eines von ihm veranstalteten Events ebenfalls eine Lichtshow an und auf dem Rheinturm. Die Lichtshow bestand aus einer großflächig auf den Schaft des Rheinturms projizierten Farbfläche sowie aus 25 an der Kuppel des Rheinturms angebrachten Lichtstrahlern, deren Strahlkraft jedoch um 80% geringer war als die der Lichtstrahler des Rheinkometen.

Einstweilige Verfügung gegen Aufführung der Lichtshow nach Widerspruch abgewiesen

In einem von der DUS-illuminated® angestrengten Eilverfahren wurde dem Großhandelskonzern die Aufführung seiner Lichtshow per einstweiliger Verfügung zunächst untersagt. Auf den Widerspruch des Großhandelskonzerns hob das Landgericht Düsseldorf die einstweilige Verfügung jedoch mit Urteil vom 13. Januar 2021 (Az.: 12 O 240/20) auf und wies den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurück. Ein Unterlassungsanspruch könne unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt festgestellt werden, insbesondere seien keine Urheberrechte verletzt.

Rheinkomet als „Werk der bildenden Künste″ urheberrechtlich geschützt

Das Landgericht Düsseldorf stellt zunächst fest, dass dem Rheinkometen als Werk der bildenden Künste im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG urheberrechtlicher Schutz zukommt. Ein nach dieser Vorschrift urheberrechtlich geschütztes Werk liege immer dann vor, wenn der ästhetische Gehalt des Werkes einen solchen Grad erreicht, dass 

nach Auffassung von für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreisen […] von einer ‚künstlerischen Leistung‘

gesprochen werden kann.

Eine solche Gestaltungshöhe sieht das Landgericht im Rheinkometen erreicht. Die Ästhetik des Werks werde bestimmt durch die 56 Lichtstrahler, durch die von weit her Aufmerksamkeit auf die Lichtinstallation hervorgerufen werde. Die rhythmische Abfolge der Lichtstrahlen habe 

etwas mit klassischem Ballett zu tun.

Insgesamt werde das Erscheinungsbild des Rheinkometen von der Symbiose zwischen der Architektur des Rheinturms und der aus der Ferne sichtbaren und als Eyecatcher dienenden Lichtshow an dessen Kuppel bestimmt.

Keine Verletzung von Urheberrechten, da zulässige freie Benutzung nach § 24 UrhG

Wenngleich der Rheinkomet urheberrechtlichen Schutz genießt, steht der DUS-illuminated® nach Auffassung des Landgerichts in Bezug auf die nachfolgende Lichtshow des Großhandelskonzerns dennoch kein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch zu: Die nachfolgende Lichtshow sei als eine nach § 24 UrhG zulässige freie Benutzung des Rheinkometen anzusehen.

In Ausnahme zu § 23 UrhG, wonach Bearbeitungen eines älteren Werks nur mit Einwilligung des Urhebers des älteren Werks veröffentlicht werden dürfen, bedarf es nach § 24 UrhG keiner solchen Einwilligung, wenn es sich bei dem neuen Werk um ein selbstständiges Werk handelt, das in freier Benutzung des älteren Werks geschaffen worden ist. Eine freie Benutzung setzt voraus, so das Landgericht, 

dass angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werks verblassen.

Die dem älteren Werk entlehnten Merkmale müssen also derart zurücktreten, dass das ältere Werk nicht mehr in relevantem Umfang durch das neue Werk benutzt wird. Diese Anforderungen sieht das Landgericht Düsseldorf in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall erfüllt: Bei der dem Rheinkometen nachfolgenden Lichtshow seien nicht die Lichtstrahler an der Kuppel des Rheinturms der Eyecatcher, sondern vielmehr die auf den Schaft projizierte bunte Farbfläche. Bedeutsam war für das Landgericht hier auch die um 80% verringerte Strahlkraft der insgesamt nur 25 Strahler und deren gegenüber dem Rheinkometen deutlich eingeschränkter Bewegungsablauf.

Die Lichtshow des Düsseldorfer Großhandelskonzerns war danach gegenüber dem Rheinkometen so anders, dass das Landgericht sie als zulässige freie Benutzung des Rheinkometen ansah.

Übernommene Teile des Rheinkometen für sich nicht urheberrechtsschutzfähig

Auch in Bezug auf die identisch übernommenen Lichtstrahlen sieht das Landgericht keine Urheberrechte verletzt. Teile von geschützten Werken sind gegen ihre isolierte Übernahme nur dann geschützt, wenn sie selbst die Voraussetzungen des urheberrechtlichen Schutzes erfüllen. Der hier übernommene, deutlich reduzierte Bewegungsablauf der Lichtstrahler sei jedoch nicht mit den „tanzenden Lichtstrahlern des Rheinkometen zu vergleichen und weise daher nicht die erforderliche Schöpfungshöhe auf.

Unionsrechtskonformität des § 24 UrhG

Allerdings dürfte die das „Recht zur freien Benutzung″ enthaltende Vorschrift des § 24 UrhG, die der Lichtshow des Düsseldorfer Großhandelskonzerns noch zur urheberrechtlichen Zulässigkeit verhalf, in Zukunft so nicht mehr anwendbar sein. Der EuGH hat sich in der Rechtssache „Metall auf Metall mit der Frage befasst, ob § 24 UrhG mit dem Unionsrecht vereinbar ist (EuGH, Urteil v. 29. Juli 2019 – C476/17). Anlass der Problematik ist, dass die Vorschrift in ihrer derzeit geltenden Fassung nicht nur den Umfang des Urheberrechts bestimmt (Schutzbereichsebene), sondern zugleich als eine Beschränkung desselben aufgefasst werden kann, die aus der Abwägung der gegenläufigen Interessen des Urhebers und der Nutzer von geschützten Werken herrührt.

Der EuGH führt hierzu aus, dass Beschränkungen der Rechte des Urhebers für alle EU-Mitgliedstaaten einheitlich erschöpfend durch die Richtlinie 2001/29/EG geregelt werden. Jedoch werde die Wirksamkeit der durch die Richtlinie bezweckten Harmonisierung des Urheberrechts gefährdet, wenn jedem Mitgliedstaat gestattet würde, außerhalb der in der Richtlinie vorgesehenen Beschränkungen Abweichungen von den Rechten des Urhebers vorzusehen.

Für den in der Rechtssache „Metall auf Metall zur Entscheidung stehenden Fall, in dem es um die ausschließlichen Rechte eines Tonträgerherstellers ging, stellt der EuGH sodann konsequent fest:

Ein Mitgliedstaat [darf] in seinem nationalen Recht keine Ausnahme oder Beschränkung in Bezug auf das Recht des Tonträgerherstellers […] vorsehen […], die nicht in Art. 5 dieser Richtlinie vorgesehen ist.

Der EuGH erlaubt den Mitgliedstaaten damit keine weiteren Beschränkungen der ausschließlichen Rechte des Urhebers über die bereits in der Richtlinie 2001/29/EG enthaltenen Beschränkungen hinaus. Damit war auch die Zukunft des § 24 UrhG, der nicht vom Schranken-Katalog des Art. 5 der Richtlinie 2001/29/EG gedeckt ist, vorgezeichnet.

Hintergrund all dessen war bzw. ist, dass die bis zum Erlass der Richtlinie 2001/29/EG in den Mitgliedstaaten geltenden, unterschiedlich ausgestalteten Beschränkungen des Urheberrechts sich negativ auf die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts im Bereich des Urheberrechts ausgewirkt hatten.

Aktueller Gesetzesentwurf der Bundesregierung verlagert „Recht zur freien Benutzung″ in die Regelung des § 23 UrhG

Mit einem Gesetzesentwurf vom 3. Februar 2021 zur Umsetzung der „Digital Single Market″-Richtlinie (Richtlinie 2019/790/EG) reagiert die Bundesregierung auch auf die „Metall auf Metall″-Rechtsprechung des EuGH. Die nunmehr gebotene Rechtsänderung soll durch Streichung des § 24 UrhG und Neufassung des § 23 UrhG umgesetzt werden. Nach dem Gesetzesentwurf soll das seit jeher in § 24 UrhG verankerte „Recht zur freien Benutzung″ auf die Ebene der Schutzbereichsbestimmung in § 23 UrhG-E verlagert werden, und zwar als Schutzbereichsbegrenzung in Gestalt einer „Abstandsformel″:

Wahrt das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk, so liegt keine Bearbeitung oder Umgestaltung [des älteren Werks] im Sinne des Satzes 1 vor.

Anders ausgedrückt: Hält ein neu geschaffenes Werk einen hinreichenden Abstand zu dem als Inspiration dienenden älteren Werk ein, so ist der Schutzbereich des Urheberrechts an dem älteren Werk nicht betroffen.

Dies entspricht der allgemein geltenden und gleichermaßen vom BGH vertretenen Ansicht, dass die Regelung des § 24 UrhG als Schutzbereichsbestimmung zu verstehen ist.

Natürlich durfte das in § 24 UrhG geregelte „Recht zur freien Benutzung″ nicht verschwinden. Denn diese Regelung ist, soweit sie als auf das Urheberrecht bezogene Schutzbereichsbestimmung verstanden wird, für das Urheberrecht selbstverständlich. Dies stellt auch der BGH auf die „Metall auf Metall″-Entscheidung des EuGH noch einmal klar (BGH, Urteil v. 30. April 2020 – I ZR 115/16):

Das im nationalen Urheberrecht seit jeher anerkannte Recht der freien Benutzung bezeichnet […] eine dem Urheberrecht immanente Beschränkung seines Schutzbereichs. Diese Beschränkung beruht auf der Erkenntnis, dass kulturelles Schaffen nicht ohne ein Aufbauen auf früheren Leistungen anderer Urheber denkbar ist.

Lichtshows am Rheinturm weiterhin möglich, solange ein „hinreichender Abstand″ gewahrt ist

Das „Recht zur freien Benutzung″ eines älteren Werks wird also auch weiterhin im UrhG enthalten sein, nur eben auf Ebene der Schutzbereichsbestimmung. Die anzulegenden Maßstäbe dürften dabei unverändert bleiben. Es wird also auch zukünftig darauf ankommen, ob die dem älteren Werk entlehnten Merkmale in dem neuen Werk in ausreichender Weise zurücktreten. Dies hatte das Landgericht Düsseldorf zutreffend für die Lichtshow des Düsseldorfer Großhandelskonzerns gegenüber dem Rheinkometen bejaht. Die Lichtstrahlen, die beim Rheinkometen noch der Hauptblickfang waren, traten hier neben der bunten Farbfläche auf dem Schaft des Rheinturms als bloßes zusätzliches Element der Lichtshow ganz offensichtlich in den Hintergrund.

Für die Veranstaltung von Lichtshows am Düsseldorfer Rheinturm bedeutet dies, dass auch unter Berücksichtigung des geänderten Urheberrechts weitere Lichtshows am Rheinturm möglich sind – sie müssen nur den nötigen Abstand zum Rheinkometen und anderen Vorgängerveranstaltungen einhalten.

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