Wer gerichtlich erfolgreich gegen die Verletzung seiner Geschäftsgeheimnisse vorgehen will, darf die damit verbundenen verfahrensrechtlichen Stolpersteine nicht aus dem Blick verlieren.
Der Gesetzgeber hat den Geschäftsgeheimnisschutz 2019 aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ausgelagert. Infolge dieser Ausgliederung in das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) gilt es einige verfahrensrechtliche Stolpersteine zu umgehen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Prüfung der Zuständigkeit zu legen.
Gesteigerte richterliche Expertise durch Zuständigkeitskonzentration
Das Geschäftsgeheimnisgesetz sieht für Klagen vor den ordentlichen Gerichten in § 15 Abs. 1 GeschGehG die streitwertunabhängige Zuständigkeit der Landgerichte vor. Sie soll sicherstellen, dass erfahrene Kammern auf ihre in Wettbewerbsstreitsachen gewonnene Expertise auch in Geschäftsgeheimnisstreitsachen zurückgreifen können. Denn diese weisen – wie an der ehemaligen Integration des Geschäftsgeheimnisschutzes in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unschwer zu erkennen ist – eine gewisse inhaltliche Nähe zum Wettbewerbsrecht auf. Bei Beteiligung von Arbeitnehmern* ist allerdings zumeist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.
Nach § 15 Abs. 2 GeschGehG ist der Beklagte grds. an seinem allgemeinen Gerichtsstand in Anspruch zu nehmen. Damit die richterliche Sachkunde besonders effektiv und arbeitsökonomisch ausgeübt werden kann, ermöglicht § 15 Abs. 3 GeschGehG den Landesregierungen allerdings, die Zuständigkeit der Bezirke mehrerer Landgerichte durch Rechtsverordnung auf ein einziges zu konzentrieren. Von dieser Möglichkeit haben Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern bislang Gebrauch gemacht. Die Entwicklung in den anderen Ländern ist weiter zu verfolgen.
Eine zur Konzentrationsermächtigung des § 15 Abs. 3 GeschGehG spiegelbildliche Ermächtigung findet sich auch in § 14 Abs. 3 UWG für das Wettbewerbsrecht. Kommt in einem Sachverhalt sowohl Ansprüchen nach dem GeschGehG als auch wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen eine Rolle zu, ist demnach zu prüfen, ob die Landesregierungen sowohl von ihrer Befugnis zur Zuständigkeitskonzentration in Geschäftsgeheimnisstreitsachen als auch in Wettbewerbsstreitsachen Gebrauch gemacht und diese einheitlich denselben Gerichten zugewiesen haben. Anders, als man glauben sollte, ist dies überwiegend (noch) nicht der Fall. Deswegen fällt die örtliche Zuständigkeit für den Wettbewerbs- und Geheimnisschutzteil oft auseinander. Es bleibt zu hoffen, dass die Landesregierungen diese Problematik zeitnah erkennen und durch Angleichung der Zuständigkeitskonzentrationen Abhilfe schaffen werden.
Funktionelle Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen?
Steht fest, dass ein Fall beim Landgericht anhängig zu machen ist und hat man auch den Ort des Gerichts zutreffend bestimmt, stellt sich die Frage nach dem funktionell zuständigen Spruchkörper. Als der Geheimnisschutz noch in § 17 UWG a.F. geregelt war, war die Sache einfach. Für Ansprüche nach dem UWG waren und sind nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG nämlich die Kammern für Handelssachen zuständig. Aber sind sie dies nach Inkrafttreten des Geschäftsgeheimnisgesetzes immer noch?
Unmittelbar aus dem GVG ergibt sich das nicht. Denn § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG erklärt die Kammern für Handelssachen nur für Klagen, mit denen Ansprüche aufgrund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb geltend gemacht werden, für funktionell zuständig.
In Betracht kommt jedoch eine analoge Anwendung der Vorschrift. Allerdings wäre dieser Weg verschlossen, hätte der Gesetzgeber sich bewusst gegen die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen entschieden. Für eine solche bewusste Entscheidung spricht, dass der Gesetzgeber den § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG im Zuge der Auslagerung des Geheimnisschutzes ins Geschäftsgeheimnisgesetz nicht angepasst hat, wohl aber den § 74c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GVG entsprechend ergänzt hat. Dieser betrifft die Zuständigkeit in Strafsachen und weist Geschäftsgeheimnissachen den Wirtschaftsstrafkammern zu. Es kommt hinzu, dass der ursprüngliche Referentenentwurf ausdrücklich die „Zivilkammern der Landgerichte“ erwähnte.
In § 15 GeschGehG hat diese Einschränkung aber keinen Einzug gefunden. Damit lassen die Gesetzesmaterialien im Ergebnis nicht eindeutig erkennen, ob der Gesetzgeber sich bewusst gegen die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen in Geschäftsgeheimnisstreitsachen entschieden hat oder ob es sich um ein bloßes Redaktionsversehen handelt.
Entscheidend für die Einordnung von Geschäftsgeheimnisstreitsachen als Handelssachen spricht deren sachliche Nähe zu Wettbewerbsstreitsachen. Das ist deswegen ein starkes Argument, weil der Gesetzgeber mit der ausschließlichen sachlichen Zuständigkeit der Landgerichte und der Möglichkeit zur Zuständigkeitskonzentration eines klar verdeutlicht und in der Gesetzesbegründung auch mehrfach betont hat: Gesteigerte richterliche Sachkunde soll in Geschäftsgeheimnisstreitsachen auch nach Auslagerung des Geheimnisschutzes in das Geschäftsgeheimnisschutzgesetz durch den Rückgriff auf das in Wettbewerbsstreitsachen gesammelte Erfahrungswissen sichergestellt werden. Da diese Expertise aufgrund der Zuständigkeit für Wettbewerbsstreitsachen nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG bisher bei den Kammern für Handelssachen gebündelt wurde, liegt eine Einordnung von Geschäftsgeheimnisstreitsachen als Handelssachen nahe. Hinzu kommt, dass Ansprüche aus Geschäftsgeheimnisverstößen in der Praxis häufig mit lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen zusammentreffen. Es widerspräche jeglicher Prozessökonomie, wenn der wettbewerbsrechtliche Teil vor der Kammer für Handelssachen verhandelt würde, der Geschäftsgeheimnisteil aber vor der Zivilkammer. Allerdings bleibt abzuwarten, wie die Gerichte sich zu diesem Thema positionieren werden.
Nicht unerwähnt bleiben soll zudem, dass die Kammern für Handelssachen auch in Geschäftsgeheimnisstreitigkeiten im Falle eines beiderseitigen Handelsgeschäfts weiterhin nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG zuständig sein können.
Bei verfahrensrechtlichen Fragen zum Geschäftsgeheimnisgesetz ist Umsicht gefragt!
Wie aufgezeigt bringt die Verortung des Geheimnisschutzes im Geschäftsgeheimnisgesetz einige verfahrensrechtliche Herausforderungen mit sich, die es zu meistern gilt.
Da das Gesetz erst vor knapp dreieinhalb Jahren in Kraft getreten ist, sind die Entwicklungen nicht abgeschlossen. Daher ist der jeweils aktuelle Stand sowohl hinsichtlich der Zuständigkeitskonzentration als auch mit Blick auf die funktionelle Zuständigkeit weiter aufmerksam zu verfolgen. Denn auch wenn sich Fehler in diesen Bereichen rechtlich i.d.R. korrigieren lassen, können sie aufgrund der mit ihnen einhergehenden Verzögerung gerade im einstweiligen Verfügungsverfahren faktisch erhebliche Nachteile mit sich bringen. Muss die Geheimnisschutzstreitsache nämlich erst an das zuständige Gericht bzw. die zuständige Kammer verwiesen werden, vergeht wertvolle Zeit, in der der Täter weiteren Schaden anrichten kann.
Dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit Jakob Hailer verfasst.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.