27. Juli 2020
Werbewiderspruch
Wettbewerbsrecht (UWG)

Adressierte Briefwerbung trotz Werbewiderspruchs

Wird einem Verbraucher trotz Werbewiderspruchs adressierte Briefwerbung zugestellt, kann sich der Versender regelmäßig nicht auf einen sog. Ausreißer berufen.

Während Werbung per E-Mail grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Adressaten zulässig ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG), darf ein Einwurf von Briefwerbung/ nichtadressierten Mitteilungen (Postwurfsendungen) auch ohne vorherige Einwilligung erfolgen. Verbraucher können der Zustellung derartiger Werbung jedoch widersprechen. Ein solcher Widerspruch wird in den allermeisten Fällen entweder durch einen Hinweis am Briefkasten oder durch eine Mitteilung an den Werbenden direkt erklärt. Die trotz eines solchen Werbewiderspruchs eingeworfene Werbung stellt in der Regel eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 UWG dar. Ausnahmsweise kann es allerdings hieran fehlen, wenn der Wunsch des Empfängers lediglich „aus Versehen“ nicht beachtet wurde.

Ausreißer können im Einzelfall tolerierbar sein

So liegt bei Postwurfsendungen nicht in jedem Fall der Werbung trotz eines Werbewiderspruchs eine unzumutbare Belästigung vor. Zwar kann auch bereits das erstmalige Hinwegsetzen über einen Werbewiderspruch eine „hartnäckige Ansprache“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG) darstellen. Jedoch kann ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 UWG dann ausscheiden, wenn der Werbende unter den gegebenen Umständen alles Notwendige und ihm Zumutbare veranlasst hat, um die Zustellung der Postwurfsendung an den Widersprechenden zu verhindern.

Zustellung adressierter Werbesendungen trotz Widerspruchs nur ausnahmsweise zu rechtfertigen

Wird einem Verbraucher indes trotz ausdrücklichen Werbewiderspruchs eine an ihn adressierte Briefwerbung zugesandt, kann sich der Unternehmer nur schwer damit rechtfertigen, es handele sich um ein Versehen/einen Ausreißer. Im zu entscheidenden Fall hatte die Verbraucherin zuvor den Werbenden per E-Mail dazu aufgefordert, ihr keine Werbung mehr zuzusenden. Zwei Monate später erhielt sie trotzdem ein an sie persönlich adressiertes Werbeschreiben des Unternehmens.

Die Werbende versuchte vor Gericht, sich auf ein Versehen/einen Ausreißer zu berufen und trug dazu vor, ein langjährig erprobtes System verwendet zu haben. Widersprüche von Kunden seien dabei händisch in eine Datei eingetragen worden, wobei vor dem Versand ein Abgleich mit der Liste der Empfängeradressen stattgefunden habe. Bei der händischen Übertragung sei es offenbar zu einem Fehler gekommen.

Das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 28. Februar 2019 – 2-03 O 337/18) sah hierin keine ausreichenden Vorkehrungen um die Zustellung von unerwünschten Werbesendungen zu verhindern. Während sich der Werbende bei Postwurfsendungen darauf verlassen müsse, dass das Zustellpersonal Werbewidersprüche beachtet, hätte es das Unternehmen bei adressierter Briefwerbung im gesteigerten Maße selbst in der Hand, unerwünschte Sendungen zu vermeiden. Dies hatte der Werbende nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend getan, da die händische Übertragung fehleranfällig sei. Eine Nichterfassung oder ein Schreibfehler könne leicht passieren, ohne dass dies auffallen würde. Insoweit wäre nach Ansicht des Landgerichts Frankfurt am Main das sogenannte „4-Augen-Prinzip“ oder eine automatische Erfassung entsprechender Widersprüche angezeigt. Letzteres hatte die Werbende zwischenzeitlich ohnehin eingeführt.

Unterlassungserklärung bezogen nur auf die betroffene Verbraucherin reicht nicht aus

Konkret wurde die Werbende nicht von der Verbraucherin selbst in Anspruch genommen. Stattdessen klagte eine qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG (ein gemeinnütziger Verein, der Verbraucher informiert und berät). Als Reaktion auf die vorgerichtliche Abmahnung hatte die Werbende lediglich eine auf die konkrete Verbraucherin beschränkte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Im Prozess hatte die Werbende dann argumentiert, dass bezüglich anderer Verbraucher keine Wiederholungsgefahr bestehe. Mit Blick auf die bereits abgegebene Unterlassungserklärung sei deshalb der eingeklagte Unterlassungsanspruch unbegründet. Dies sah das Landgericht Frankfurt am Main anders. Eine derart auf den Einzelfall beschränkte Unterlassungserklärung ist nach ständiger Rechtsprechung nicht geeignet, die durch den erstmaligen Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr hinreichend zu beseitigen.

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