Eine schlechte Nachricht für Kermit freut die „Initiative zur Betreuung vernachlässigter Gesetze (IBVG): „Nach unserem ersten Fall „Datenschutzstraftaten″ (nach wie vor aktuell) sind wir uns bei der aktuellen Akte nicht mehr so sicher. Eigentlich hatten wir auch die rechtlichen Regelungen zur Schleichwerbung auf die Liste der zwar existenten, aber auch von professionellen Rechtsanwendern zu oft vernachlässigten Rechtsnormen gesetzt. Nachdem einige Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen unsere Sorge beförderten, sorgt die Rundfunkregulierung jetzt für – jedenfalls punktuelle – Entspannung, und dabei spielt Kermit eine tragende Rolle.
Vor gar nicht allzu langer Zeit kamen wir uns vor wie im falschen Film: Zwar enthalten Landespressegesetze, Rundfunkstaatsvertrag, Telemediengesetz und nicht zuletzt § 4 Nr. 3 UWG mehr oder weniger detaillierte Bestimmungen zur Durchsetzung des Gebotes der Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Gleichwohl ist die Unsitte nicht gekennzeichneter Werbung (also der Schleichwerbung) ein stetiger Begleiter des Medienkonsums auf allen Kanälen (und nochmals: Auch in Blogs ist Schleichwerbung verboten!) Zwischen der Existenz von Verboten und ihrer Durchsetzung klaffen jedoch nicht selten erkleckliche Lücken – die vielbeschworenen Vollzugsdefizite. Treten diese gehäuft auf, führen sie zur weiteren Nichtbeachtung des Verbots und erschweren damit seine Durchsetzung immer weiter: Das Verbot wird zu einem klassischen vergessenen Gesetz.
Im vergangenen Jahr hatten wir das Schleichwerbeverbot deshalb schon unter Vernachlässigungsverdacht: Im Frühjahr wurde nach verdeckter Recherche zunächst ruchbar, dass der ein oder andere Verlag bezahlte Zeitungsinhalte gar nicht oder lediglich als „Verlagssonderveröffentlichung″ kennzeichnet. Ein ebenso klarer wie offensichtlich verbreiteter Verstoß gegen die Bestimmungen der Landespressegesetze, die ausdrücklich eine Kennzeichnung als „Anzeige″ vorsehen. Die investigativ tätige „taz″ berichtete im Anschluss, dass das Ordnungsamt der Stadt Essen davon abgesehen habe, ein Bußgeld zu verhängen wegen der auch ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktionierten Schleichwerbung. Diese Nachricht war insoweit wenig überraschend, als die praktische Relevanz der entsprechenden Vorschriften seit jeher gegen Null tendiert; das Opportunitätsprinzip macht die Entscheidung gegen tatsächlich und rechtlich aufwendige Verfahren leicht. Insoweit ist es konsequent, dass die Norm (jedenfalls im Landespressegesetz NRW) den Bußgeldrahmen nach wie vor in „Deutscher Mark″ angibt und auch unsere informativen Anrufe bei diversen Stadtverwaltungen zu hörbarem Erstaunen ob der Existenz solcher Vorschriften und Ratlosigkeit hinsichtlich der verwaltungsinternen Zuständigkeit führten. Die Bußgeldvorschriften des Presserechts zählen deshalb seit jeher zu den „vergessenen Gesetzen″. Erstaunlich war allerdings die Einlassung des Ordnungsamtsleiters
„Dem Durchschnittsleser ist es in der Regel aber auch egal, aus welcher Redaktion der Artikel stammt und ob er vorher ‘gehandelt’ worden ist.”,
die die gesetzgeberische Motivation doch sehr, vielleicht etwas zu grundsätzlich in Frage stellt.
Vergleichbares Erstaunen hatte uns auch im Sommer vergangenen Jahres beschlichen, als dem geschätzten Kollegen im Nebenzimmer bei der Urteilslektüre fast der Kaffee aus der Hand gefallen wäre. Seinerzeit hatte das OLG Köln einen Vertrag über die Platzierung von Schleichwerbung entgegen bisherigen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur nicht etwa nach § 134 BGB für nichtig gehalten, sondern diesen Aspekt in den Gründen überhaupt nicht thematisiert. Dies wiederum führte bei einigen Autoren zu der (unseres Erachtens etwas voreiligen) Einschätzung, dass das OLG Köln Schleichwerbung in Blogs „inzident″ für zulässig halte.
Unsere etwas angestaubten „o tempora, o mores„-Rufe ziehen wir angesichts jüngster Entwicklungen ganz vorsichtig und auch nur vorläufig ein klein wenig zurück: Denn die „Kommission für Zulassung und Aufsicht″ (ZAK) der Landesmedienanstalten sprach just eine rundfunkrechtliche Beanstandung gegen Pro7 aus (Kollege Dr. Bahr berichtete bereits kurz hier). Mittelbares Opfer ist Kermit, der Frosch, der am 20.11.2011 das Abendprogramm präsentierte, wobei in einer An- und Abmoderation jeweils „deutlich und in werblicher Art auf den Kinostart des Films „Die Muppets“ hingewiesen″ wurde, ohne dass dies als Werbung erkennbar gemacht war. Hierin sah die ZAK einen Verstoß gegen die Kennzeichnungspflicht, den der Sender eingeräumt habe. Die rechtswidrige Nebenbeschäftigung des grünen Hüpfers und ihre hiesige Sanktionierung fand auch jenseits des Atlantiks publizistischen Widerhall: Der „Hollywood Reporter″ kommentierte, und Stephen Colbert nahm den Vorfall zum Anlass für eine erfrischende Kurzvorlesung über deutsches Rundfunkrecht (feat. einen beim Auswärtigen Amt bislang nicht bekannten deutschen UN-Botschafter).
Unsere froschbeförderte Freude über die Renaissance der Schleichwerbevorschriften steht allerdings nach wie vor auf noch nicht ganz so stabilen Füssen: Das Berliner Kammergericht scheint die Anforderungen an die Erkennbarkeit von Online-Werbung in einer aktuellen Entscheidung doch recht niedrig anzusetzen…