Der Vergleich zweier Produkte in einer seriösen wissenschaftlichen Studie begründet noch keinen Wettbewerbsverstoß. Es fehle an der geschäftlichen Handlung.
Wissenschaftliche oder journalistische Äußerungen über fremde Produkte können heikel sein. Durch Transparenz und die Einhaltung qualitativer Standards lassen sich allerdings die rechtlichen Risiken vermeiden.
Produktvergleiche, -analysen und -bewertungen kommen in vielen Kontexten vor: Kritische journalistische Beiträge, Produkttests auf Plattformen und in Magazinen oder wissenschaftliche Studien. Betroffene Unternehmen versuchen häufig gegen die Kritik an ihren Produkten vorzugehen. Ein aktuelles Urteil des OLG Frankfurt macht deutlich, in welchen Grenzen dies möglich ist (Urteil. v. 11. Mai 2017 – 6 U 76/16).
Streit um Produktvergleich in einer seriösen Studie/Fachaufsatz
Klägerin war eine Herstellerin thermoplastischer Unterkieferprotrusionsschienen (UKPS). Solche Schienen sollen bei obstruktiver Schlafapnoe (schlafbezogenen Atmungsstörung) helfen und können vom Träger selbst angepasst werden. Der Beklagte ist ein auf atmungsbedingte Schlafstörungen spezialisierter Arzt und Lehrbeauftragter.
In der weltweit führenden Zeitschrift für Schlafmedizin veröffentlichte er als Co-Autor einen Artikel, in dem er auf eine von ihm durchgeführte und mit Drittmitteln geförderte Vergleichsstudie zu thermoplastischen und individuellen UKPS verwies. Dazu führte er aus: „das thermoplastische Gerät zeigte eine viel geringere Wirksamkeit″. Die Klägerin macht geltend, diese Angabe sei unwahr im Sinne von § 5 I 2 UWG und daher gegenüber Verbrauchern irreführend.
Wissenschaftliche Studie ist keine „geschäftliche Handlung“
Das OLG Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehe zwischen den Parteien allerdings ein Wettbewerbsverhältnis. Durch den Produktvergleich werde potentiell fremder Wettbewerb, nämlich solcher von Herstellern individueller UKPS, die mit der Klägerin konkurrieren, gefördert.
Es fehle jedoch an einer geschäftlichen Handlung im Sinne von § 2 I Nr. 1 UWG und damit an einer Grundvoraussetzung, die Äußerung wettbewerbsrechtlich zu untersagen. Im Rahmen des wissenschaftlichen Beitrags diene die Äußerung im vorliegenden Fall vorwiegend wissenschaftlichen Zwecken und nicht der Absatzförderung. Auswirkungen auf den Wettbewerb bei UKPS seien lediglich reflexartiger Natur.
Das Gericht stützt diese Wertung darauf, dass der Beitrag nach Form und Diktion den Charakter eines wissenschaftlichen Fachaufsatzes habe und keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die wissenschaftliche Zielsetzung nur vorgeschoben sei. Das bloße Faktum der Drittmittelförderung bei der in Bezug genommenen Studie sei für die Bewertung nicht ausschlaggebend. Denn diese sei allgemein üblich und im konkreten Fall auch offengelegt worden.
Der Beitrag sei schließlich trotz möglicher wissenschaftlicher Mängel nicht „so gravierend oder haarsträubend″ fehlerhaft, dass hieraus auf eine bewusste Täuschung der Verbraucher geschlossen werden könne.
Konkrete Gegenleistung eröffnet wettbewerbsrechtliche Untersagungsmöglichkeit
Äußerungen im wissenschaftlichen Kontext unterliegen der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Verleger können sich auf die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 2 S. 2 GG) berufen. Die Rechtsprechung berücksichtigt diese Grundrechtspositionen im Kontext wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsklagen bereits bei der Frage, ob überhaupt eine geschäftliche Handlung vorliegt.
Hierfür muss ein objektiver Zusammenhang zur Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs vorliegen, der etwaige wissenschaftliche oder publizistische Interessen überwiegt. Wirtschaftliche Interessen können zum einen daraus abzuleiten sein, dass für eine Äußerung konkrete wirtschaftliche Vorteile versprochen werden.
Dieser Fall einer „gekauften″ Meinung wird in der Praxis allerdings nur selten nachzuweisen sein. Zu Recht hat das OLG Frankfurt die Bereitstellung von Drittmitteln nicht ausreichen lassen, da diese nicht eine bestimmte Äußerung, sondern Forschungsvorhaben als solche fördert. Gewichtige Indizien für eine geschäftliche Handlung sind hingegen eigenwirtschaftliche Interessen des Äußernden oder irreführende Behauptungen (s. Sakowski, WRP 2017, 138, 143 f.).
Auf den Einzelfall kommt es an
Für den konkreten Einzelfall ist immer eine Gesamtwürdigung aller Einzelumstände maßgeblich. Es empfiehlt sich daher, bei Äußerungen über fremde Produkte oder Unternehmen möglichst schon den bösen Schein zu vermeiden.
Finanzielle Förderung und Beauftragung durch Dritte als Gutachter, Berater o.ä. sollten transparent gemacht werden. Vergleiche sind – trotz im Einzelfall möglicher Polemik – immer auch auf eine sachliche Grundlage zu stellen. Rechtlich angreifbar und ggf. auch strafbar sind vor allem falsche Tatsachenbehauptungen. Bei scharfen Meinungsäußerungen kommt es für die Frage, ob eine Untersagung in Betracht kommt, auf die Einbettung in den Gesamtkontext und auf die in Bezug genommenen Fakten an.