Das OLG Köln bestätigt, mehrere Standorte auf dem Briefpapier einer Kanzlei erwecken den unzutreffenden Eindruck, an allen Orten wäre ein eigener Kanzleisitz vorhanden.
Das OLG Köln (Urteil v. 17. Januar – 6 U 101/19) hatte über eine Unterlassungsklage gegen eine Kanzlei zu entscheiden, die auf ihrem Briefpapier unterhalb der Kanzleibezeichnung die Orte Hamburg, München, Frankfurt und Düsseldorf aufgeführt hatte. Die Kanzlei verfügte jedoch nur in Hamburg über Büroräume und betrieb an den anderen Standorten lediglich Zweigstellen.
Schon das LG Köln (Urteil v. 30. April 2020 – 33 O 114/17) hatte die beklagte Kanzlei aus diesem Grund in erster Instanz zur Unterlassung verurteilt, da die Angabe der vier Städte in gleichartiger Aufmachung auf dem Briefpapier der Kanzlei den Eindruck erwecke, die Kanzlei unterhalte in sämtlichen vier Städten Standorte im Sinne eines eigenen Kanzleisitzes. Darin sei eine irreführende geschäftliche Handlung der Beklagten im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG zu erblicken, der es verbietet, Werbung mit zur Täuschung geeigneten Angaben über das werbende Unternehmen zu verbreiten. Dieser Auffassung schloss sich das OLG Köln in zweiter Instanz an.
Ob Kanzleisitz oder nur Zweigstelle besteht, muss klar erkennbar sein
Das OLG Köln stellte in seiner Berufungsentscheidung zunächst klar, dass auch die Auflistung von Standorten auf Briefpapier eines Unternehmens eine wettbewerbsrechtlich relevante geschäftliche Handlung darstelle. Dazu führte es aus, dass alle Formen der Kommunikation, die unmittelbar oder mittelbar den Absatz des Unternehmens fördern sollen und sein Erscheinungsbild betreffen, als geschäftliche Handlung im Sinne des UWG zu werten seien.
Im Hinblick auf das maßgebende Verständnis einer werblichen Aussage wies das OLG Köln zudem darauf hin, dass es nicht darauf ankomme, wie das werbende Unternehmen selbst eine Aussage verstanden wissen wolle, sondern wie diese von den adressierten Verkehrskreisen aufgefasst würde. Danach könnten auch zulässige und objektiv richtige Aussagen zu Fehlvorstellungen führen.
Das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise im Hinblick auf das Briefpapier der Kanzlei der Beklagten gehe dahin, diese verfüge in den benannten Städten über eigene Kanzleisitze und betreibe dort nicht nur Zweigstellen. Dieses Verständnis rechtfertige sich damit, dass die Ortsbezeichnungen an prominenter Stelle auf dem Briefpapier unterhalb des Kanzleinamens aufgeführt seien und dort in gleicher Schriftart und Schriftgröße wiedergegeben würden. Damit gehe der Eindruck einher, alle Orte seien in vergleichbarer Form als Kanzleistandorte zu qualifizieren. Da die beklagte Kanzlei nur in Hamburg, jedoch nicht auch in München, Frankfurt und Düsseldorf über Kanzleiräume verfüge, handele es sich bei der Aufmachung des Briefpapiers um eine irreführende geschäftliche Handlung.
Irreführende geschäftliche Handlungen sind nach § 5 UWG untersagt, wenn sie geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise zu geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen, die diese andernfalls nicht getroffen hätten. Die Relevanz von Standortangaben für die mit dem Briefpapier angesprochenen Verkehrskreise begründete das OLG Köln zutreffend damit, dass der Sitz einer Kanzlei für die Suche nach einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin von erheblicher Bedeutung sei, da die persönliche Kontaktaufnahmemöglichkeit an einem ortsnahen Sitz das Mandatsverhältnis erheblich erleichtere. Insofern sei ein ständiger Kanzleisitz gerade nicht mit Zweigstellen vergleichbar, an denen nur vereinzelt Sprechstunden angeboten würden. Die Beklagte vermittle zudem durch die Benennung von vier deutschen Großstädten den Eindruck wirtschaftlicher Bedeutung aufgrund von Größe und überörtlicher Präsenz. Auch diese Kriterien seien für die Auswahl einer Kanzlei nicht unwesentlich.
Werbeaussagen wie „Wir sind für Sie da.“ lassen auf physische Präsenz schließen
Mit der Standortwerbung einer Kanzlei hatte sich vor einigen Jahren bereits der Anwaltsgerichtshof Nordrhein Westphalen (Urteil v. 17. April 2015 – 1 AGH 38/14) zu befassen. Die beklagte Kanzlei warb auf ihrer Homepage mit der Formulierung
Der Hauptsitz unserer Kanzlei befindet sich in der Kurstadt X. Außerdem sind wir noch an drei weiteren Standorten für Sie da ….
Eine ständige Niederlassung unterhielt die Kanzlei jedoch nur in der Kurstadt X. Gestützt auf die konkrete Formulierung der werblichen Aussage, entschied das Gericht, zwar sei eine Abstufung in Gestalt der Unterscheidung zwischen „Hauptsitz“ und „drei weiteren Standorten“ zu erkennen. Damit sei – im Unterschied zu dem vom OLG Köln entschiedenen Fall – eine Nachrangigkeit der weiteren Standorte gegenüber dem Hauptsitz klar erkennbar. Zudem sei der Begriff „Standort“ so nichtssagend, dass mit seiner Verwendung allein keine Irreführung einhergehe. Wegen der Formulierung „…sind wir noch an drei weiteren Standorten für Sie da“ werde jedoch der Eindruck (physischer) Präsenz vermittelt. Wenn an den betreffenden Orten jedoch eine bloße Kommunikationsmöglichkeit für die Mandanten und Mandantinnen gegeben sei, reiche dies nicht aus, um die besagte Formulierung zu rechtfertigen, weshalb sich diese als irreführend erweise.
Standortwerbung ist branchenübergreifend von Bedeutung
Die Grenzen der Zulässigkeit von werblichen Aussagen mit bestimmten oder mehreren Standorten wurden von der Rechtsprechung in der Vergangenheit auch im Hinblick auf diverse andere Branchen ausgelotet. Dabei ging es nicht selten um subtilere Aussagen als die Angabe von Standorten auf dem Briefpapier oder der Homepage. Auch die Veröffentlichung einer örtlichen Festnetznummer für die Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen kommt einer Standortwerbung gleich.
So wurden in der Vergangenheit bereits die Standortwerbungen von Unternehmen zur Schädlingsbekämpfung (OLG Köln, Urteil v. 23. Dezember 2016 – 6 U 119/16), für die Partnersuche (OLG Düsseldorf, Urteil v. 10. März 1999 – I-20 U 226/08), von Reinigungsunternehmen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 15. Augst – 6 W 64/18), von Unternehmen für Dachbeschichtungen (OLG Celle, Urteil v. 7. Juli 2015 – 13 W 35/15), von Schlüsseldiensten (OLG Hamm, Urteil v. 29. März 2007 – 4 U 11/07; OLG Düsseldorf, Urteil v. 6. Mai 2003 – 20 U 174/02) und Detekteien (OLG Celle, Urteil v. 24. November 1999 – 13 U 16/19) einer kritischen Beurteilung unterzogen.
Unterschiedliche Beweggründe für die Relevanz von Standortwerbung in verschiedenen Branchen
Branchenübergreifend ist die Angabe eines bestimmten Standorts im Rahmen der Werbung für ein Unternehmen jedenfalls insofern für die angesprochenen Verkehrskreise von Bedeutung, als diese an dem betreffenden Ort die Möglichkeit einer persönlichen Kontaktaufnahme erwarten. Die Angabe mehrerer Standorte weist zudem in der Regel auf eine gewisse Unternehmensgröße, Marktpräsenz sowie die wirtschaftliche Bedeutung und Stärke des werbenden Unternehmens hin. Je nach Branche des werbenden Unternehmens spielen jedoch noch weitere Beweggründe für die wettbewerbsrechtliche Relevanz von Standortangaben eine Rolle.
So erhoffen sich die angesprochenen Verkehrskreise von einer ortsansässigen Detektei beispielsweise gute Ortskenntnisse sowie geringe Fahrtkosten. Die Kostenbegrenzung im Hinblick auf einen möglichen Anfahrtsweg spielt auch für die Beauftragung eines Schlüsseldienstes eine wichtige Rolle. Vermeintlich ortsansässige Schlüsseldienste werden zudem mit dem Hintergedanken ausgewählt, lange Wartezeiten zu vermeiden und eine unverzügliche Türöffnung zu ermöglichen. Die Vermeidung hoher Anfahrtskosten wurde auch für die Beauftragung eines vermeintlich ortsansässigen Reinigungsunternehmens als entscheidender Beweggrund erachtet, wobei die Ortsnähe in diesem Zusammenhang auch für etwaige Nachbesserungswünsche von Relevanz sei. Für die Beauftragung eines augenscheinlich ortsansässigen Dachbeschichtungsunternehmens spielten zwar weder gute Ortskenntnisse noch kurze Wartezeiten eine Rolle. Dafür verfolgten auch die angesprochenen Verkehrskreise von Leistungen eines Unternehmens für Dachbeschichtung das Interesse, die Auftragskosten durch die Vermeidung von Anfahrtskosten nach Möglichkeit zu begrenzen.
Briefkästen, Lagerräume und gelegentliche Anwesenheit reichen nicht aus
Die Berechtigung zur Werbung mit einem bestimmten Standort ergibt sich ausweislich der einschlägigen Rechtsprechung dabei nicht bereits aus dem Umstand, dass an dem betreffenden Ort ein Briefkasten oder Telefonanschluss bereitgehalten wird, dass an diesem Ort eine Gewerbeanmeldung stattgefunden hat oder das betreffende Unternehmen Lagerräume bereithält. Auch die zeitweise Beschäftigung einer freien Mitarbeiterin am angegebenen Ort oder die gelegentliche Ortsanwesenheit der Mitarbeitenden des Unternehmens genügen für die Zulässigkeit einer Bewerbung dieses Standortes nicht.
Weiterhin ist es nicht ausreichend, mit einem ortsansässigen Unternehmen zur Auftragsdurchführung zu kooperieren oder mit selbstständigen Unternehmern und Unternehmerinnen vor Ort vertraglich verbunden zu sein.
Vielmehr erwarten die angesprochenen Verkehrskreise eine eigene Niederlassung des werbenden Unternehmens mit Büro und Personal. Die Angabe eines bestimmten Standorts suggeriere die Anwesenheit einer dem Unternehmen zugehörigen Person zu den üblichen oder explizit bekannt gemachten Öffnungszeiten, die einen regelmäßigen tatsächlichen Aufenthalt am Standort voraussetzen.
Diese Anforderungen gelten bei der Angabe von mehreren Unternehmensstandorten für jeden einzelnen Ort.
Darüber hinaus kann es problematisch sein, einen „Hauptsitz“ anzugeben, wenn keine weiteren Unternehmensniederlassungen existieren (OLG Köln, Urteil v. 20. September 2019 – 6 U 35/19). Auch für die Berechtigung der Werbung mit einem „Hauptsitz“ genügt es nicht, wenn Partner- oder Subunternehmen an verschiedenen Standorten mit dem werbenden Unternehmen kooperieren.
Erkenntnisse zur Werbung mit Standortangaben und Gestaltungsmöglichkeiten
Aus den zahlreichen einschlägigen Entscheidungen zur Bewerbung eines „Standorts“, „Hauptsitzes“ oder dem Versprechen, „vor Ort für Sie da“ zu sein, folgt die Bedeutung der Erwartungshaltung und des möglichen Eindrucks der angesprochenen Verkehrskreise. In der Regel erwarten die Unternehmenskunden und -kundinnen am angegebenen Ort eine Ansprechperson des werbenden Unternehmens. Je nach Branche können mit der Angabe eines bestimmten oder mehrerer Standorte zudem weitere Erwartung im Hinblick auf die zügige Ausführung eines Auftrags, die Ortskenntnis eines Unternehmens oder die Einsparung von Anfahrtskosten verbunden sein.
Nach alledem kommt es für die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit von Standortwerbung nicht nur auf die konkrete Formulierung einer werblichen Aussage (z. B. „Wir sind für Sie da.“) an. Auch die Verwendung unterschiedlicher Schriftarten und -größen, z. B. auf dem Briefpapier einer Kanzlei, kann – je nach Ausgestaltung – entweder die Gleichrangigkeit oder Nachrangigkeit verschiedener Standorte suggerieren.
Die Erfordernisse einer transparenten und wahrheitsgemäßen Werbung sind dabei stets vorrangig vor dem Wunsch der Demonstration wirtschaftlicher Potenz und bundesweiter Erreichbarkeit zu berücksichtigen.