17. Juli 2017
UWG Einzelfall
Wettbewerbsrecht (UWG)

Trick me once – Shame on you – ein Einzelfall führt zum Wettbewerbsverstoß

OLG München: Selbst ein unabsichtlicher Einzelfall in einem Massengeschäft kann eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung nach § 5 UWG begründen.

Solange kein planmäßiges Vorgehen hinsichtlich der Ausnutzung von vertraglichen Positionen erkennbar ist, sollen Vertragsstreitigkeiten nicht unter Einbeziehung des Wettbewerbsrechts gelöst werden. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb soll bei solchen Streitigkeiten außen vor bleiben.

Das OLG München hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16. März 2017 – 29 U 3285/16) gleichwohl angenommen, dass auch ein einzelner Verstoß gegen vertragliche Pflichten in einem Massengeschäft eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG darstellt und in einem solchen Fall auch eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG gegeben sein kann.

Ein Fehler in der Rechnung

Dem Verfahren lag die Klage eines Verbraucherschutzverbandes gegen ein Telefondienstleistungsunternehmen zugrunde. Ein Kunde hatte sich beschwert, da ihm ein zugesagter Rabatt nicht ausgewiesen und ebenfalls nicht in die Zahlungsverpflichtung einberechnet wurde. Auf eine Beschwerde des Kunden hin wurde ein erneuter Rabatt zugesagt. Aber auch dieser wurde in der Rechnung nicht ordnungsgemäß ausgewiesen oder berechnet.

In dem Verfahren legte das Telefondienstleistungsunternehmen dar, dass es sich um einen Einzelfall gehandelt hätte und kein systematisches Vorgehen hinsichtlich der Nichtberechnung von gewährten Rabatten vorliegen würde. Dies wurde in dem gerichtlichen Verfahren – soweit erkennbar – auch nicht in Zweifel gezogen.

OLG München – ein Einzelfallfehler kann für einen Verstoß gegen das UWG reichen

Das OLG München kam gleichwohl zu dem Schluss, dass in der fehlerhaften Ausweisung des Rechnungsbetrages – nämlich unter Nichtbeachtung des gewährten Rabatts – sowohl eine geschäftliche Handlung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG, als auch eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG vorliege. Dies gilt auch dann, wenn keine Systematik des Verstoßes erkennbar sei.

Im Wesentlichen berief sich das OLG München dabei auf eine zuvor ergangene Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 16. April 2015 – C-388/13). Nach dieser findet das Verbot einer irreführenden Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) bereits dann Anwendung, wenn das beanstandete Verhalten nur einen Verbraucher betrifft.

Die UGP-Richtlinie, welche die gemeinschaftsrechtliche Grundlage für § 5 UWG bildet, soll nach ihrem Zweck gemäß Art. 1 UGP-Richtlinie ein hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten. Damit unvereinbar wäre jedoch, wenn es für die Frage einer möglichen Irreführung relevant wäre, wie häufig eine bestimmte Handlung von einem Marktteilnehmer vorgenommen werde. Denn einerseits ist dies für den einzelnen Verbraucher kaum feststellbar, andererseits würde dies zu einer willkürlichen Grenzziehung führen.

Unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des EuGH wurde von dem OLG München auch geschlussfolgert, dass es ebenfalls unerheblich ist, ob sich der Verbraucher die jeweils zutreffenden Informationen selbst hätte einholen können. Denn auch dies würde aufgrund der schwächeren und unerfahrenen rechtlichen Position des jeweiligen Verbrauchers zu einer unangemessenen Einschränkung des Verbraucherschutzniveaus führen.

Bei der Überlegung des OLG hinsichtlich einer Unverhältnismäßigkeit der Verurteilung aufgrund eines einzigen Verstoßes hat das Gericht auf das Ordnungsmittelverfahren bei erneutem Verstoß verwiesen. Dort wären Erwägungen hinsichtlich eines fehlenden Verschuldens beachtlich. Dies gelte jedoch nicht für das Verfahren hinsichtlich der Unterlassung bei einem erstmaligen Verstoß.

Abkehr von der früheren Rechtslage

Die Entscheidung des OLG München ist im Wesentlichen eine konsequente Umsetzung der Vorgaben des EuGH und als solche nicht überraschend. Gleichwohl stellt sie eine folgenschwere Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 5 UWG und damit einer wettbewerbsrechtlichen Irreführung dar. So betonte das OLG München in der Entscheidung selbst, dass die getroffene Einschätzung eine Abkehr von der maßgeblichen Literaturansicht darstelle, die ein systematisches Vorgehen fordere.

Auch frühere gerichtliche Entscheidungen, z.B. des LG Berlins (Urteil vom 06. Juli 2016 – 15 O 314/15) oder des OLG Düsseldorfs (Urteil vom 15.Juli 2014 – I-15 U 43/14), forderten ein systematisches und wiederholtes Vorgehen. Nur dann könne eine Irreführung bejaht werden. Dafür war insbesondere die tragende Überlegung, dass vertragliche Streitigkeiten nicht über das Wettbewerbsrecht, sondern zwischen den Parteien ausgetragen werden sollten. Bei einem isolierten Verstoß wäre kein Einfluss auf den Wettbewerb als solchen erkennbar.

Wichtige Unterscheidung zwischen B2B und B2C

Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass das OLG München – wie auch schon der EuGH – insbesondere auf den Verbraucherschutz abstellt. Dies ist vor dem Hintergrund der Zielsetzung der UGP-Richtlinie nachvollziehbar. Allerdings bedeutet dies im Umkehrschluss auch, dass die Erwägungen nicht unbedingt für Sachverhalte im Rechtsverkehr zwischen zwei Unternehmern gelten müsse.

Sofern ein Unternehmer einen anderen Unternehmer im Rahmen einer vertraglichen Beziehung durch ein einmaliges Verhalten in die Irre führt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass ein Wettbewerbsverstoß gegeben ist; auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entscheidung des OLG Münchens. Denn die maßgeblichen Überlegungen des Verbraucherschutzes tragen an dieser Stelle nicht.

Resümee der Entscheidung – eine Weiterentwicklung des Verbraucherschutzes

Insofern ist die Entscheidung des OLG München ein sehr anschauliches Beispiel für die unterschiedlichen Schutzbereiche im Rahmen der Schutzzwecktrias des § 1 UWG. Das UWG hat sich – spätestens seit Umsetzung der UGP-Richtlinie – zu einem wesentlichen Instrument des Verbraucherschutzes entwickelt und das OLG München trägt dem konsequent Rechnung.

Dies bedeutet jedoch auch, dass die Maßstäbe für ein wettbewerbskonformes Verhalten gegenüber Verbrauchern unter Umständen strenger sind, als die, die zwischen Unternehmern gelten. Diese Unterscheidung wird in Zukunft, vor dem Hintergrund von Sachverhalten wie hier des OLG München, noch weiter an Bedeutung gewinnen.

Tags: Einzelfall UWG
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Hans-Christian Woger