2. November 2015
Schleichwerbung Radio
Wettbewerbsrecht (UWG)

Schleichwerbung im Radio

Das OLG Celle hat drei Radio-Interviews mit werblichem Inhalt als unzulässige Schleichwerbung eingestuft.

Das Verbot der Schleichwerbung findet sich in vielen Gesetzen und Richtlinien wieder. Nun hatte das OLG Celle einen Fall von Schleichwerbung im Radio nach §§ 7 Abs. 7, 58 RStV zu entscheiden.

Anlass der Entscheidung war der von dem privaten Radiosender R. im Rahmen seines Hörfunkprogramms seit vielen Jahren werktäglich vormittags ausgestrahlte Beitrag „A. Flurfunk“. Darin kommen Mitarbeiter von Unternehmen mit Unternehmensinformationen im Radio zu Wort, wobei auch die Möglichkeit besteht, sich einen Musiktitel zu wünschen.

Vorwurf der Schleichwerbung durch Landesmedienanstalt

Grund der Beanstandung durch die Niedersächsische Landesmedienanstalt waren drei „Flurfunk″-Interviews vom Juli und August 2013, die jeweils mit einem Mitarbeiter eines im Sendegebiet ansässigen Betriebes geführt wurden. Der Radiosender erhielt hierfür kein Honorar, gleichwohl handelte es sich bei den Interviewpartnern und ihren Firmen um aktuelle Werbekunden des Senders, was die Moderatorin der Sendung auch wusste. Die drei Gespräche waren Bestandteil des redaktionellen Programms im Radio. Sie wurden vorher aufgezeichnet. Sie wurden zudem nicht mittels akustischer oder anderer Signale als „Werbung″ o. ä. gekennzeichnet.

Im ersten Gespräch begrüßte die Moderatorin den Firmenvertreter mit den Worten „Moin, ihr macht, so habe ich gehört, den besten Matjes in E.“, gefolgt von der Frage „Habt ihr so ein besonderes Spezialrezept wo du sagst: Mensch da sind wir besonders stolz drauf, das ist unser F. und M. Special?“. Der Interviewpartner nahm dies zum Anlass, die angesprochenen Matjes im Radio werblich anzupreisen, was die Moderatorin zu der Bemerkung veranlasste, selbst „´ne ganze Kiste″ Matjes zu kaufen.

Im zweiten Gespräch erhielt der Interviewpartner – ein Autohändler und Werbepartner des Radiosenders mit mtl. 72 Werbespots im Jahr 2013 – Gelegenheit, eines seiner neuen Fahrzeugmodelle zu präsentieren („Unser schickstes Männermodel haben wir gerade vor zwei Tagen wieder reinbekommen. Das ist ein 700 PS starker Lamborghini Aventador in knallorange, schwarze Felgen und einem Mördersound“.)

Das dritte Gespräch führte die Moderatorin mit dem Vertreter eines Hotels, der in der Sendung unter Verweis auf die Homepage die Wellness-Möglichkeiten des Hotels anpreisen durfte  („Sonntag-Montag-Special″)

Die Entscheidung des OLG – Verwischung der Grenze zwischen Werbung und Programm

Nachdem das Amtsgericht Hannover zunächst einen Bußgeldbescheid der Niedersächsischen Landesmedienanstalt in Höhe von 5.000 EUR bestätigte, stufte auch das OLG Celle im Rahmen der Rechtsbeschwerde des Radiosenders die Gespräche als verbotene Schleichwerbung und  Ordnungswidrigkeit nach § 130 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 7 und § 7 Abs. 7 Satz 1 RStV ein.

Nach § 7 Abs. 7 RStV sind Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierungen sowie entsprechende Praktiken unzulässig. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 8 RStV ist Schleichwerbung die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Dies gilt für jede Form des Rundfunks und somit eben auch für Sendungen im Radio.

Werbeabsicht der Moderatorin

Diese Voraussetzungen sah das OLG als erfüllt an. In allen drei Sendungen wurden die Namen der Betriebe und die von diesen hergestellten bzw. zum Kauf angebotenen Produkte und Dienstleistungen mehrfach namentlich genannt und über das durch eine sachliche Information bedingte Maß hinaus werbend angepriesen. Zudem habe der Tatrichter zu Recht die Werbeabsicht der Moderatorin bejaht. Nach Ansicht des AG Hannover war die Radio-Moderatorin „bloße Stichwortgeberin für die Eigeninformationen in den Antworten der Unternehmensinhaber″ gewesen. Sie habe sämtliche kritische Distanz vermissen lassen; den Zuhörern sei ein Besuch des jeweiligen Unternehmens (oder Kauf eines der Produkte des Unternehmens) geradezu anempfohlen worden.

Sendebeiträge führen die Allgemeinheit in die Irre

Nach Ansicht des OLG Celle hielt der Tatrichter die drei Sendebeiträge auch zu Recht für geeignet, die Allgemeinheit über ihre Funktion als Werbung in die Irre zu führen. Die Interviews waren im redaktionellen Programm gesendet worden („A. Flurfunk“). Verbraucher schenken diesem grundsätzlich eine höhere Beachtung als werblichen Beiträgen. Eine entsprechende Kennzeichnung als Werbung fehlte. Die Moderatorin hatte zu Beginn eines jeden Gesprächs die Hörer aufgefordert, spontan anzurufen. Dementsprechend hätte auch die Erwartung der Zuhörer bestanden, dass Belegschaften eines Unternehmens die spontane Möglichkeit hätten, während der Sendezeit anzurufen und sich direkt zu Wort zu melden. Dass die an den drei Interviews beteiligten Unternehmen und Mitarbeiter jedoch Werbekunden seien, die zuvor durch den Sender ausgewählt wurden (wobei die Gespräche zudem aufgezeichnet worden seien), sei für den Verbraucher nicht erkennbar gewesen. Die Irreführung habe in der „Verwischung der Grenze zwischen Werbung und Programm bzw. darin gelegen, dass der Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert worden sei.″ Darin sei klar eine Schleichwerbung im Sinne des Gesetzes zu sehen.

Besonderheiten des Falls

‎Sendebeiträge, in denen sich Unternehmen mit ihren Mitarbeitern präsentieren, sind im Radio gang und gäbe. Solange an den Sender kein Vermögensvorteil fließt und der Beitrag nicht werblich ausgestaltet ist, ist dagegen nichts einwenden. Der Fall des OLG Celle wies jedoch zwei Besonderheiten auf: Zwar zahlten die Unternehmen nichts für ihren Auftritt im Radio, dafür waren sie jedoch gute Werbekunden des Senders. Dass die Hörer dann auch noch zuvor aufgezeichnete Interviews mit vom Sender bereits ausgewählten Unternehmen zu hören bekamen, obwohl die Moderatorin die Hörer zuvor explizit unter Nennung der Telefonnummer mit den Worten „mal eben anrufen bei mir unter 0800. 3 x die 8 kostenlos“ dazu aufforderte, spontan anzurufen, war dann doch etwas Zuviel des Guten und begründete nach Ansicht des OLG die Verschleierung des Werbecharakters.

Mehr zum Thema Kennzeichnungspflichten von Unternehmen, Bloggern, Journalisten und Agenturen in Zusammenhang mit werblichen Inhalten in meinem Video-Blog.

Tags: Radio Schleichwerbung