20. September 2023
Restrukturierung und Insolvenz

Coronahilfen: Schlussabrechnung und Krisenfrüherkennung

Die Schlussabrechnungsfrist für viele Coronahilfen läuft am 31. Oktober 2023 ab. Es lohnt die Krisenfrüherkennung mittels rollierender Liquiditätsplanung.

Während der Corona-Pandemie wurden durch den Bund Fixkostenzuschüsse an Unternehmen bei coronabedingten Umsatzrückgängen ausgezahlt. Diese wurden unter der Bezeichnung „Überbrückungshilfe I-IV“ in dem Zeitraum von Juni 2020 bis Juni 2022 geleistet. Zusätzlich wurden in dem Zeitraum vom 2. November 2020 bis zum 31. Dezember 2020 die sogenannten „November- und Dezemberhilfen“ an die durch die Lockdown-Maßnahmen von Geschäftsschließungen betroffenen Beteiligten ausgeschüttet. Diese Leistungen waren an bestimmte Bedingungen (wie z.B. den Grad der Umsatzeinbuße) geknüpft, die Ausschüttungen wurden anhand von Prognoseangaben der Betroffenen vorgenommen. Nunmehr müssen diese Prognoseangaben durch Dritte im Rahmen einer Schlussabrechnung bestätigt werden. Im Falle der Abweichung oder Nichtabgabe der Schlussrechnung muss die erhaltene Unterstützung (teilweise) zurückbezahlt werden. Dies kann existenzbedrohend für Unternehmer* und Unternehmen sein.

Hintergrund: Vorläufige Förderbescheide

Neben den Ländern gewährte auch der Bund in der Corona-Pandemie betroffenen Unternehmen finanzielle Unterstützung. Dies war hauptsächlich die Überbrückungshilfe, welche Betroffenen in mehreren Paketen über einen Zeitraum von zwei Jahren zur Verfügung gestellt wurde. Bedingung der Unterstützung war in erster Linie ein coronabedingter Umsatzrückgang. Zum einen mussten in den Vormonaten des Förderzeitraumes bereits gewisse Umsatzsatzeinbußen verzeichnet worden sein, zum anderen musste in dem Förderzeitraum selbst auch ein bestimmter Umsatzrückgang bestehen. Je größer der Rückgang in den Fördermonaten war, desto höher fiel die Förderung aus. Die Förderung wurde in der Regel konkret zur Begleichung bestimmter Verbindlichkeiten (Miete, Finanzierungen, Nebenkosten etc.) geleistet, teilweise erfolgte auch ein Eigenkapitalzuschuss. Aufgrund des aus der Notwendigkeit umgehender Unterstützung geborenen Zeitdruckes wurden für die ausgereichten Fördermittel oftmals Umsatzschätzungen zugrunde gelegt und vorläufige Förderbescheide erstellt.

Prüfender Dritter als Schlussabrechnungsersteller

Diese Umsatzschätzungen müssen nun in Form einer Schlussabrechnung durch die Antragsteller validiert werden. Dabei ist diese Schlussabrechnung durch einen sogenannten „prüfenden Dritten“ zu erstellen und einzureichen. Nach mehrfachen Fristverlängerungen wurde als Ablauffrist der 31. Oktober 2023 genannt, in Ausnahmefällen kommt eine Verlängerung bis zum 31. März 2024 in Betracht. Als „prüfende Dritte“ kommen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte in Betracht. Die Schlussabrechnungen müssen sämtliche bezogenen und auch nur teilweise abgelehnten Überbrückungshilfen enthalten und in Paketen gesammelt eingereicht werden.

Ergibt sich aus der Schlussabrechnung, dass in den Vormonaten des Förderzeitraumes ein gewisser Umsatzeinbruch nicht „erreicht“ wurde oder die Umsatzprognose für den jeweiligen Fördermonat vom tatsächlichen Umsatz abwich, können erhaltene Fördermittel für den beantragten Förderzeitraum zurückzuerstatten sein. Auch können Abweichungen von der Fixkostenprognose eine Rückerstattung begründen. Nachzahlungen zugunsten des Antragstellers sind einzig bei der Überbrückungshilfe I (Juni 2020 bis August 2020) ausgeschlossen. Sofern von der Einreichung einer Schlussabrechnung abgesehen wird, müssen die Fördermittel jedoch vollständig zurückerstattet werden.

Neben den Überbrückungshilfen I-IV sind auch die sog. November- und Dezemberhilfen von einer Schlussrechnungslegungspflicht umfasst. Diese wurden an diejenigen, welche durch die behördlich angeordneten Betriebsschließungen betroffen waren, ausgeschüttet. Darüber hinaus zählten auch mittelbar Betroffene zu den Bezugsberechtigten, wenn deren Umsätze nachweisbar und regelmäßig zu mindestens 80% durch Geschäfte mit den direkt durch die Schließungsmaßnahmen betroffenen Unternehmen erzielt wurden. Im Rahmen der Schlussabrechnung ist zu ermitteln, ob die im Antrag gemachten Angaben zutreffend waren. Wurde ein zu hoher Betrag an die Betroffenen ausgeschüttet, ist dieser zu erstatten. Wurde ein zu geringer Betrag ausgeschüttet, erfolgt eine Nachleistung an die jeweiligen Betroffenen. Die Überbrückungshilfe III und die November- und Dezemberhilfe standen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander, Ausschüttungen wurden unter bestimmten Umständen untereinander angerechnet. Grundsätzlich gilt: Wird keine Schlussabrechnung eingereicht, müssen auch die November- und Dezemberhilfen vollständig zurückerstattet werden.

Daher ist dringender Handlungsbedarf geboten, sofern noch keine Schlussabrechnungserstellung veranlasst worden ist. Da die erhaltenen Mittel in verschiedenen Paketen und im Falle eines Unternehmensverbundes auch für die verbundenen Gesellschaften gebündelt eingereicht werden müssen, muss die Einreichung bereits mittel- bis langfristig geplant sein. Es gilt, die Angaben sorgsam zu validieren, um Vorwürfen des § 264 StGB (Subventionsbetrug) keinen Raum zu geben. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand kann von einer Verlängerung der Abgabefrist zum 31. Oktober 2023 nicht ausgegangen werden, einzelfallbezogene Verlängerungen bis zum 31. März 2024 müssen ebenfalls durch einen „prüfenden Dritten“ beantragt werden. Keine Reaktion ist in diesem Fall die schlechteste Wahl.

Potenzielle Risiken bei Schlussabrechnungseinreichung beachten

Drohende Rückzahlungen können sich unmittelbar auf die Geschäftsleitung eines Unternehmens auswirken. Wird bei der Schlussabrechnungserstellung festgestellt, dass eine Rückzahlung wahrscheinlich ist, muss die Geschäftsleitung Verschiedenes beachten: So fordert § 1 StaRUG die rechtzeitige Erkennung und Überwachung von den Unternehmensbestand gefährdender Entwicklungen. Hierunter fallen neben der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO insbesondere die weiteren Insolvenzgründe der Überschuldung nach § 19 InsO und der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO. Diese knüpfen im Wesentlichen an die zukünftige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens an. Während die (drohende) Zahlungsunfähigkeit direkt auf das Merkmal der Liquidität Bezug nimmt, nimmt die Liquiditätsprüfung im Rahmen der die Überschuldung ausschließenden positiven Fortführungsprognose eine entscheidende Rolle ein. Die drohende Zahlungsunfähigkeit sieht einen Prognosezeitraum von 24 Monaten vor, die Fortführungsprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung zwölf Monate. Die Pflicht zur Rückzahlung von Corona-Hilfen fällt daher aller Voraussicht nach in diese Prognosezeiträume und muss daher in die Prüfung mit einbezogen werden.

Liquiditätsprognose als Risikobewertung

Sobald bestandsgefährdende Entwicklungen erkannt werden, müssen diese überwacht werden. Dem Geschäftsleiter ist dabei anzuraten, seine Krisenüberwachung zu dokumentieren. Während einige Stimmen eine sog. „Dreizehnwochenplanung“ ausreichen lassen, sollte vor dem Hintergrund einer möglichen drohenden Zahlungsunfähigkeit eine 24-Monatsplanung implementiert werden. Sofern bei Erstellung der Schlussrechnung eine Rückzahlungspflicht festgestellt wird, muss die Geschäftsleitung besondere Vorsicht walten lassen. Aufgrund der Auslastung der Behörden ist zwar ungewiss, wie schnell Schlussrechnungen geprüft und Rückzahlungsbescheide zugestellt werden, eine Zustellung und Fälligkeit der Rückforderung ist aber dennoch innerhalb der kommenden zwei Jahre überwiegend wahrscheinlich. Dies bedeutet, dass parallel zur Einreichung der Schlussrechnung bei erwarteter Rückzahlungspflicht bereits Restrukturierungsmöglichkeiten auf dokumentierte Art und Weise sondiert werden sollten, ggf. sogar sondiert werden müssen. Sobald der Forderungsbescheid rechtskräftig ist, ist die Liquiditätsplanung für die kommenden 24 Monate zu aktualisieren und entsprechende Gegenmaßnahmen i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 StaRUG, mithin Restrukturierungsmaßnahmen zu veranlassen.

Reaktionspotenzial erkennen und nutzen

Als Gegenmaßnahmen i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 StaRUG kommen diverse Restrukturierungsmaßnahmen in Betracht. Während dem Geschäftsleiter anfangs ein weites Reaktionsportfolio zur Verfügung steht, verdichtet sich dieses im Verlaufe der Krise zu der Pflicht zur Einleitung konkreter Handlungsmaßnahmen. Zunächst sollten in erster Linie außergerichtlich organisierte konsensuale Restrukturierungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden. Sofern eine kurzfristige Liquiditätsbeschaffung im Fokus steht, kann ebenfalls über Desinvestments oder eine Working-Capital-Optimierung nachgedacht werden. Sollte eine Einigung mit den beteiligten Gläubigern nicht möglich sein, bietet das StaRUG im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit (erkannt durch die oben aufgeführte 24-Monatsplanung) mit dem Restrukturierungsplan eine Möglichkeit, sich querstellende Gläubiger in eine Restrukturierung zu zwingen. Sofern neben der Restrukturierung der finanziellen Verbindlichkeiten auch eine operative Sanierung erwogen werden muss, bietet eine Sanierung in Eigenverwaltung die passenden Möglichkeiten für eine maßgeschneiderte Restrukturierung des Unternehmens.

Somit können bei einer den Anforderungen des § 1 StaRUG gerecht werdenden, bereits bei Schlussrechnungslegung implementierten Liquiditätsplanung etwaige Hindernisse analysiert und die Weichen für eine langfristige Zukunft des Unternehmens gestellt werden.

Haftungsreduktion durch dokumentierte Früherkennung

Neben diesen Chancen für das Unternehmen muss die Geschäftsleitung aber auch die eigenen Haftungsrisiken im Blick behalten. Ob sich aus einer Missachtung der Pflicht zur Erkennung und Überwachung der den Unternehmensbestand gefährdender Entwicklungen nach § 1 StaRUG eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft ergibt, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden und kann daher noch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Es spricht einiges für eine Schadensersatzpflicht. Unabhängig von dieser Fragestellung kann eine unzureichende Überwachung aber auch dazu führen, dass der Wegfall der Fortführungsprognose gem. § 19 Abs. 2 InsO nicht bemerkt wird und somit der zwingende Insolvenzgrund der Überschuldung vorliegt, ohne dass die Geschäftsleitung hierauf entsprechend reagiert. In diesem Fall droht die strafrechtliche und zivilrechtliche Haftung gem. § 15a InsO (i. V. m. § 823 Abs.2 BGB) ebenso wie eine persönliche Haftung für ausgelöste Zahlungen nach Eintritt der Überschuldung gem. § 15b InsO.

Auch vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass ein regelmäßig aktualisiertes Liquiditätsmonitoring spätestens ab Einreichung der Schlussrechnung implementiert werden sollte. Eine rechtzeitig eingeführte Krisenfrüherkennung ermöglicht es dem Unternehmen, auf zukünftige Herausforderungen adäquat reagieren zu können und vermeidet Haftungsprobleme für alle Beteiligten.

Gern stehen wir zu einem unverbindlichem Erstgespräch zur Verfügung.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Coronavirus Dezemberhilfe Krisenfrüherkennung Novemberhilfe Restrukturierung Restrukturierung und Insolvenz Schlussrechnung StaRUG Überbrückungshilfe
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Philipp Freiherr von dem Bussche-Haddenhausen

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