Die Vorsatzanfechtung bleibt ein Risiko für Lieferanten und Dienstleister. Was ist für eine erfolgreiche Verteidigung gegen Insolvenzanfechtung zu beachten?
Die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) hat sich zum schärfsten Schwert der Insolvenzverwalter entwickelt, um die Masse zu mehren. Anfechtungswellen gab es nach den Insolvenzen von „TelDaFax“ und „FlexStrom“. Zu Anfechtungen dürfte es auch in Folge der Insolvenz der CareEnergy-Gruppe kommen.
Vorsatzanfechtung nach der Reform des Anfechtungsrechts (§ 133 InsO n. F.)
Der Insolvenzverwalter kann Zahlungen des Kunden zurückfordern, wenn der Lieferant oder Dienstleister zum Zeitpunkt der Zahlungen von den Liquiditätsschwierigkeiten und der Zahlungsunfähigkeit seines Kunden wusste.
Die Reform des Insolvenzanfechtungsrechts hat den Anfechtungszeitraum von 10 Jahren auf 4 Jahre verkürzt, was für Lieferanten und Dienstleister immer noch ernst zu nehmende Risiken birgt. Abgesehen davon haben Insolvenzverwalter bereits vor der Reform eher selten Rechtshandlungen angefochten, die mehr als 4 Jahre vor Insolvenzantragstellung lagen.
Des Weiteren hat sich der Beweismaßstab geändert. Bislang genügt dem Insolvenzverwalter der Nachweis, dass der Gläubiger von der drohenden Zahlungsunfähigkeit Kenntnis hatte. Nunmehr muss er beweisen, dass der Kunde tatsächlich zahlungsunfähig war und der Gläubiger dies wusste. Hieran wird die Annahme oder Hoffnung geknüpft, dass sich die Hürden für erfolgreiche Anfechtungsklagen deutlich erhöht haben. Es ist fraglich ob dies tatsächlich der Fall ist.
Verteidigung gegen Insolvenzanfechtung: Auch nach der Reform bleiben Indizien entscheidend
Denn nach dem Gesetz (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO) wird vermutet, dass der Kunde zahlungsunfähig ist, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seit langem Indizien im Sinne von (widerleglichen) Beweisanzeichen dafür entwickelt, dass der Kunde seine Zahlungen im Allgemeinen eingestellt hat. Bereits die Nichtzahlung einer einzigen erheblichen Forderung kann hierfür genügen.
Kann der Insolvenzverwalter im Anfechtungsprozess solche Indizien beweisen, hat er den Vollbeweis für die tatsächlich eingetretene Zahlungsunfähigkeit geführt. Der Gläubiger muss dann beweisen, dass sein Kunde zu einem späteren Zeitpunkt wieder sämtliche Forderungen sämtlicher Gläubiger in voller Höhe bezahlt hat. Den Beweis kann der Gläubiger regelmäßig nicht erbringen.
Kennt der Gläubiger Indizien, aus denen sich die Zahlungseinstellung bzw. Zahlungsunfähigkeit ergibt, wird auch nach der Reform gesetzlich vermutet, dass er von der Zahlungsunfähigkeit seines Kunden und der Benachteiligung der übrigen Gläubiger durch die Zahlung wusste (§ 133 Abs. 1 S. 2; Abs. 3 S. 1 InsO).
Insolvenzverwalter haben bereits vor der Reform Anfechtungsklagen häufig auf die Darlegung von Indizien gestützt, aus denen sich eine Zahlungseinstellung ergeben soll. Welche Indizien hierfür genügen sollen, richtet sich nach der Ansicht der jeweils entscheidenden Richter.
Letztlich bleibt es auch nach der Reform dabei, dass der Insolvenzverwalter zur Begründung einer Vorsatzanfechtung Sachverhaltsumstände „sammeln“ und beweisen muss, aus denen auf eine Zahlungsunfähigkeit zu schließen sein soll.
Informationsgefälle zugunsten des Insolvenzverwalters
Je mehr Umstände dem Insolvenzverwalter bekannt sind, umso einfacher fällt ihm der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit des Kunden und der Kenntnis des Gläubigers hiervon. Dem Verwalter steht dabei eine Vielzahl von Erkenntnisquellen zur Verfügung, bspw.:
- Korrespondenz des Schuldners mit Gläubigern (Schreiben, E-Mails, Gesprächsvermerke, Telefonnotizen pp.),
- Auskünfte von Mitarbeitern des Schuldners,
- systematische Auswertung der Buchhaltung des Schuldners,
- sämtliche beim Schuldner elektronisch gespeicherten Daten und deren Auswertung durch spezialisierte IT-Unternehmen,
- ausführliche Pressespiegel, ggf. über entsprechende Dienstleister und
- Akteneinsicht bei etwaigen Aufsichtsbehörden (bspw. Bundesnetzagentur, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht).
Die Erkenntnisquellen des Gläubigers sind demgegenüber beschränkt; oftmals auf die im Zuge der Geschäftsbeziehung erlangten Informationen. Grundsätzlich kann daneben an einen Austausch mit anderen Gläubigern gedacht werden. Umfassende Akteneinsichtsrechte gegenüber der Insolvenzverwaltung oder Behörden, die einen Einblick in Interna des Schuldners zulassen würden, stehen dem Gläubiger indes regelmäßig nicht zu. Es entsteht ein Informationsgefälle zugunsten des Insolvenzverwalters. Letzterer hat faktisch einen weiten Spielraum, ob und welche Informationen er offenlegt.
In einem Rechtsstreit kann versucht werden, dem entgegenzuwirken. Etwa durch Anträge auf Vorlage entsprechender Unterlagen durch den Insolvenzverwalter (vgl. § 142 ZPO) oder im Wege der sekundären Darlegungslast, auch wenn die Gerichte bei Insolvenzanfechtungen von Letzterer nur sehr zurückhaltend Gebrauch machen. Auf welche „externen“ und insbesondere öffentlichen Quellen der Gläubiger ggf. zugreifen kann, ist einzelfallabhängig.
Praxishinweise zur erfolgreichen Verteidigung gegen Insolvenzanfechtung
Nachfolgende Hinweise sind bei der erfolgreichen Verteidigung gegen eine Insolvenzanfechtung zu berücksichtigen:
Vom Gläubiger nicht beeinflussbare negative Indizien
Es gibt Indizien, auf deren Eintritt der Gläubiger regelmäßig keinen Einfluss hat, wie bspw.
- eigene Erklärungen des Schuldners wie Stundungs- und Ratenzahlungsbitten unter Verweis auf Liquiditätsprobleme oder wirtschaftliche Schwierigkeiten,
- mangels Deckung zurückgegebene Lastschriften oder
- negative Presseberichte.
Vom Gläubiger beinflussbare negative Indizien
Es gibt aber auch Indizien, die der Gläubiger hätte vermeiden können und sollen. Ausführungen und Hinweise gleich ob mündlich oder schriftlich
- zu dem bisherige Zahlungsverhalten des Schuldners,
- zu abgesprochenen Einzel- / Teilzahlungen,
- auf Gerüchte aus dem Markt,
- auf negative Presseberichte über die wirtschaftliche Lage des Schuldners,
- auf offene Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber anderen Lieferanten,
- Mutmaßungen über eine wirtschaftliche Schwäche des Schuldners und
- die Anforderung von Liquiditätsbilanzen, BWA´s oder Gläubigerübersichten
sind für die Durchsetzung offener Zahlungsforderungen regelmäßig weder notwendig noch nützlich. Sie sind aber im Falle einer späteren Insolvenz „Munition“ für den Insolvenzverwalter und sollten daher unterbleiben. Gleiches gilt für die Anforderung etwaiger Sicherheiten. Hierfür genügt regelmäßig die Darlegung von Zahlungsverzug.
Ebenso hat der Gläubiger Einfluss darauf, ob und inwieweit es zu persönlichen Gesprächen mit dem Schuldner kommt und ob und wie diese ggf. dokumentiert werden.
Auch Angaben des Gläubigers zu etwaigen Zahlungsverzögerungen des Schuldners und zur Entwicklung der Geschäftsbeziehung gegenüber der Presse – sei es eigeninitiativ oder in Beantwortung von Presseanfragen – können schädlich sein und deren Zweckmäßigkeit sollte zuvor kritisch hinterfragt werden. Etwaige wettbewerbsrechtliche und deliktsrechtliche Implikationen von solchen Äußerungen seien an dieser Stelle außen vor gelassen.
Teils unterliegen Schuldner einer staatlichen Aufsicht und Gläubiger erwägen eine Information der Aufsichtsbehörde über Zahlungsrückstände. Hier sollte der Gläubiger kritisch die Ziele einer solchen Information hinterfragen, ob die Ziele tatsächlich erreichbar sind und ob sie das Risiko, ein (weiteres) Negativindiz zu begründen, rechtfertigen.
Verteidigung gegen Insolvenzanfechtung: Fokussierung auch in anwaltlichen Forderungsschreiben
Auch Berater sollten sich bei der Forderungsdurchsetzung „disziplinieren“ und Forderungsschreiben an den Schuldner nicht unter Rückgriff auf Kenntnisse aus diversen „Parallelvorgängen“ anreichern.
Der Berater erweist seinem Mandanten einen „Bärendienst“, wenn er in dessen Namen gegenüber dem Schuldner bspw. ausführt, dass er
- bereits eine bestimmte Anzahl von Gläubigern vertrete, die sämtlich vom Schuldner keine oder nur noch signifikant verspätete Zahlungen erhalten würden,
- in vergleichbaren Fällen weitergehende vertragliche Rechte wg. des eingetretenen Zahlungsverzuges prüfen und ausüben würde und/oder
- er bereits Liefersperren angedroht oder gar ausgeübt habe.
Dem Mandanten wird dann die Kenntnis dieser anfechtungsrelevanten Umstände zugerechnet (vgl. BGH, Urteil vom 10.01.2013, Az. IX ZR 28/12). Derart eingetriebene Zahlungen können vom Insolvenzverwalter oftmals erfolgreich angefochten werden. Das ist für den Gläubiger umso ärgerlicher, wenn er die Umstände ohne die Ausführungen seines Beraters nicht gekannt hätte.
In solchen Fällen stellt sich u. U. auch die Frage von Regressansprüchen des Gläubigers gegen seinen anwaltlichen Berater.
Keine Drohung mit einem Insolvenzantrag
„Todsünde“ ist die Drohung mit einem Insolvenzantrag! Denn leistet der Schuldner auf eine Drohung mit einem Insolvenzantrag Zahlungen, sind Letztere nach der Rechtsprechung des BGH auch außerhalb des Dreimonatszeitraumes inkongruent und (erleichtert) anfechtbar. Das gilt auch dann, wenn in einem Mahnschreiben nur „zwischen den Zeilen“ eine solche Drohung deutlich wird (BGH, Urteil vom 07.03.2013, IX ZR 216/12). Bei der Geltendmachung offener Forderungen sollte daher keinesfalls auch nur angedeutet werden, dass die Nichtzahlung in einen Insolvenzantrag münden könnte. Das ist nicht neu.
Wie jüngere Insolvenzanfechtungen zeigen, kommt es aber immer noch vor, dass die Geltendmachung offener Forderungen zumindest mit der In-Aussichtsstellung eines Insolvenzantrages für den Fall der Nichtzahlung verbunden wird; sei es in anwaltlichen Forderungsschreiben (bspw. LG Rottweil, Urteil vom 06.06.2014, Az. 2 O 139/13; LG München II, Urteil vom 13.03.2014, Az. 12 O 3781/13, bestätigt durch OLG München, Beschlüsse vom 08.07. und 21.08.2014, Az. 5 U 1470/14; jeweils zu „TelDaFax“) oder in Form von „Textbausteinen“ in formularmäßigen Mahnungen des Gläubigers. Hiervon kann – nach wie vor – nur abgeraten werden.
Wird in anwaltlichen „Druckschreiben“ die Stellung eines Insolvenzantrages für den Fall der Nichtzahlung angedeutet und die Insolvenzanfechtung erfolgreich auf ein solches Schreiben gestützt, dürfte sich auch die Frage nach Regressansprüchen wegen Falschberatung stellen.
Zweischneidig: Rundschreiben mit schuldnerbezogenen Informationen an Gläubiger
Handelt es sich bei einem Schuldner um ein großes Unternehmen mit einer Vielzahl von Lieferanten und Kunden kommt es vor, dass Berater Rundschreiben an potentielle Gläubiger versenden. Hierin wird oftmals zu weiteren offenen Verbindlichkeiten des Schuldners ausgeführt, verbunden mit dem Hinweis, bei der Forderungsdurchsetzung unterstützen zu können.
Denkbar sind entsprechende Äußerungen auch in Presse und Fernsehen. Das ist im Falle einer späteren Insolvenz dann schädlich, wenn der Adressat zu diesem Zeitpunkt ohne Rundschreiben pp. keine Kenntnis von den fraglichen Umständen hatte und dem Insolvenzverwalter solche Rundschreiben und Erklärungen bekannt sind, so dass er später im Anfechtungsprozess hierzu vortragen kann.
Sammlung gegenläufiger Indizien zur Verteidigung gegen Insolvenzanfechtung
Für den Gläubiger kann es vorteilhaft sein, Indizien zu dokumentieren, die gegen eine Zahlungsunfähigkeit sprechen, wie bspw.
- Einhaltung von Zusagen des Schuldners,
- Verbesserung des Zahlungsverhaltens,
- linearer Abbau von Forderungsrückständen,
- plausible Erklärungen (z. B. technische und buchhalterische) für Rückstände und
- positive Meldungen, bspw. in Presseberichten oder Pressemeldungen über Neuaufnahme von Geldern, Ausbau des Geschäfts, Einstieg eines Investors pp.
Verteidigung gegen Insolvenzanfechtung beginnt bei der Forderungsdurchsetzung
Die Herausforderung für Unternehmen besteht auch zukünftig nach wie vor darin, sich bei der Forderungsdurchsetzung auf das Wesentliche zu konzentrieren, um erhaltene Zahlungen im Falle einer Vorsatzanfechtung nicht wieder rückgewähren zu müssen. Im Zweifel ist weniger mehr. Daneben ist die vorsorgliche Sammlung und Dokumentation von gegenläufigen Indizien zu empfehlen.
Die vermutungs- und indiziengetriebene Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung wird sicher weiterhin eine eher konspirative Korrespondenzpraxis zwischen Gläubiger und Schuldner befördern.