Die Insolvenz des Lieferanten kann für ein Unternehmen schwerwiegende Folgen haben. Es gilt, wirtschaftliche Verluste zu vermeiden und die Lieferkette zu stabilisieren.
In der Zeit der Corona-Pandemie spielte und spielt die Insolvenz eines Lieferanten eine wichtige Rolle. Ist ein Unternehmen auf die Leistung eines Lieferanten exklusiv angewiesen, kann das Ausbleiben der Leistung schwerwiegende Folgen haben: Das Unternehmen kann sein Produkt nicht herstellen oder die Lieferkette nicht fortsetzen und den Endkunden nicht beliefern. Das Unternehmen kann aufgrund der Insolvenz seines Lieferanten im schlimmsten Fall selbst in eine Insolvenz geraten.
Wirtschaftskraft des aktuellen Lieferanten prüfen und frühzeitig alternative Lieferanten oder Lieferwege suchen
Zur Vermeidung einer solchen Situation ist Prävention überaus wichtig und lohnend. Denn sobald die Insolvenz eines Lieferanten eingetreten ist, ist das Abschwächen dieser Auswirkungen auf den eigenen Geschäftsbetrieb deutlich aufwändiger als die Verhinderung einer solchen Situation.
Die einfachste Präventionsmaßnahme ist die Suche nach einem alternativen Lieferanten mit guter Bonität. Im Fall von Lieferschwierigkeiten kann der Vertrag mit dem Lieferanten dann beendet werden und mit dem alternativen Lieferanten eine neue Lieferbeziehung eingegangen werden. Auch die „Umgehung“ des Lieferanten und das Eingehen einer Lieferbeziehung mit dessen Lieferanten kommt in Betracht. Insbesondere im Bereich des Maschinenbaus und der Automobilindustrie, aber auch in der IT-Industrie, gibt es jedoch hochspezialisierte Lieferanten, weshalb die Suche nach einem alternativen Lieferanten nicht immer erfolgreich ist.
Als weitere Präventivmaßnahme ist daher ein gutes Monitoring des Lieferanten angezeigt. Auf folgende Anzeichen sollte geachtet werden, um eine Krise des Lieferanten frühestmöglich zu entdecken:
- Stockende Lieferungen und Qualitätsprobleme
- Ausnutzung und Überschreitung von Zahlungszielen, Bitte um Gewährung längerer Zahlungsziele, keine Ausnutzung von Skonti mehr
- Bitte um Ratenzahlung zur Tilgung von Altverbindlichkeiten
- Schließung von Niederlassungen, Sitzverlegung oder eine neue Gesellschaftsform, Angabe einer neuen Bankverbindung
- Entlassung der Geschäftsführung, schwere Erreichbarkeit oder Untertauchen der Geschäftsführung
- Schlechtere Bonitätsauskünfte
Liegen ein oder mehrere dieser Anzeichen vor, sollte die Suche nach einem anderen Lieferanten oder eine Absicherung sowie das Gespräch mit dem Lieferanten angegangen werden. Eine Absicherung durch Umstellung auf Vorkassenzahlung ist anzuraten. Das Risiko kann durch Vereinbarung von Vorleistungen oder eine Bankbürgschaft abgeschwächt werden. Eine Bankbürgschaft vermag freilich nicht die Leistung zu ersetzen.
Mögliches Insolvenzanfechtungsrisiko im Blick haben
Im Hinblick auf den Empfang von Leistungen oder Zahlungen ist zudem das Insolvenzanfechtungsrisiko zu beachten. Wird über das Vermögen des Lieferanten das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Insolvenzverwalter (oder bei einer Eigenverwaltung der Sachwalter) unter den Voraussetzungen der §§ 129 ff. InsO Leistungen aus dem Vermögen des Schuldners anfechten, also zur Insolvenzmasse zurückholen.
Die Voraussetzungen für die Insolvenzanfechtung sind insbesondere bei Kenntnis von Beweisanzeichen, die zwingend auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeuten, sowie ab der Stellung eines Insolvenzantrages und in den drei Monaten vor Insolvenzeröffnung für den Verwalter oder Sachwalter günstig. Beweisanzeichen sind insbesondere längerfristige, mehrmonatige Rückstände, angedrohte oder bereits eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen und eigene Verlautbarungen des Lieferanten, aktuell nicht zahlen zu können, sowie natürlich das Stellen eines Insolvenzantrages durch einen Gläubiger oder den Lieferanten selbst. Hat ein Unternehmen Kenntnis hiervon, sollte es dringend mit der Absicherung beginnen.
Für Leistungen, die während einer Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach dem CovInsAG erfolgt sind, gelten gegebenenfalls Sonderregelungen oder Privilegierungen. Sofern die Insolvenzantragspflicht aufgrund des § 1 CovInsAG in dem Zeitraum der Leistung des Schuldners ausgesetzt war, besteht die Möglichkeit, dass die Handlung nicht anfechtbar ist.
Eintritt in einen offenen Diskurs mit dem Lieferanten und Beachtung des Bargeschäftsprivilegs
Zusammengefasst ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Lieferanten der wichtigste Ausgangspunkt. Das Unternehmen und der Lieferant sollten ihre Interessen offen kommunizieren und Vereinbarungen über die Möglichkeiten einer modifizierten Belieferung treffen.
In diesem Zusammenhang ist es wichtig, das Eingreifen des Bargeschäftsprivilegs zu beachten. Sind Leistung und Gegenleistung gleichwertig und werden sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht, kann eine Insolvenzanfechtung aufgrund des Bargeschäftes ausgeschlossen sein. Dieses privilegiert – vereinfacht ausgedrückt – Leistungen des Schuldners bei Insolvenzreife, für die er unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung erhält. Ein solcher unmittelbarer, enger zeitlicher Zusammenhang wird oft bei 30 Tagen angenommen. Diese Grenze ist jedoch nicht fest und branchenabhängig. Gegebenenfalls ist eine fachkundige Beratung hier heranzuziehen.
Frühzeitige Kontaktaufnahme zur Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter im vorläufigen Insolvenzverfahren
Ist ein Insolvenzantrag zulässig, bestellt das Insolvenzgericht in der Regel einen vorläufigen Insolvenzverwalter und erlässt weitere Maßnahmen, wie beispielsweise ein Vollstreckungsverbot. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann ein sogenannter „starker“ Insolvenzverwalter sein, dem die Verfügungsbefugnis des Lieferanten vom Gericht übertragen ist, oder ein „schwacher“ Insolvenzverwalter, zugunsten dessen ein Zustimmungsvorbehalt für Verfügungen des Lieferanten besteht.
Im ersten Fall trifft der vorläufige Verwalter selbst die Verfügung, leistet also oder zahlt in seiner Funktion als vorläufiger Verwalter, im zweiten Fall leistet oder zahlt der Lieferant, benötigt hierfür aber die Zustimmung des vorläufigen Verwalters. Ob und welche Art eines vorläufigen Verwalters bestellt wurde, lässt sich aus dem entsprechenden Beschluss des Insolvenzgerichtes, der unter auf dem Justizportal der Insolvenzbekanntmachungen (Insolvenzbekanntmachungen) veröffentlicht wird oder vom Lieferanten angefordert werden kann, erkennen. Die Kontaktaufnahme zum vorläufigen Verwalter ist in jedem Fall geboten. Bestehen dingliche Rechte an einer Lieferung, sollten diese – spätestens ab der Eröffnung des Verfahrens – angezeigt werden.
Der vorläufige Insolvenzverwalter nimmt die Interessen der Gläubigergesamtheit wahr und hat daher ein primäres Interesse an der Anreicherung der Masse. Sofern die Weiterbelieferung für den Lieferanten zu einer solchen Anreicherung führt, wird er sich für die Fortführung der Lieferbeziehung entscheiden. Um die Interessen zu erfahren, sollte daher schnellstmöglich der Kontakt mit dem Lieferanten und dem vorläufigen Insolvenzverwalter gesucht werden, um die Möglichkeiten und das Interesse an der Fortsetzung der Lieferbeziehung zu erfahren. Für beide Seiten bietet es sich an, bei Fortsetzung der Lieferbeziehung einen Leistungsaustausch in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu vereinbaren, der den Voraussetzungen eines Bargeschäftes entspricht.
Zu beachten ist auch, dass Forderungen, die vor der Insolvenzeröffnung aus einer solchen Vereinbarung entstehen, im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzforderungen sind. Im Fall einer späteren Masseunzulänglichkeit kann ein Gesamtausfall der Forderung drohen. Daher sollte bei einer Vereinbarung mit einem vorläufigen Verwalter auch aus diesem Grund auf einen zeitlich nah beieinander liegenden Leistungsaustausch geachtet werden und das Gespräch mit dem vorläufigen Verwalter gesucht werden. Die Risiken eines Leistungs- oder Forderungsausfalls oder einer späteren Anfechtung werden so möglichst gering gehalten. In einer Vereinbarung über die Fortsetzung der Belieferung sollten die Liefermenge, -datum und Zahlungsziel genau definiert sein. Gegebenenfalls kann auf den bereits bestehenden Vertrag Bezug genommen werden. Die Vereinbarung sollte von Lieferant, vorläufigem Insolvenzverwalter und zu belieferndem Unternehmen unterzeichnet werden.
Wahlrecht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung
Wird über das Vermögen des Lieferanten das Insolvenzverfahren eröffnet, wird im besten Fall eine bereits im vorläufigen Verfahren getroffene Vereinbarung fortgeführt oder es wird nun eine Fortführungsvereinbarung getroffen. Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Insolvenzverwalter allein verwaltungs- und verfügungsbefugt, sodass er in seiner Funktion als Insolvenzverwalter eine Fortführungsvereinbarung unterzeichnet.
Beantragt der Lieferant im Insolvenzantrag ein (vorläufiges) Eigenverwaltungsverfahren, sind die oben genannten Abläufe etwas anders: Das Eigenverwaltungsverfahren ist auf eine Fortführung des Geschäftsbetriebes ausgerichtet. Der Lieferant bleibt daher im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren verwaltungs- und verfügungsbefugt und bekommt einen (vorläufigen) Sachwalter zur Seite gestellt, der die Fortführung beaufsichtigt. Geschäfte innerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes kann der Lieferant selbst abschließen und ausführen, sofern der (vorläufige) Sachwalter nicht widerspricht. Außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes liegende Geschäfte bedürfen der Zustimmung des (vorläufigen) Sachwalters.
Wurde bislang nichts in Bezug auf den der Lieferbeziehung zugrunde liegenden Vertrag unternommen, gilt Folgendes: Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befindet sich der Vertrag in einem „Schwebestadium“, bei dem die beiderseitigen Leistungspflichten, sofern sie nicht vor Verfahrenseröffnung erfolgte Leistungen betreffen, nicht durchsetzbar sind.
Bei beiderseits nicht vollständig erfüllten Verträgen kann der Insolvenzverwalter (oder der Lieferant in Eigenverwaltung im Einvernehmen mit dem Sachwalter) diesen Schwebezustand gestalten. Das Wahlrecht dient dazu, für die Masse günstige Verträge fortzuführen und die Erfüllung von für die Masse ungünstigen Verträgen abzulehnen. Für bestimmte Verträge, insbesondere für Miet- und Pachtverträge über unbewegliche Gegenstände, aber auch bei Geschäftsbesorgungsverträgen und durch eine Vormerkung gesicherte Ansprüche, gelten Sonderregeln.
Der Verwalter (oder der Lieferant in Eigenverwaltung) kann bei beiderseits nicht vollständig erfüllten Verträgen wählen, ob der Vertrag mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortgeführt, also erfüllt wird, oder ob die Erfüllung abgelehnt wird. Die Erfüllungsablehnung hat zur Folge, dass der Lieferant nicht mehr zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet ist, aber auch die Leistung nicht mehr verlangen kann. Der Vertrag als Rechtsgrundlage bleibt bestehen. Vertragliche Kündigungsrechte können daher auch bei einer Ablehnung der Erfüllung ausgeübt werden, sofern sie nicht unmittelbar auf ein Insolvenzverfahren oder damit zusammenhängende Wirkungen gestützt sind. Die Erfüllungswahl hat zur Folge, dass der Vertrag von beiden Seiten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung zu den bisherigen Konditionen fortgeführt werden muss. Forderungen gegen den Insolvenzschuldner, die vor Insolvenzeröffnung begründet wurden und für die die Gegenleistung noch aussteht, sind im Falle der Trennbarkeit nur Insolvenzforderungen, die zur Insolvenztabelle angemeldet werden können. Dies gilt auch bei Ablehnung der Erfüllung. In diesem Fall sind auch die nach Eröffnung entstandenen Forderungen, die aus der Erfüllungsablehnung resultieren, in der Regel Schadensersatzforderungen, die zur Insolvenztabelle angemeldet werden können.
Aufforderung zur Ausübung des Erfüllungswahlrechtes zur Beseitigung von Unsicherheiten
Um die Unsicherheit über einen Schwebezustand zu beseitigen, steht dem Unternehmen, das mit dem insolventen Lieferanten in einer Lieferbeziehung steht, das Recht zu, den Insolvenzverwalter (oder Lieferant in Eigenverwaltung) zur Ausübung dieses Wahlrechtes innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Übt der Insolvenzverwalter oder Lieferant in Eigenverwaltung das Wahlrecht innerhalb dieser Frist nicht aus, gilt dies als eine Ablehnung der Erfüllung. Die Ausübung des Wahlrechtes und die Auswirkung einer Nichtausübung bei Aufforderung sind für den Verwalter bindend und nicht widerruflich. Durch die Aufforderung zur Ausübung des Wahlrechtes ist der Insolvenzverwalter oder Lieferant in Eigenverwaltung dazu gezwungen „Farbe zu bekennen“ und das Unternehmen als Vertragspartner hat Klarheit über den Status des Vertrages. Es sollte dringend vermieden werden, Leistungen ab Eröffnung auszutauschen, ohne dass eine Erfüllungswahl vorliegt oder eine Fortführungsvereinbarung getroffen wurde.
Fazit: Offene Kommunikation mit allen Beteiligten und Anpassung der Lieferbeziehung geboten
Einen allgemeingültigen Hinweis bei Krise und Insolvenz des Lieferanten gibt es nicht. Es ist jedoch geboten, durch Monitoring eine Krise frühestmöglich zu erkennen und die Leistungsfähigkeit und -willigkeit des Lieferanten und (vorläufigen) Verwalters frühestmöglich abzuklären und durch entsprechende Vereinbarungen gegebenenfalls anzupassen, um eine Unterbrechung der Belieferung zu vermeiden.