8. April 2024
Steuern in Krise und Insolvenz

Steuerfreier Schuldenerlass im Rahmen der unternehmensbezogenen Sanierung

Die Anforderungen der Finanzverwaltung an die Steuerfreiheit von unternehmensbezogenen Sanierungen steigen in der Praxis.

Um notleidende Unternehmen ohne steuerliches Hindernis effektiv restrukturieren zu können und deren Zusammenbruch zu verhindern, wird unter den Voraussetzungen der § 3a EStG und § 7b GewStG die Steuerfreiheit eines Sanierungsertrags als Folge eines Schuldenerlasses zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung gewährt.

Oftmals werden bei der Erstellung von Sanierungskonzepten steuerliche Folgen bzw. die Anforderungen an die Steuerfreiheit stiefmütterlich behandelt, was nicht selten zu Schwierigkeiten bei der Umsetzung derartiger Konzepte führte, wenn dann im Zuge der Umsetzung die Steuerlast hochkam. In der Neufassung des IDW S 6 (Anforderungen an Sanierungskonzepte) vom 22. Juni 2023 ist neu in Rz. 83 vorgesehen, dass bei der zahlenmäßigen Darstellung des geplanten Sanierungsablaufs auch bedeutsame steuerrechtliche Aus- und Folgewirkungen zu berücksichtigen sind, die im Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen stehen, da diese den Sanierungserfolg wesentlich beeinflussen können. Anders als noch in der Entwurfsfassung vom 27. September 2022 werden Ertragsteuern aufgrund eines Schuldenerlasses und die Steuerfreiheit des Sanierungsertrages gemäß §§ 3a EStG, 7b GewStG nicht mehr explizit erwähnt. Jedoch sollte auch ohne ausdrückliche Erwähnung eine fundierte Aussage zur Einschlägigkeit der Steuerbefreiung opportun sein.

Steuerfreier Schuldenerlass im Rahmen einer unternehmensbezogenen Sanierung

Schuldenerlasse bzw. Forderungsverzichte durch Nichtgesellschafter führen beim verpflichteten Unternehmen zu einer steuerwirksamen Betriebsvermögensmehrung in Folge der Ausbuchung einer passivierten Verbindlichkeit. Diese Betriebsvermögensmehrung ist für Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerzwecke unter den Voraussetzungen der §§ 3a EStG, 7b GewStG steuerfrei (auch bei Forderungsverzichten mit Besserungsschein), wenn eine unternehmensbezogene Sanierung vorliegt.

Eine unternehmensbezogene Sanierung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige für den Zeitpunkt des Schuldenerlasses die Sanierungsbedürftigkeit und die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Sanierungseignung des betrieblich begründeten Schuldenerlasses und die Sanierungsabsicht der Gläubiger nachweist. Rechtsfolge ist die zwingende Steuerfreistellung dieser Sanierungserträge, d.h. es besteht hierbei kein Wahlrecht.

Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens

Sanierungsbedürftigkeit ist gegeben, wenn das Unternehmen als solches in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, d.h. wenn es ohne die Sanierung nicht fortgeführt werden kann. Das Vorliegen der Insolvenzreife im Sinne einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit (§§ 19, 17 InsO) ist hierbei nicht erforderlich.

Bei der Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens ist im Rahmen einer (ex-ante) Prognoseentscheidung und im Rahmen einer Prüfung der Einzelfallumstände nach objektiven Umständen zu prüfen, ob es ohne den Schuldenerlass möglich wäre, das Unternehmen auf Dauer nach kaufmännischen Gesichtspunkten rentabel und ertragsfähig fortzuführen. Hierbei wird auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Schuldenerlasses abgestellt. Für die Prognose sind die mittelfristige Ertragskraft und die Ertragslage, die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, die Kapitaldienstfähigkeit, insbesondere also Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, die Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern und sonstigen Schulden, d.h. auch das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast und die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens relevant.

Der Forderungsverzicht durch mehrere Gläubiger ist ein Anzeichen für die Sanierungsbedürftigkeit. Ein Anzeichen für fehlende Sanierungsbedürftigkeit besteht hingegen, wenn der Forderungsverzicht lediglich von einem einzelnen Gläubiger ausgesprochen wird, der erkennbar an der Fortführung der Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner interessiert ist.

Sanierungsfähigkeit des Unternehmens

Das Tatbestandsmerkmal der Sanierungsfähigkeit dient der Klarstellung, dass die Sanierung einem auch künftig fortbestehenden Unternehmen dient. Die Sanierungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Überleben des Unternehmens (Verhinderung des Zusammenbruchs des Unternehmens und Wiederherstellung seiner Ertragsfähigkeit) durch den Schuldenerlass als unverzichtbarerer (Teil-)Beitrag und ggf. durch weitere Sanierungsmaßnahmen, d.h. allein oder zusammen mit anderen Maßnahmen, bei objektiver Beurteilung gesichert ist.

Hier muss u.a. dargelegt werden, dass das Unternehmen nach den Sanierungsmaßnahmen mittelfristig positive Erträge erwirtschaftet und die Kapitaldienstfähigkeit wiederhergestellt ist, also die Zins- und Tilgungsleistungen für die verbliebenen Verbindlichkeiten aus den voraussichtlichen positiven Zahlungsüberschüssen der künftigen Geschäftstätigkeit leisten können wird.

Sanierungseignung des Schuldenerlasses

Hinsichtlich der Sanierungseignung ist zu prüfen, ob im Zeitpunkt des Schuldenerlasses der Schuldenerlass allein oder zusammen mit anderen – auch nicht steuerbefreiten – Maßnahmen geeignet ist, um das Überleben des Betriebs zu sichern. Der Schuldenerlass muss folglich ein unverzichtbarer (Teil-)Beitrag zur Verhinderung des Zusammenbruchs des Unternehmens und zur Wiederherstellung der (dauerhaften) Ertragsfähigkeit des Unternehmens sein.

Maßgebende Indizien sind die Höhe der Verschuldung und des Erlasses, die Gründe, welche die Notlage bewirkt haben, die allgemeinen Ertragsaussichten sowie alle diese beeinflussenden Umstände. Hierbei ist auch zu untersuchen, welche laufenden Zahlungsverpflichtungen (einschließlich Tilgungsleistungen für verbliebene Verbindlichkeiten) das Unternehmen im Zeitpunkt des Schuldenerlasses hat, wie weit laufende und verbliebene Verpflichtungen aus dem laufenden Geschäft erfüllt werden können und ob nach Fortfall der erlassenen Schulden die Zahlungsfähigkeit als gesichert angesehen werden kann.

Ungeeignet sind Maßnahmen, die von vornherein erkennbar nicht ausreichen, das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens sicherzustellen. Es muss also dargelegt werden, dass das Unternehmen dann zumindest nicht insolvent ist.

Betriebliche Begründung des Schuldenerlasses

Der Schuldenerlass muss betrieblich begründet sein, d.h. es muss aus eigenbetrieblichem Interesse des Gläubigers (i.S.e. objektiven wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Schuldenerlass und Betrieb) auf die Forderung verzichtet werden. Es darf keine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegen.

Von einer betrieblichen Veranlassung ist – auch beim Gesellschafter oder verbundenen Unternehmen – auszugehen, wenn der Verzicht des Gesellschafters im Rahmen eines Drittvergleichs dem entspricht, was auch andere Gläubiger als Sanierungsbeitrag erbringen, also ein entsprechender fremdüblicher Verzicht. Für den Fall, dass auch (wesentliche) fremde Gläubiger (bspw. Banken) auf ihre Forderungen verzichten (Gläubigerakkord) oder anderweitige Sanierungsbeiträge leisten, ist regelmäßig von einer betrieblichen Veranlassung auszugehen, da die Gesellschafter sich wie fremde Dritte verhalten.

Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung wird hingegen typischerweise vorliegen, wenn und soweit ein darüber hinausgehender Beitrag erbracht wird und der Gesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns in eigenen Angelegenheiten die Forderung nicht erlassen hätte.

Sanierungsabsicht der Gläubiger

An die Voraussetzungen für das Vorliegen der Sanierungsabsicht der Gläubiger stellt die aktuelle Rechtsprechung keine hohen Anforderungen. Die Sanierungsabsicht der Gläubiger muss zumindest mitentscheidend für den Schuldenerlass sein.

Die Feststellung der Sanierungsabsicht als innere Tatsache kann auf Indizien gestützt werden. Zu diesen zählen das Vorliegen der Sanierungsbedürftigkeit und der Sanierungseignung.

Eine ausschließliche Sanierungsabsicht ist nicht erforderlich. Das Verfolgen eigener Motive sowie, dass der Schuldenerlass nur das Mittel zum Zweck ist, zumindest einen Teil seiner Restforderung oder eine Geschäftsverbindung zu retten, stellt die Sanierungsabsicht jedenfalls dann nicht in Frage, sofern die Sanierungsabsicht mitentscheidend war.

Sollte es den Gläubigern im Rahmen der Schuldenerlasse um die Rettung des Unternehmens und somit um die Bewahrung des Unternehmens vor dem Zusammenbruch gehen, also um die Umsetzung einer abstrakten, von den einzelnen Gläubigerinteressen getrennten Zielsetzung der Unternehmenserhaltung, sollte das Tatbestandsmerkmal der Sanierungsabsicht vorliegen.

Der Forderungserlass durch alle oder eine Mehrzahl der Gläubiger (Gläubigerakkord) gilt als ein Anzeichen für die Sanierungsabsicht. Erlässt nur ein einzelner Gläubiger eine Schuld, ist die Sanierungsabsicht im Einzelfall zu prüfen.

Nachweis der Voraussetzungen

Der Nachweis kann grundsätzlich in Form eines Freibeweises geführt werden. Das BMF-Schreiben vom 27. März 2003 zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen (BMF vom 27. März 2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl. I 2003, S. 240) regelte in Rn. 4 den Fall, dass bei Vorliegen eines Sanierungsplans (bspw. nach IDW S 6) von den Voraussetzungen für einen begünstigten Sanierungsgewinn ausgegangen werden kann. Die gesetzliche Regelung enthält keine solche Vermutung. § 3a Abs. 2 EStG verlangt zwar den Nachweis der einzelnen Voraussetzungen, enthält jedoch keinen Hinweis über die Art und Weise des Nachweises. Allerdings verweist die Gesetzesbegründung(BT-Drs. 18/12128, S. 31) darauf, dass die Voraussetzungen eines begünstigten Sanierungsertrags der bisher im Sanierungserlass enthaltenen Verwaltungsauffassung entspricht. Folglich ist dem Steuerpflichtigen der Freibeweis durch Vorliegen eines Sanierungsplans eröffnet. Der Sanierungsplan stellt folgerichtig ein gewichtiges Indiz dar bzw. gehen gewichtige Stimmen im steuerlichen Schrifttum sogar davon aus, dass auch weiterhin eine Vermutung dafür sprechen sollte, dass für den Fall des Vorliegens eines Sanierungsplans eine unternehmensbezogene Sanierung vorliegt bzw. die Sanierungsabsicht vermutet werden kann. Anders als in der Vergangenheit machen wir die Erfahrung, dass einzelne Finanzämter hierin jedoch lediglich ein Indiz sehen und noch keinen unumstößlichen Beweis.

Empfehlung einer verbindlichen Auskunft in der Praxis sowie Praxiserfahrungen

Da für einen steuerfreien Schuldenerlass im Rahmen der unternehmensbezogenen Sanierung diverse (steuerliche) Aspekte zu beachten sind und es sich hierbei im Regelfall um hohe finanzielle Beträge handelt, empfehlen wir – für eine rechtssichere Anwendbarkeit – im Vorfeld von Forderungsverzichten eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt einzuholen.

Im Sanierungsgutachten empfiehlt es sich, die einzelnen Tatbestandvoraussetzungen für die Steuerfreiheit darzustellen und den konkreten Sachverhalt hierunter zu subsumieren sowie mit einer Aussage zu verbinden, dass jede einzelne Tatbestandsvoraussetzung in Gänze erfüllt ist. Das zuständige Finanzamt bzw. Experten der Finanzverwaltung in den Oberfinanzdirektionen bzw. in den Landesämtern für Steuern nehmen dies Aussagen in den Sanierungsgutachten zunehmend nicht als unbestreitbar an, sondern führen selbstständig eine kritische inhaltliche Prüfung bzw. Verprobung der Aussagen im Gutachten durch und stellen hierzu kritische Rückfragen.

Neben der verbindlichen Auskunft, für deren Verbescheidung man aufgrund der Komplexität durchaus mit mehreren Monaten rechnen kann, besteht die Möglichkeit der Absicherung auch mittels einer Contingent Tax Risk Insurance, mit i. d. R. 2-3% Versicherungsprämie zzgl. Versicherungssteuer und Underwriting-Kosten.

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