Wird ein Insolvenzverfahren im laufenden Monat eröffnet, ist eine Abgrenzung der Mietforderung in Insolvenz- und Masseforderung taggenau vorzunehmen.
Es handelt sich um keine neue Rechtsprechung. Dennoch kommt es in der Praxis häufig vor, dass Vermieter ihre Mietforderung für den Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, vollständig als Insolvenzforderung anmelden, sofern das Verfahren nicht am Monatsersten eröffnet wird. Korrekt ist jedoch, dass die Mietforderung für den Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, in dem Umfang Masseverbindlichkeit darstellt, der dem ab der Verfahrenseröffnung verbleibenden Teil des Monats entspricht. Dies hat der BGH in seinem Beschluss vom 11. März 2021 nochmals klargestellt (Az. IX ZR 152/20).
Ein kurzer Exkurs zur insolvenzrechtlichen Einordung des Mietverhältnisses über unbewegliche Gegenstände: Gemäß § 108 Abs. I S. 1 InsO besteht ein Mietverhältnis über unbewegliche Gegenstände mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Es endet dadurch nicht automatisch mit Insolvenzeröffnung. Ansprüche des Vermieters aus einem solchen Mietverhältnis sind Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO) und müssen vorrangig aus der Insolvenzmasse bezahlt werden, wenn die Mieträume nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiter genutzt werden.
Entscheidend für die Abgrenzung von Insolvenz- und Masseforderung ist somit zunächst einmal der Tag der Insolvenzeröffnung. Wird ein Verfahren am 1. eines Monats eröffnet, liegt es für den Vermieter auf der Hand, dass die Miete für diesen Monat in Gänze eine Masseforderung darstellt. Wie aber verhält es sich, wenn das Verfahren erst später, bspw. am 10. eröffnet wird, die Miete aber zu Beginn des Monats fällig wurde?
Zeitpunkt der Entstehung einer Forderung bei gegenseitigen Verträgen in der Insolvenz unerheblich
Die Praxis zeigt, dass Vermieter oftmals davon ausgehen, dass die Miete in dem Fall in Gänze eine Insolvenzforderung für diesen Monat darstellt, wenn das Verfahren erst nach dem 1. eröffnet wurde. Vereinzelt gibt es auch Stimmen in der Literatur, die diese Ansicht vertreten. Wie der BGH jedoch bereits mehrfach entschieden hat, und wie auch ansonsten in der Literatur mehrheitlich vertreten, gelten Mietforderungen in dem Maße als Masseverbindlichkeit, soweit der Vermieter seine Leistung, die Bereitstellung der Mietflächen, für den Zeitraum nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereitstellen muss. Entsprechend muss eine zeitanteilige Aufteilung erfolgen.
Warum? Ebenso könnte man doch argumentieren, dass der vertraglich vereinbarte Fälligkeitstermin für die Miete entscheidend ist für die Einordnung in Insolvenz- oder Masseforderung.
Wie so oft, löst das Insolvenzrecht das Problem mit einer anderen Herangehensweise als der (vertraglich) vereinbarten. Das Mietverhältnis stellt einen gegenseitigen Vertrag dar, bei dem der Vermieter dem Mieter eine Mietsache überlässt. Im Gegenzug erhält er dafür den vertraglich geschuldeten Mietzins. Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen sind insolvenzrechtlich als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO anzusehen, soweit „deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss“. Kurzum: erhält die Insolvenzmasse weiter Leistungen, sei es, weil der Insolvenzverwalter entschieden hat, diese in Anspruch zu nehmen, oder weil er den Vertrag aufgrund besonderer Kündigungsvorschriften (im Falle des Mietverhältnisses drei Monate, § 109 Abs. 1 InsO) nicht unmittelbar mit Insolvenzeröffnung und mit sofortiger Wirkung beenden kann, stellen die daraus entstehenden Verbindlichkeiten Masseverbindlichkeiten dar und müssen vorrangig beglichen werden. Handelt es sich um teilbare Leistungen, muss eine Abgrenzung erfolgen. Damit wird sichergestellt, dass derjenige, der seine vollwertige Leistung weiterhin zur Masse erbringen und sie der Masse damit zugutekommen lassen muss, die dafür zu entrichtende volle Gegenleistung erhält und nicht auf eine Insolvenzforderung beschränkt ist. Ob die Verbindlichkeit eine Masseverbindlichkeit darstellt, hängt somit nicht davon ab, wann diese Verbindlichkeit vertraglich entstanden ist.
Vorrangige Befriedigung von Massegläubigern
Somit gilt: Ist eine Leistung teilbar, ist die Gegenforderung nur in einem der Leistung an die Insolvenzmasse entsprechenden Teil Masseverbindlichkeit. Im Falle der Mietverbindlichkeit kann der Mietzins taggenau berechnet und abgegrenzt werden.
Sämtliche bis zum Tag vor Insolvenzeröffnung entstandenen Verbindlichkeiten stellen damit einfache Insolvenzforderungen dar, §§ 38, 108 Abs. 3 InsO. Diese meldet der Vermieter beim Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle an. Der Insolvenzverwalter prüft sodann alle angemeldeten Forderungen und stellt sie, wenn keine berechtigten Einwände bestehen, zur Tabelle fest. Die Befriedigung der Gläubiger mit festgestellten Forderungen erfolgt am Ende des Verfahrens, ihre Höhe ist abhängig von der im Verfahren erzielten Masse und daraus resultierenden Quote.
Die Forderungen des Vermieters nach Insolvenzeröffnung stellen dagegen Masseverbindlichkeiten dar und sind vorrangig vor den Insolvenzforderungen zu bedienen. Fortan zahlt den Mietzins anstelle des Schuldners deshalb der Insolvenzverwalter. Vorausgesetzt, es ist genügend Masse vorhanden. Stellt sich allerdings nach Insolvenzeröffnung heraus, dass in dem Insolvenzverfahren noch nicht genügend Masse erwirtschaftet wurde, erklärt der Insolvenzverwalter die sogenannte Masseunzulänglichkeit und die Verbindlichkeiten werden befriedigt, sobald eine ausreichende Masse erwirtschaftet wurde. Gelingt es bis zum Abschluss des Verfahrens nicht, eine ausreichende Masse zu erwirtschaften, erhalten die Gläubiger mit noch unbezahlten Masseverbindlichkeiten keine oder lediglich eine quotale Befriedigung ihrer Ansprüche.
Bei Verfahren, die innerhalb des Monats eröffnet werden, ist es nicht selten, dass eine Masseunzulänglichkeit nach Insolvenzeröffnung kurzfristig eintritt. Oftmals handelt es sich nämlich um Schuldner, deren Geschäftsbetrieb bei Antragstellung bereits eingestellt war. Anders sieht es dagegen in der Regel bei Betriebsfortführungen aus. Dort werden häufig noch Arbeitnehmer beschäftigt, so dass u. a. aus Praktikabilitätsgründen (klarer und gut abrechenbarer Übergang zum Monatswechsel) und aufgrund der in der Insolvenz üblichen Insolvenzgeldvorfinanzierung eine Insolvenzeröffnung regelmäßig auf einen Monatsersten fällt. War der Geschäftsbetrieb bereits eingestellt, ist in einer Vielzahl der Fälle auch keine ausreichende Liquidität mehr vorhanden, um die Masseverbindlichkeiten direkt begleichen zu können. In diesen Fällen droht dem Gläubiger einer Masseverbindlichkeit also faktisch ein Forderungsausfall, obwohl ihm grundsätzlich ein Recht zur vorrangigen Befriedigung zusteht.
Empfehlung: Hinweis in Forderungsanmeldung und Schreiben an den Insolvenzverwalter
Einer gesonderten Anmeldung von Masseverbindlichkeiten bedarf es nicht. Dennoch sollte der Vermieter den Insolvenzverwalter auf die Abgrenzung von Masse- und Insolvenzforderung sowohl in seiner Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle aufmerksam machen als auch gegebenenfalls in einem gesonderten Schreiben. Damit ist sichergestellt, dass die Verbindlichkeiten korrekt erfasst werden und im besten Fall zeitnah die bereits rückständige Miete anteilig beglichen wird. Den Anspruch auf die Miete ab Eröffnung muss der Insolvenzverwalter zu den vereinbarten Fälligkeiten erfüllen, andernfalls gerät er in Verzug. Solange der Insolvenzverwalter keine Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, kann der Vermieter seine Ansprüche notfalls auch durch Zwangsvollstreckung durchsetzen.