Investitionskontrolle und -steuerung: Ein Überblick über die wichtigsten Änderungen aus der Sicht eines Investors in den Ländern Polen, Rumänien, Tschechische Republik und Ungarn.
In jüngster Zeit gab es in vielen Ländern Verschärfungen der jeweiligen Außenwirtschaftsgesetze. Dies gilt nicht nur für Deutschland (Investitionskontrolle bei Transaktionen, im Gesundheitssektor und im AWG und AWV), sondern auch in den Ländern Mittel- und Osteuropas (in diesem Beitrag werden nachfolgend die Tschechische Republik, Ungarn, Polen and Rumänien als CEE-Länder bezeichnet).
Neue Regeln für CEE-Investitionen
Alle CEE-Länder haben in die nationale Gesetzgebung bereits neue Anforderungen in Bezug auf Investitionen aufgenommen oder sind dabei solche umzusetzen. Dies können vorübergehende Maßnahmen im Rahmen der COVID-19-Krise (veranlasst durch das Bedürfnis, Schlüsselsektoren der Wirtschaft zu sichern) sein oder der Umsetzung verbindlichen EU-Rechts dienen, das darauf abzielt, für EU-Märkte ein höheres Schutzniveau zu gewährleisten. Hierzu gehören beispielsweise die Verordnung (EU) 2019/452 zur Schaffung eines Rahmens für die Prüfung ausländischer Direktinvestitionen (FDI) in der Union (die „FDI-Verordnung“) und die Verordnung (EU) 2019/2033 über Aufsichtsanforderungen an Wertpapierfirmen, für welche die Umsetzungsfristen immer näher rücken.
Obwohl die strengeren Regeln in den meisten CEE-Ländern für Nicht-EU-Investoren gelten (eventuell einschließlich der durch sie unmittelbar oder mittelbar kontrollierten EU-Unternehmen), werden voraussichtlich auch EU-Investoren betroffen sein. Deshalb wird jede Investitionsentscheidung in ein CEE-Land künftig davon abhängen, ob erstens konkrete Beschränkungen für die Transaktion gelten und zweitens bejahendenfalls, wie die Auswirkungen auf die geplante Transaktion bezüglich der Kosten, der Zeit und möglicher anderer wirtschaftlichen Folgen im Einzelnen sind.
Grünes Licht für EU-Investoren in CEE-Ländern?
Historisch haben CEE-Länder Investitionen von Unternehmen oder Bürgern der EU in den jeweiligen Staat immer unterstützt, ohne übermäßige regulatorischen Hürden zu erschaffen, welche die Transaktion nachteilig beeinträchtigen würden. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise haben einige CEE-Länder (Ungarn, Polen und Rumänien) Maßnahmen eingeleitet, die sowohl EU- als auch Nicht-EU-Investoren treffen, um strategisch wichtige Sektoren der nationalen Wirtschaft zu schützen. Demgegenüber verbleibt die Tschechische Republik gegenwärtig relativ frei von Einschränkungen gegenüber EU- und Nicht-EU-Investoren.
Ungarn, Polen und Rumänien führen hingegen gegenwärtig vorgeschaltete Mitteilungspflichten ein, wenn eine Investitionstransaktion einen strategischen Wirtschaftssektor des Landes betrifft, die auch dann gelten, wenn es sich dabei um einen EU-Investoren handelt:
- Ungarn beispielsweise hat vorübergehende Vorschriften erlassen (in Kraft seit dem 18. Juni 2020 mit Geltung bis zum 31. Dezember 2020), die alle Transaktionen in Bezug auf strategisch wichtige Gesellschaften bestimmter Sektoren (z.B. Energie, Transport, Kommunikation) von einer Ministerialgenehmigung abhängig machen. Deutsche Investoren müssen sich darüber im Klaren sein, dass es folgende rechtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Genehmigung gibt: (i) der Investor ist eine in der EU, dem EWR oder in der Schweiz ansässige juristische oder natürliche Person, (ii) die mittelbar oder unmittelbar 50 % +1 des Kapitals oder der Stimmrechte oder die auf sonstige Weise vermittelte Kontrolle über eine strategisch wichtige Gesellschaft erwerben möchte und (iii) das Gesamtvolumen der Investition erreicht oder übersteigt den Schwellenwert von umgerechnet ca. EUR 1.100.000. Wenn diese Bedingungen vorliegen, gilt für Investoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die Pflicht zur Beantragung einer Ministerialgenehmigung.
- In Polen muss ein deutscher Investor (sowie jeder andere Investor der EU oder außerhalb der EU), der 20 % (oder mehr) der Anteile an regulierten Gesellschaften erwirbt, die in bestimmten strategischen Wirtschaftsfeldern in Polen tätig sind, die polnischen Behörden über die Transaktion benachrichtigen, wobei das zuständige Ministerium die Transaktion unter bestimmten Voraussetzungen untersagen kann (unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Investors).
- In Rumänien unterliegen bestimmte Transaktionen (unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Investors) einem Genehmigungsverfahren für ausländische Investitionen vor dem Rumänischen Obersten Rat für Staatsverteidigung (RORS), wenn diese Transaktionen bestimmte Wirtschaftszweige betreffen, die im Hinblick auf die nationale Sicherheit als wichtig gelten (z.B. die Sicherheit der Sektoren Energie, Transport, vitale Versorgungssysteme, kritische Infrastruktur, etc.). Dieses System funktioniert prinzipiell parallel zu dem der Fusionskontrolle, wo, wenn ein finanzieller Schwellenwert erreicht wird, die Transaktion bei der rumänischen Wettbewerbsbehörde anmeldepflichtig ist. In diesem Fall wird der RORS in der Regel durch die Wettbewerbsbehörde informiert. Aber auch falls keine Fusionsanmeldung vorliegt, wird der RORS die Transaktion dahingehend prüfen, ob ein Kontrollwechsel vorliegt, der die vorgenannten Wirtschaftszweige berührt.
Besondere Anforderungen an Nicht-EU-Investoren
Ungarn und Polen haben bereits jeweils besondere Anforderungen speziell für Nicht-EU-Investoren erschaffen. In der Tschechischen Republik und in Rumänien sind bald ähnliche Regeln zu erwarten.
In Polen unterliegen Nicht-EWR- und Nicht-OECD-Investoren, welche die Übernahme „geschützter“ polnischer Gesellschaften planen, einem vorübergehenden Clearing-Mechanismus der polnischen Wettbewerbsbehörde (in Kraft für zwei Jahre seit dem 24. Juli 2020). Transaktionen müssen demnach freigegeben werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind: (i) die Investoren waren in den zwei Jahren vor der Mitteilung weder EU-Bürger noch juristische Personen mit Sitz in der EU/EWR/OECD, (ii) es sind „geschützte“ Gesellschaften betroffen, also solche, die in einem besonderen Katalog aufgelistet sind (z.B. in der Stromversorgung, Lebensmittelindustrie oder Telekommunikation tätige oder staatliche Gesellschaften), (iii) die Zielgesellschaft ist polnisch und hatte in mindestens einem der vorangegangenen zwei Wirtschaftsjahre einen Umsatz von umgerechnet über EUR 10.000.000 in Polen generiert, (iv) die Transaktion betrifft den mittelbaren oder unmittelbaren Erwerb einer bedeutenden Beteiligung, d.h. mindestens 20 % der Stimmrechte, des Kapitals oder der Gewinne der geschützten Gesellschaft, Erwerb der Vermögenswerte der Gesellschaft oder einer beherrschenden Stellung, also eine, welche die Möglichkeit vermittelt, die Richtung der Unternehmenstätigkeit unmittelbar zu bestimmen.
In Ungarn bestehen für Nicht-EU-Investoren zwei Arten von Beschränkungen. In beiden Fällen sind Investoren verpflichtet, eine Ministerialgenehmigung einzuholen, bevor eine Investition in Ungarn getätigt wird:
- Erstens gilt diese Pflicht für Gesellschaften außerhalb der EU, des EWR oder der Schweiz für unmittelbare oder mittelbare Investitionen betreffend Beteiligungen von mehr als 25 % (10 % bei Aktiengesellschaften) an ungarischen Gesellschaften, deren Geschäftstätigkeit für die nationale Sicherheit als bedeutsam gilt wie etwa die Herstellung von Waffen und Munition und von Produkten mit doppeltem Verwendungszweck, Finanzdienstleistungen, Strom-, Gas- und Wasserversorgung sowie Telekommunikationsdienstleistungen.
- Zweitens wird das Verfahren der Ministerialgenehmigung ebenso wie die Beschränkungen für EU-Investoren wie oben ausgeführt in dem Geltungsbereich bis zum 31. Dezember 2020 auch für „ausländische Investoren“ gelten, die 10 %, 15 %, 20 % oder 50 % an einer ungarischen, strategisch wichtigen Gesellschaft erwerben möchten, wenn das Volumen der Investition einen Schwellenwert von umgerechnet ca. EUR 1.100.000 erreicht oder überschreitet. „Ausländische Investoren“ sind wie folgt definiert: (i) eine Gesellschaft mit Sitz in Ungarn, der EU, dem EWR oder der Schweiz, wenn der unmittelbare oder mittelbare Mehrheitseigentümer (50 % +1 des Kapitals, der Stimmrechte oder die auf sonstige Weise vermittelte Kontrolle) eine in einem Drittstaat außerhalb der EU, dem EWR oder der Schweiz ansässige natürliche oder juristische Person ist oder (ii) jede in einem Drittstaat ansässige natürliche oder juristische Person.
- Entsprechend ist die Zustimmung des zuständigen Ministeriums erforderlich, wenn ein Investor aus Deutschland, Österreich oder der Schweiz eine Investition tätigen möchte, welche die vorgenannten Voraussetzungen erfüllt.
Die Tschechische Republik bereitet die Umsetzung der FDI-Verordnung in das nationale Recht vor und gemäß dem Regelungsentwurf müssen sich künftig alle Nicht-EU-Investoren (oder Investoren unter der unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle eines Nicht-EU-Investors – keine Ausnahmen gelten für Investoren aus der Schweiz) einem Screening-Verfahren unterziehen, wenn die Investition die nationale Sicherheit oder die öffentliche oder interne Ordnung gefährden kann. Bei Investitionen in Schlüsselsektoren (z.B. wichtige Infrastruktursektoren wie Energie, Verteidigung, Militär und nationale Medienbetreiber) ist das Screening und die Konsultation vor dem Zeitpunkt der Investition verpflichtend. In allen anderen Fällen können die tschechischen Behörden binnen fünf Jahren ab dem Investitionszeitpunkt entsprechende Verfahren einleiten.
Geldbußen und Rückabwicklung drohen bei Verstößen
Investoren aus der EU und außerhalb der EU sollten die verbindlichen FDI-Verfahren in CEE unbedingt beachten. Verstöße hiergegen können zu gravierenden Konsequenzen führen: Es droht nicht nur die Rückabwicklung der gesamten Transaktion, sondern auch die Verhängung scharfer Sanktionen. Beispielsweise sieht das polnische Recht Geldbußen von bis zu umgerechnet ca. EUR 10 Mio. vor oder Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (oder beides). In Ungarn können Bußgelder bis zu 1 % des Jahresumsatzes der jeweiligen Zielgesellschaft verhängt werden, alternativ kann die Höhe sogar bis zu dem doppelten Wert der Transaktion reichen.
Obwohl die neuen Regeln für Investoren aus der EU und außerhalb der EU strengere Anforderungen bedeuten, entspricht das neue System keineswegs einem Verbot. Sinn und Zweck ist es, den Staaten zu ermöglichen, die Auswirkungen einer Transaktion für einen bestimmten Sektor abzuwägen, der für die nationale Wirtschaft als strategisch wichtig gilt. Wenngleich eine Wettbewerbsverzerrung nicht ausgeschlossen werden kann, bietet sowohl das jeweilige nationale als auch das internationale Recht einen Maßstab für die Abwägung der Auswirkungen einer Investition und entsprechende Rechtsmittel. Somit können Verbote nur nach besonderen Vorschriften des nationalen Rechts erlassen werden, wenn nachteilige Auswirkungen der öffentlichen Sicherheit hinreichend nachgewiesen sind.
Mitwirkende Autoren: Katarzyna Grodziewicz (Polen), Laura Capata (Rumänien), Stepan Havranek (Tschechische Republik) und Szabina Marsi (Ungarn)