9. Februar 2022
Russland Sanktionen Ukraine Konflikt
International

Neuer Konflikt um die Ukraine – Neue Sanktionen?

Aktuelle Diskussionen drehen sich um Sanktionen für den Fall eines Einmarschs Russlands in die Ukraine. Diese dürften sich auf konkret bezeichnete Personen und Unternehmen beschränken.

Seit Dezember 2021 hat sich der Konflikt zwischen Russland einerseits und der Ukraine, den USA sowie der EU und der NATO andererseits erheblich verschärft. Russland wird vorgeworfen, die Ukraine zu bedrohen und eine Invasion vorzubereiten. Russland streitet dies ab. Neben diplomatischen Bemühungen um Eindämmung oder Beilegung des Konflikts ist immer wieder die Rede von erheblichen Sanktionen, die gegen Russland verhängt werden könnten, sollte es zu einem Einmarsch in die Ukraine kommen.

Mit der Diskussion über mögliche Sanktionen weitet sich der politische Konflikt unmittelbar auf den Bereich der Wirtschaft aus. Sanktionen sind in aller Regel Maßnahmen, mit denen Staaten auf die ihnen erreichbaren (also i.d.R. die in diesen Staaten ansässigen) Unternehmen einwirken, um dem anderen Staat, dem die Sanktionen gelten, wirtschaftlich Schaden zuzufügen. Dass die deutsche und europäische Wirtschaft die Diskussion besorgt verfolgt, ist nur allzu gut verständlich, denn Sanktionen werden unmittelbar auf sie einwirken. 

Das ist Grund genug, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen und mögliche Szenarien zu antizipieren. 

Gegen Russland bestehen bereits umfangreiche Sanktionen

Seit 2014 wurden nach der Annexion der Krim und nachfolgend der Unterstützung separatistischer Kräfte in der Ostukraine durch Russland umfangreiche Sanktionen erlassen, die weiterhin den wirtschaftlichen Austausch belasten. 

Im Wesentlichen geht es um folgende Maßnahmen und Maßnahmengruppen: 

  • Personenbezogene Sanktionen verbieten den geschäftlichen Umgang mit bestimmten Personen. 
  • Regionale Sanktionen verbieten die Geschäftstätigkeit auf der Krim.
  • Sektorbezogene Sanktionen verbieten einzelne Rechtsgeschäfte in den Bereichen Hochtechnologie in der Rohstoffgewinnung, Geschäfte mit Dual-Use-Gütern und bestimmte Geschäfte im Bankensektor, insbesondere langfristige Finanzierungen.

Diese Maßnahmen sind prinzipell gleichlautend von der EU und den USA verhängt worden. Im weiteren Verlauf haben die USA weitergehende Maßnahmen ergriffen, die hauptsächlich in zusätzlichen personen- und unternehmensbezogenen Sanktionen bestanden. Die EU hat diese hinzukommenden Verschärfungen im Wesentlichen nicht mitvollzogen. Insofern besteht aktuell eine gewisse Inkongruenz zwischen US- und EU-Sanktionen. Russland hat auf die Maßnahmen mit dem Verbot der Einfuhr gewisser landwirtschaftlicher Produkte und Lebensmittel reagiert. 

Diskussion um neue Sanktionen für den Fall eines Einmarschs Russlands in die Ukraine

Die aktuelle Diskussion um neue Sanktionen wird von den USA angeführt, die Sanktionen für den Fall eines Einmarschs Russlands in die Ukraine ankündigen. Aus Großbritannien wird dieser Kurs unterstützt. Die EU beteiligt sich eher zögerlich, kündigt aber ebenfalls Sanktionen an. Die USA streben dabei ein einheitliches Vorgehen an. Ob dies erreicht werden wird, ist unklar. Die Tatsache, dass Großbritannien nicht mehr Mitglied der EU ist, wird dabei durchaus als erschwerend für den Abstimmungsprozess wahrgenommen. 

Durchaus mitentscheidend für die Wirksamkeit von Sanktionen ist ein gewisser Überraschungseffekt. Allerdings ist in der aktuellen Situation die Verhängung überraschender Sanktionen eher unwahrscheinlich. Es scheint im Gegenteil darauf hinauszulaufen, dass konkrete Sanktionen angekündigt werden, wobei deren Ankündigung bereits die Verhaltensänderung Russlands hervorrufen soll. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich künftige Sanktionen in dem bekannten Rahmen der bestehenden Sanktionen bewegen werden. 

Sanktionen gegen Personen und Unternehmen aus Russland dürften wahrscheinlich werden

Es ist durchaus denkbar, dass Sanktionen gegen weitere konkret bezeichnete Personen verhängt werden. Hier dürften sowohl die politischen Entscheidungsträger als auch diesen nahestehende Personen aus den Wirtschaftseliten betroffen sein. Diskutiert wird auch eine direkte Sanktionierung Putins persönlich. Dies ist jedoch eher unwahrscheinlich: Zum einen wäre der reale Effekt wohl minimal; zum anderen wäre die darin liegende Provokation geeignet, Gegenmaßnahmen zu begründen. Auch ist schwer vorstellbar, wie etwa Verhandlungen mit sanktionierten Gesprächspartnern geführt werden sollten. 

Ebenso ist die Sanktionierung von bestimmten Unternehmen wahrscheinlich, die mit dem Konflikt in Verbindung gebracht werden. In diesem Zusammenhang wird auch eine mögliche Sanktionierung von Nord Stream 2 anzusiedeln sein. Problematisch bei der Sanktionierung von Unternehmen ist die Behandlung von deren Auslandstöchtern. Unterliegen diese ebenfalls dem Sanktionsregime, kann dies gravierende wirtschaftliche Auswirkungen im sanktionierenden Staat hervorrufen. Um diese zu vermeiden, könnten Ausnahmeregelungen getroffen werden. 

Eine Ausweitung der bestehenden sektorbezogenen Sanktionen erscheint schwieriger. Dies ist für den Finanzbereich diskutiert worden, wo die Abkoppelung Russlands vom SWIFT-System erwogen wurde. Offenbar wurde diese Maßnahme aber wegen ihrer unabsehbaren Auswirkungen auf den Finanzsektor verworfen. 

Ebenso denkbar wären Sanktionen gegen den Energiesektor. Diese würden Russland jedenfalls wirtschaftlich empfindlich treffen. Auch hier wären aber erhebliche Auswirkungen auf die sanktionierenden Länder zu erwarten. Daher scheint es unwahrscheinlich, dass der Energiesektor massiv sanktioniert werden wird. 

Wie bereits angesprochen, sollten auch die Schwierigkeiten bei der Synchronisierung von Sanktionen nicht unterschätzt werden. Diese ist insbesondere deshalb wichtig, weil die Beachtung ausländischer Sanktionen, die keine Entsprechung im deutschen Recht haben, zumindest in Deutschland einen rechtswidrigen Boykott darstellt. Ein Konflikt verschiedener Sanktionsregime muss daher vermieden werden, wenn die Wirksamkeit der Sanktionen erhalten bleiben soll. 

Bislang geht wenig in die Diskussion ein, welche Gegenmaßnahmen Russland zur Verfügung stehen könnten, um auf Sanktionen zu reagieren. Es ist offensichtlich, dass die Exportschwäche der russischen Wirtschaft hier wenig Spielraum lässt. Nur wenige russische Güter könnten westliche Länder nicht leicht ersetzen. Eine Ausnahme ist der Energiesektor. Da Russland allerdings auf die Einnahmen aus diesem Bereich angewiesen ist, dürfte die Versuchung gering sein, etwa Energieexporte zu stoppen. Sehr problematisch würde es dagegen für westliche Unternehmen in Russland, wenn, wie in der Vergangenheit bereits diskutiert, in Russland die Beachtung westlicher Sanktionen unter Strafe gestellt würde. Damit würde ein Normenkonflikt geschaffen, der sich rechtlich nicht auflösen ließe und wirtschaftliche Tätigkeit faktisch unmöglich machte. 

Keine überraschenden Sanktionen gegen Russland zu erwarten

Derzeit werden erhebliche neue Sanktionen gegen Russland diskutiert. Es dürfte allerdings schwierig werden, solche Sanktionen zu verhängen, die geeignet sind, Russlands Verhalten zu beeinflussen, ohne gleichzeitig erhebliche unerwünschte Auswirkungen auf die sanktionierende Seite zu haben. 

Es ist nicht zu erwarten, dass überraschende Maßnahmen getroffen werden. Wahrscheinlicher ist eine Ausweitung insbesondere der personen- und unternehmensbezogenen Sanktionen.

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