Das Bundeskartellamt rüffelt das Selektive Vertriebssystem von Asics und bietet die Vorabprüfung von Vertriebsverträgen an.
Die Eröffnung von Verwaltungsverfahren gegen die Sportartikelhersteller Adidas und Asics wegen des Verdachts unzulässiger Beschränkungen des Internetvertriebs über Drittplattformen wie eBay und Amazon Marketplace im Jahr 2012 hat in der Industrie und Presse große Beachtung gefunden. Dies führte zu einer erheblichen Verunsicherung von Markenherstellern im Hinblick auf die Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Selektiven Vertriebssystems.
Die Anfang der Woche veröffentlichte Pressemitteilung des Bundeskartellamts in dem Asics-Verfahren sorgt in einigen Punkten für Klarheit, lässt aber wichtige Fragen unbeantwortet. Ebenso bleibt offen, wie das Bundeskartellamt die angebotene Vorabprüfung von Vertriebsverträgen in der Praxis handhaben möchte.
Selektiver Vertriebsvertrag ist zulässig
Verschiedene öffentliche Äußerungen von Herrn Nothdurft sowie anderer Mitarbeiter des Bundeskartellamts zu einer kritischen Bewertung von Selektiven Vertriebssystemen im Allgemeinen während der laufenden Verfahren hatten für zusätzliche Verunsicherung im Markt gesorgt.
Dies gilt insbesondere für die Aussage von Herrn Nothdurft auf dem 11. Kölner Symposium zum Marken- und Wettbewerbsrecht, dass das Bundeskartellamt eine „Renaissance des Selektiven Vertriebs″ beobachte und kritisch sehe. Gelten Selektive Vertriebssysteme doch als probates Mittel für Markenartikelhersteller, die Qualität ihres Vertriebssystems zu gewährleisten.
In diesem Punkt gibt die Pressemitteilung nun Grund zur Entwarnung. Herr Mundt leitet die Pressemitteilung mit einer Aussage zur generellen Zulässigkeit von Selektiven Vertriebssystemen ein. Demnach „ist allgemein anerkannt, dass Hersteller ihre Händler nach bestimmten Kriterien auswählen dürfen und Qualitätsanforderungen aufstellen können″.
Keine Klarheit im Hinblick auf Regelungen betreffend Angebote auf Online-Marktplätzen und Preisvergleichsmaschinen
Die Pressemitteilung des Bundeskartellamts bringt im Hinblick auf die Zulässigkeit von vertraglichen Vereinbarungen über das Verbot des Verkaufs über Online-Marktplätze und die Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen dagegen nicht die dringend benötigte Klarheit.
Das Bundeskartellamt stellt bei der Bewertung des Vertriebssystems von Asics insbesondere auch auf die angeblich starke Marktposition ab, sowie darauf, dass andere wichtige Wettbewerber ähnliche Einschränkungen in ihren Vertriebsverträgen vorsehen.
Die Einstufung von ausnahmslosen Verboten des Verkaufs über Online-Marktplätze und die Unterstützung von Preisvergleichsmaschinen als Kernbeschränkung beruht demnach auf einer Gesamtbewertung aller Umstände des Einzelfalls und lässt sich nicht auf alle Selektiven Vertriebssysteme mit qualitativen Anforderungen an den Online-Vertrieb übertragen.
Es ist vielmehr weiterhin davon auszugehen, dass gegen qualitative Anforderungen an den Online-Vertrieb, die den Anforderungen an den Offline-Vertrieb entsprechen und unterschiedslos für den Verkauf in dem eigenen Webshop des autorisierten Händlers und Verkäufe über Online-Marktplätze gelten, nichts einzuwenden ist, auch wenn diese den Verkauf über Online-Plattformen wie eBay und Amazon Marketplace verbieten.
Angebot zur Vorabprüfung von Vertriebsverträgen
Überraschend bietet das Bundeskartellamt am Ende der Pressemitteilung die Vorabprüfung von Vertriebsverträgen an.
Ein Vorabprüfung von Vertriebsverträgen durch die Kartellbehörden ist seit der 7. GWB-Novelle grundsätzlich nicht mehr vorgesehen. Die Pflicht zur eigenständigen Prüfung (sog. Self-Assessment) der Zulässigkeit geplanter Vertragsgestaltungen bereitet Unternehmen insbesondere in den kartellrechtlichen Grenzbereichen häufig Schwierigkeiten und ist stets mit Unsicherheit verbunden.
Ob das Angebot zum Gespräch und einer Vorabprüfung der Vertriebsverträge durch das Bundeskartellamt hier in der Zukunft Erleichterungen bringen wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist die Durchführung eines Self-Assessments vor der Aufnahme von Gesprächen mit dem Bundeskartellamt dringend anzuraten.
Nur durch eine gründliche Vorbereitung wird es möglich sein, das Bundeskartellamt in den kartellrechtlichen Grenzbereichen von der Zulässigkeit einer geplanten Regelung zu überzeugen. Die Abstimmung der geplanten Neuregelungen mit dem Bundeskartellamt ist dann aber möglicherweise geeignet, den Unternehmen bei Umstrukturierungen ihres Vertriebssystems Rechtssicherheit zu verschaffen.