9. Juni 2020
Preiswerbung Franchisegeber Preisbindung
Kartellrecht Commercial

Preiswerbung des Franchisegebers für Franchisenehmer keine verbotene Preisbindung

Ist Preiswerbung des Lieferanten regelmäßig eine erlaubte Höchstpreisbindung?

Das OLG München hat in seinem jüngst veröffentlichten Urteil vom 7. November 2019 (Az.: 29 U 4165/ Kart) eine vom Franchisegeber initiierte Preiswerbung kartellrechtlich bewertet.

Werbemaßnahmen eines Franchisegebers als Verstoß gegen das kartellrechtliche Preisbindungsverbot angeprangert

Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung waren die bekannten Preisaktionen „King des Monats″ und „Probierwochen″ einer großen Fastfood-Kette, die Burger-Menüs und Einzel-Burger zu einem stark reduzierten Preis in Fernsehwerbespots beworben hat. Der Vertrieb der Produkte erfolgt in einem Franchisesystem: Die Betreiber der einzelnen Restaurants sind nicht konzernmäßig verbunden, sondern selbstständige Franchisenehmer. Sie verfügen über eine Lizenz zum Vertrieb der Produkte unter der Marke des Franchisegebers.

Einige Franchisenehmer sahen in den Werbemaßnahmen ihres Franchisegebers einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Preisbindungsverbot. Sie klagten dagegen vor dem Landgericht München I. Die Teilnahme an der Aktion war für die einzelnen Restaurants zwar nicht verpflichtend, der Franchisegeber hatte aber die vertraglich vereinbarten Werbekostenbeiträge teilweise zur Finanzierung seiner Preiswerbung verwendet.

Vorinstanz sieht unzulässige Preisbindung des Franchisegebers

Das Landgericht München I sah in den Werbeaktionen des beklagten Franchisegebers eine unzulässige Preisbindung der Franchisenehmer und damit eine nicht gerechtfertigte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des § 1 GWB (Teilurteil v. 26. Oktober 2018 – 37 O 10335/15). Zwar ist in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, dass bestimmte Verpflichtungen in Franchisesystemen zur Wahrung eines einheitlichen Vertriebssystems notwendig und daher bereits nicht wettbewerbsbeschränkend im Sinne von § 1 GWB sind (sog. Immanenzgedanke). So gelten insbesondere Beschränkungen bei der Weitergabe von Know-how als unerlässliche Bestandteile einer funktionsfähigen Franchisevereinbarung; Preisvorgaben zählen allerdings nicht zu dieser Ausnahme. Eine Freistellung vom Kartellverbot gemäß § 2 Abs. 2 GWB in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 VO (EU) Nr. 330/2010 (Vertikal-GVO) kam nach Auffassung des LG München nicht in Betracht, da es sich bei der Preisbindung um eine Kernbeschränkung im Sinne von Art. 4 lit. a) Vertikal-GVO handle.

Auch wenn sie rechtlich nicht dazu verpflichtet waren, sei den Franchisenehmern nach Auffassung des LG München I faktisch keine andere Wahl geblieben, als an den Preisaktionen teilzunehmen, da die massive Bewerbung der Preisaktionen eine Vielzahl von Kundengruppen ansprach, die von „ihren″ Restaurants eine Teilnahme an den Werbeaktionen erwartet hätten und die die Angebote vielfach nachgefragt hätten. Die in den Werbespots enthaltenen Hinweise auf die Unverbindlichkeit („In allen teilnehmenden Restaurants. Solange der Vorrat reicht. Unverbindliche Preisempfehlung.“), hielt das LG München I für unzureichend, weil diese für den Betrachter kaum wahrnehmbar in kleiner Schrift nur für wenige Sekunden am Ende der jeweiligen Werbespots eingeblendet waren.

Das LG München I beschäftigte sich nicht mit der Frage, ob es sich bei der Preiswerbung des Franchisegebers um eine (freistellungsfähige) Höchstpreisbindung im Sinne von Art. 4 lit. a) Vertikal-GVO handelte.

OLG München: Gruppenfreigestellte Höchstpreisbindung

Demgegenüber hat das OLG München die Preiswerbung als zulässige Höchstpreisbindung bewertet. Höchstpreisbindungen sind gem. Art. 4 lit. a) Vertikal-GVO keine Kernbeschränkung. Sie führen häufig zu günstigeren Preisen und damit zu Vorteilen für Verbraucher. Eine Freistellung vom Kartellverbot scheidet nur dann aus, wenn sich die Höchstpreisbindung infolge von Druckausübung oder Anreizen tatsächlich wie Fest- oder Mindestverkaufspreise auswirkt.

Nach Auffassung des OLG München lag ein solcher Fall nicht vor, da die Klägerinnen nicht daran gehindert gewesen seien, einen niedrigeren als den Angebotspreis anzubieten. Selbst wenn eine Unterschreitung des Angebotspreises wirtschaftlich für das konkrete Produkt nicht sinnvoll möglich gewesen sei, führe dies nach Auffassung des OLG München nicht zu einem Mindestverkaufspreis. Dies begründen die Richter damit, dass entsprechende Werbeaktionen auch weitere positive Effekte auf den wirtschaftlichen Gesamterfolg eines Franchisenehmers haben könnten, wie z.B. das Anwerben neuer Kunden.

Unbeantwortet ließ das OLG München die Frage, wieso es die betreffenden Preisaktionen ganz selbstverständlich als Höchstpreise ansah. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zur Festsetzung von Höchstpreisen gab es nicht. Auch aus der Werbung selbst ergab sich kein eindeutiger Hinweis auf einen Höchstpreis. In vergleichbaren Konstellationen hatte der BGH die Frage der Höchstpreisbindung bisher nicht thematisiert.

Dürfen nun auch Betreiber anderer Vertriebssysteme ihre Produkte mit Preisaktionen bewerben, ohne auf die Unverbindlichkeit der Preise hinzuweisen?

Die Entscheidung des OLG München deutet in diese Richtung. Allerdings handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Es gelang den Klägern schlicht nicht nachzuweisen, dass sich der Höchstpreis als Mindestverkaufspreis auswirkte und dies aufgrund von Anreizen oder Druck des Franchisegebers geschah. Eine Besonderheit des aktuellen Falles lag auch darin, dass die Parteien zur Festsetzung von Höchstpreisen keinerlei vertragliche Regelung getroffen hatten.

Die Rechtsprechung mag sich auch künftig noch mit der Frage befassen müssen, unter welchen Umständen und unter Berücksichtigung welcher Indizien von einer Höchstpreisbindung auszugehen ist und welche Anforderungen konkret an die hinreichende Darlegung von Druck oder Anreizen zur Begründung von Mindest- oder Festverkaufspreisen zu stellen sind.

Bis dahin sollte auch weiterhin auf die Unverbindlichkeit der Preiswerbung bzw. die Möglichkeit der Unterschreitung hingewiesen werden. Auch eine ausdrückliche vertragliche Regelung zur Vorgabe von Höchstpreisen kann hilfreich sein. Ausnahmsweise kann eine Preisbindung auch kartellrechtskonform sein, wenn es sich um eine zeitlich eng begrenzte Sonderangebotskampagne bspw. im Rahmen einer Produktneueinführung handelt. Auf diese enge Ausnahme kam es in der vom OLG München entschiedenen Konstellation nicht mehr an, weil das Verhalten des Franchisegebers als Höchstpreisbindung gruppenfreigestellt war.

Zu den oben genannten und weiteren vertriebskartellrechtlichen Aspekten von Franchisesystemen und von Preisbindungen siehe auch die entsprechenden Kapitel von Bauer und Duhe/Endres im jüngst erschienenen „Handbuch Vertriebskartellrecht″ (Hrsg. v. Bauer/Rahlmeyer/Schöner, 1. Aufl. 2020, C.H. Beck, München).

Tags: Franchisegeber Franchisenehmer Preisbindung Preiswerbung