22. November 2011
Kartellrecht

Referentenentwurf der 8. GWB-Novelle: Ein Blick in die Büchse der Pandora?

Wie steht es eigentlich um den kollektiven Rechtsschutz nach der 8. GWB-Novelle? Am 10.11.2011 veröffentlichte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie den Referentenentwurf der 8. GWB-Novelle. Der Entwurf setzt die im August veröffentlichten Eckpunkte um. Ein Ziel des Gesetzes soll es sein, die Position der Verbraucherverbände durch eine angemessene Beteiligung an der privaten Kartellrechtsdurchsetzung zu verbessern.

Was soll sich also am sog. kollektiven Rechtsschutz im deutschen Kartellrecht ändern? Wie schon in den Eckpunkten skizziert, sollen jetzt auch Verbraucherverbänden und Verbänden der Marktgegenseite – wie schon bisher den Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen – Unterlassungsansprüche, aber insbesondere auch Vorteilsabschöpfungsansprüche gegen Kartellrechtssünder zustehen. Der Gesetzgeber soll damit erneut Anlauf nehmen, die Anspruchsberechtigung auf diese Verbände zu erweitern. Entsprechende Versuche bei der 7. GWB-Novelle 2005 und – für Unterlassungsansprüche – bei der 4. GWB-Novelle 1980 waren gescheitert.

Was ist insbesondere von der Erweiterung der Anspruchsberechtigung für die Vorteilsabschöpfung zu halten? Nichts.

Das Ministerium verspricht sich von diesem Vorschlag (womöglich) eine Verstärkung der privaten Kartellrechtsdurchsetzung. Die Begründung des Referentenentwurfs formuliert allerdings zurückhaltender, dass die Position der Verbraucherschutzorganisationen durch eine angemessene Beteiligung an der privaten Kartellrechtsdurchsetzung verbessert werde.

 Von dem Vorschlag sind keine Impulse für die private Kartellrechtsdurchsetzung zu erwarten.

 

  • Die Vorteilsabschöpfung durch die Verbände ist weiterhin nur subsidiär zur behördlichen Vorteilsabschöpfung. Das dürfte allerdings kein großes Hindernis sein, weil die Kartellbehörden mit der in § 32 GWB-Entwurf jetzt explizit vorgesehenen, allerdings fragwürdigen Möglichkeit der Anordnung der Rückerstattung der erwirtschafteten Vorteile infolge kartellrechtswidrigen Verhaltens ein viel schärferes Schwert in die Hand bekommen hat, als es die behördliche Vorteilsabschöpfung nach § 34a GWB darstellt.
  • Die Vorteilsabschöpfung durch die Verbände ist nur auf Herausgabe des wirtschaftlichen Vorteils an den Bundeshaushalt gerichtet. Die Verbände dürfen also nicht behalten, was sie erstreiten, und können damit das Erstrittene auch nicht an die Geschädigten auskehren. Welches Interesse soll ein Verband aber haben, seine eingenommenen Mitgliedsbeiträge für nicht gerade risikoloses Prozessieren auszugeben, wenn der Verband davon, außer Ruhm und Ehre, nichts hat. Es fehlt am finanziellen Anreiz für die Verbände, Prozessrisiken auf sich zu nehmen.
  • Die Vorschriften über die Vorteilsabschöpfung sehen eine komplizierte Rückerstattungsregelung für den Fall vor, dass die Kartellrechtssünder Schadensersatz an einzelne Geschädigte leisten. Die damit verbundenen finanziellen Risiken machen die Vorteilsabschöpfung nicht attraktiver.
  • Die schon bisher anspruchsberechtigten Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen haben von dem Instrument – soweit ersichtlich – nie Gebrauch gemacht.

Wollte man an der Wirkungslosigkeit dieses Instruments etwas ändern, müssten stärkere finanzielle Anreize für die Verbände geschaffen werden, insbesondere die – kategorisch abgelehnte – Beteiligung am Erstrittenen. Eine solche könnte aber leicht zur Überincentivierung (nettes Wort) führen. Damit ist das große und ungelöste Problem des kollektiven Rechtsschutzes angesprochen – die Finanzierung. Bislang ist der Königsweg zwischen class action-Monster und der Papiertiger noch nicht gefunden.

Vielleicht will der Referentenentwurf diesen Weg gar nicht finden. So heißt es in der Begründung: „Vor dem Hintergrund der laufenden Diskussionen auf europäischer Ebene über eine Stärkung der privaten Kartellrechtsdurchsetzung ist es sinnvoll, diesen Schritt zu unternehmen„. Vielleicht geht es bloß darum, etwas zu tun, um Schlimmeres aus Brüssel zu verhindern.

Zu den Plänen des Ministeriums für den kollektiven Rechtsschutz bleibt also anzumerken: Bringt nichts, schadet aber auch nicht.

Lassen wir die Büchse der Pandora also zu.

Tags: 8. GWB-Novelle class action Kartellrecht Kollektiver Rechtsschutz Papiertiger privater Rechtsschutz Referentenentwurf Schadensersatzklagen Verbandsklage Vorteilsabschöpfung