1. November 2017
Sektorenuntersuchung
Kartellrecht

Online Vergleichsportale geraten in den Fokus des Bundeskartellamts

Von der Praxis weitgehend unbemerkt hat das Bundeskartellamt mit der 9. GWB-Novelle neue Kompetenzen im Verbraucherschutz dazu bekommen.

Nach § 32e Abs. 5 GWB kann das Bundeskartellamt bei begründetem Verdacht auf erhebliche, dauerhafte oder wiederholte Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften Sektoruntersuchungen durchführen.

Das Bundeskartellamt macht jetzt erstmalig von dieser Kompetenz Gebrauch. Es hat angekündigt, eine Sektoruntersuchung „Vergleichsportale“ aus den Bereichen Reise, Versicherungen, Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und Energie im Internet einzuleiten. Das Bundeskartellamt prüft Verstöße gegen Vorschriften zum Verbraucherschutz – namentlich Vorschriften des Lauterkeitsrechts – bei Rankings, der Finanzierung und Verflechtungen.

Sachverhaltsaufklärung: Versand von Fragebögen an Vergleichsportale geplant

Aus der Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 24. Oktober 2017 ergeben sich einige interessante Anhaltspunkte zu dem geplanten Verfahren: Das Bundeskartellamt möchte bis zum Jahresende Fragebögen an Unternehmen aus den genannten Bereichen versenden. Nach der Auswertung der Antworten durch das Bundeskartellamt und noch vor der Erstellung des Berichts sollen die betroffenen Wirtschaftskreise konsultiert werden. Ob vorab ein vorläufiger Bericht veröffentlicht werden soll, gibt die Behörde dabei nicht zu erkennen.

Klare Hinweise lassen sich der Pressemitteilung auch dazu entnehmen, welchen Zwecken die Sektoruntersuchung dient. Das Bundeskartellamt wird tätig, um den Sachverhalt aufzuklären und auf dieser Grundlage zu bewerten, ob Verstöße gegen Verbraucherschutzvorschriften begangen werden.

Abschlussbericht zur Sektoruntersuchung soll veröffentlicht werden

Das Bundeskartellamt beabsichtigt in dem Abschlussbericht zu der Sektoruntersuchung seine Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens von Rechtsverstößen zu veröffentlichen. Es möchte zugleich skizzieren, welchen Beitrag das Bundeskartellamt dazu leisten könnte, diese Rechtsverstöße abzustellen, sollte der Gesetzgeber ihm die notwendigen weiteren Kompetenzen zusprechen.

Es geht bei der Sektoruntersuchung demnach nicht darum, durch die behördliche Sachverhaltsaufklärung einen Beitrag zur nachgelagerten privatrechtlichen Rechtsdurchsetzung zu leisten. Das Bundeskartellamt stellt ausdrücklich klar, dass es im Rahmen der Sektoruntersuchung nicht gegen bestimmte Unternehmen ermittelt. Ziel ist es also gerade nicht, konkrete Rechtsverstöße durch bestimmte Unternehmen festzustellen.

Konsequenterweise stellt das Bundeskartellamt hinsichtlich der Zielsetzung klar, mit der Sektorenuntersuchung könnten

etwaige Defizite in der zivilrechtlichen und behördlichen Durchsetzung des Verbraucherrechts in diesem Bereich identifiziert werden.

Die Identifikation von Durchsetzungsdefiziten ist aber noch kein Beitrag zu ihrer Beseitigung!

Angekündigte Sektorenuntersuchung als erster Praxistest

Diese Zielsetzung der Sektoruntersuchung steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der gesetzgeberischen Intention hinter den neuen Ermittlungsbefugnissen des Bundeskartellamts, ist aber letztlich zwingend.

Ausweislich der Gesetzesbegründung zur 9. GWB-Novelle sollen die Ergebnisse von Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamts auch einen Beitrag zur Stärkung der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung leisten. Die Einrichtung einer behördlichen Ermittlungshilfe zur Vereinfachung der zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung ist aber nicht ohne entsprechende Vorgaben zum Ermittlungsverfahren und insbesondere der Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Unternehmen denkbar.

Es bleibt abzuwarten, wie das Bundeskartellamt seine neue Rolle bei der Durchsetzung des Verbraucherrechts in der Praxis interpretiert und welche Schranken die Gerichte ihm dabei möglicherweise setzen. Die nun angekündigte Sektoruntersuchung wird dabei ein erster Praxistest sein.

Tags: Sektorenuntersuchung Vergleichsportal