Es ist eine bislang nicht abschließend geklärte Frage, ob der wegen eines Kartellrechtsverstoßes in Anspruch Genommene seinem Gegner mit Erfolg den sog. pass-on-Einwand entgegenhalten kann. Hierzu hat jetzt das OLG Düsseldorf in einer aktuellen Entscheidung seine Auffassung in den Ring geworfen.
Unter pass-on versteht man eine vollständige oder teilweise Weiterwälzung des durch einen Kartellrechtsverstoß bei der direkten Marktgegenseite verursachten Schadens auf die Teilnehmer der nachgelagerten Marktstufe. Ob und unter welchen Umständen ein solcher pass-on tatsächlich erfolgt, ist nicht abschließend geklärt. Dasselbe gilt für die Rechtsfrage, ob der Einwand der Schadensweiterwälzung im Kartellrecht akzeptiert werden sollte. Der deutsche Gesetzgeber hat die Beantwortung dieser schwierigen Frage – passend zum Stichwort „pass on″ – auf die Gerichte weitergewälzt (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 2 GWB in Verbindung mit der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/3640, S. 54). In zwei Fällen von Klagen von Kunden eines Kartells gegen die Kartellmitglieder hatten das OLG Karlsruhe und das Kammergericht dem pass-on-Einwand die Anerkennung verweigert (OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.06.2010, 6 U 118/05 (Kart); KG, Urteil vom 01.10.2009, 2 U 10/03 Kart).
In dem aktuellen Fall des OLG Düsseldorf konnte sich der in Anspruch Genommene nun erfolgreich auf die pass-on defence berufen. Das OLG Düsseldorf stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des EuGH. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf betraf keinen Fall eines Kartells. Der Beklagten war vielmehr der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Forderung überhöhter Entgelte für die Durchleitung durch ihr Stromnetz vorgeworfen worden. Der Kläger war ein Stromhändler, der seinen Anspruch auch auf Art. 102 AEUV gestützt hatte.
Das OLG Düsseldorf erkannte den pass-on-Einwand an und ging im Rahmen einer Beweislastentscheidung davon aus, dass die Entgelte, deren Überhöhung es als Arbeitshypothese unterstellte, vom klagenden Stromhändler auf die eigenen Kunden als Teil des all inclusive-Strompreises weitergewälzt worden seien. Es begründete dies damit, dass die Voraussetzungen vorlagen, unter denen aus ökonomischer Sicht von einer Schadensweiterwälzung auszugehen ist: Sämtliche Nachfrager nach Durchleitung durch das Stromnetz (wie die Klägerin) waren von der – unterstellten – Überhöhung betroffen; die Nachfrage war „unelastisch″. D.h., die Nachfrager konnten nicht auf andere Anbieter ausweichen. Die Klägerin musste die – unterstellte – Überhöhung also einpreisen. Es lag dann an ihr darzulegen, wieso sie dies wider den ökonomischen Wirkungszusammenhängen nicht getan haben sollte.
Das OLG Düsseldorf sah sich in seiner Entscheidung, den pass-on-Einwand auch rechtlich zu akzeptieren, durch die Rechtsprechung des EuGH gestützt. Nach dieser Rechtsprechung muss jedermann, der von Kartellrechtsverstößen betroffen ist, auch Schadensersatzansprüche geltend machen können (EuGH, Urteil vom 20.09.2001, C-453/99 – Courage). Dies soll– so eine häufig anzutreffende Interpretation – auch für mittelbar Geschädigte gelten, also solche, auf die der Schaden weitergewälzt worden sein soll.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2010, Az. VI-2 U (Kart) 34/09.