28. November 2025
Cannabisblüte Arzneimittel Ausgangsstoff
Life Sciences & Healthcare

Cannabisblüten: Ausgangsstoff oder bereits Arzneimittel?

Uneinheitliche Regelungen schaffen Rechtsunsicherheiten. Insbesondere Apotheker sehen sich mit unterschiedlichen Prüfpflichten konfrontiert.

Die rechtliche Einstufung von Cannabisblüten, die an Apotheken zur Herstellung von Rezepturarzneimitteln geliefert werden, ist weiterhin umstritten.

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2020 (3 W 38/20) die Cannabisblüten in dem zu entscheidenden Fall als Ausgangsstoff eingestuft. Das Gericht hatte damals festgestellt, dass Cannabisblüten allein kein Arzneimittel darstellen, da wesentliche Verarbeitungsschritte wie Aufbereitung, Portionierung und Verpackung erst in der Apotheke erfolgen. 

Cannabisblüten: Uneinheitliche Einstufung und ihre Folgen

Die meisten Landesbehörden qualifizieren Cannabisblüten, die an Apotheken gesendet werden, hingegen offenbar als (Bulk-)Arzneimittel zur Herstellung von Rezepturarzneimitteln. Andere sehen sie wiederum in Übereinstimmung mit dem OLG Hamburg als Ausgangsstoffe. Teilweise scheint auch innerhalb der Bundesländer Uneinigkeit über die genauen Anforderungen an die Produkte zu bestehen. 

Dies hat zu einem „Flickenteppich an Anforderungen“ geführt, der die Verkehrsfähigkeit und Qualitätsstandards regional beeinflusst. Obwohl einige Landesbehörden eine bundesweite Harmonisierung anstreben, liegen derzeit noch keine konkreten Ergebnisse vor.

Die uneinheitliche Bewertung betrifft nicht nur Hersteller und Händler, sondern schafft insbesondere für Apotheker Rechtsunsicherheiten. So sind nach der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) unterschiedliche Prüfpflichten im Rahmen der Herstellung von Rezepturarzneimitteln zu beachten, je nachdem, ob zur Herstellung bereits Arzneimittel oder nur Ausgangsstoffe verwendet werden. Werden diese Pflichten nicht erfüllt, drohen den Apothekern insbesondere Ordnungswidrigkeiten nach §§ 22 Abs. 1, 36 Nr. 3j ApBetrO.

Cannabisblüten als Arzneimittel oder Ausgangsstoff: Rechtliche Grundlagen und Qualitätsstandards

Die Einstufung von Cannabisblüten als Arzneimittel oder Ausgangsstoff hat direkte Auswirkungen auf die anzuwendenden Qualitätsstandards für Hersteller, Händler und Apotheker. Diese ergeben sich insbesondere aus dem Arzneimittelgesetz (AMG), der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV), dem EU-GMP-Leitfaden sowie der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO).

Die Qualifizierung bestimmt insbesondere, welche Vorgaben bei der Herstellung der Cannabisblüten gelten, aus denen später in der Apotheke Rezepturarzneimittel hergestellt werden sollen:

  • Werden Cannabisblüten als Arzneimittel eingestuft, müssen Hersteller dieser Produkte die strengen Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens Teil I erfüllen.
  • Werden sie hingegen als Ausgangsstoffe oder Wirkstoffe behandelt, genügen die weniger umfangreichen Anforderungen des EU-GMP-Leitfadens Teil II.

Diese Unterscheidung entscheidet daher maßgeblich über den Umfang der (Qualitäts-)Prüfung der Cannabisblüten sowie die Dokumentations- und Sorgfaltspflichten. 

Prüfpflichten des Apothekers

Die uneinheitliche Auslegung des AMG zur Qualifizierung von Cannabisblüten stellt Apotheker häufig vor ein praktisches Dilemma, da sich die ihm obliegenden Prüfpflichten bei der Herstellung des Rezepturarzneimittels wesentlich unterscheiden.

Grundsätzlich gilt nach § 6 Abs. 1 ApBetrO, dass jedes in der Apotheke hergestellte Arzneimittel die nach der pharmazeutischen Wissenschaft erforderliche Qualität aufweisen muss. Es ist nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln herzustellen und zu prüfen. Enthält das Arzneibuch entsprechende Regelungen, sind diese verbindlich anzuwenden. Zusätzlich verpflichtet § 7 ApBetrO den Apotheker zu einer Plausibilitätsprüfung der Rezeptur, um sicherzustellen, dass die hergestellte Zubereitung hinsichtlich Dosierung, Kompatibilität, Stabilität und galenischer Zweckmäßigkeit sachgerecht ist.

Bei der konkreten Prüfung der eingesetzten Stoffe differenziert § 11 ApBetrO danach, ob es sich um Arzneimittel oder um Ausgangsstoffe handelt.

  • Werden zur Herstellung eines Rezepturarzneimittels Arzneimittel eingesetzt, ist der Apotheker nach § 11 Abs. 3 ApBetrO lediglich verpflichtet, die Identität der eingesetzten Arzneimittel festzustellen. Eine weitergehende Prüfung auf Reinheit, Gehalt oder sonstige Qualitätsmerkmale ist in diesem Fall nicht erforderlich, da die Einhaltung der erforderlichen Qualitätsstandards bereits durch den Hersteller sichergestellt und behördlich überwacht wird.
  • Werden Rezepturarzneimittel hingegen aus Ausgangsstoffen hergestellt, unterliegt der Apotheker weitergehenden Prüfpflichten nach § 11 Abs. 2 ApBetrO. Danach muss der Apotheker jeden Ausgangsstoff vor seiner erstmaligen Verwendung prüfen, und zwar mindestens auf Identität. Darüber hinaus sind auch Reinheit, Gehalt und weitere Qualitätsmerkmale zu prüfen, sofern diese Prüfungen nicht bereits durch ein aussagekräftiges Prüfzeugnis des Herstellers oder Lieferanten abgedeckt sind. 

Die Identitätsprüfung muss in jedem Fall in der Apotheke selbst durchgeführt werden. Dabei sind die anerkannten pharmazeutischen Regeln anzuwenden, insbesondere die Vorgaben des Arzneibuchs. Die Ergebnisse der Prüfung müssen dokumentiert und durch die sachkundige Person der Apotheke freigezeichnet werden. Liegt ein geeignetes Herstellerprüfzeugnis vor, kann der Apotheker auf eigene weitergehende Analysen verzichten, sofern er sich von der Zuverlässigkeit des Lieferanten überzeugt hat.

Nach der Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung, Prüfung und Lagerung von Ausgangsstoffen dürfen grundsätzlich nur GMP-konform hergestellte und geprüfte Ausgangsstoffe eingesetzt werden. Ist ein solches Produkt am Markt nicht verfügbar muss der Apotheker gemeinsam mit dem verordnenden Arzt eine dokumentierte Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen, bevor der Stoff verwendet wird.

Höhere Qualitätsstandards senken Risiken in der Rezepturherstellung

Apotheker sollten bei der Herstellung von Rezepturarzneimitteln nach Möglichkeit GMP-Teil-I-geprüfte Arzneimittel oder Ausgangsstoffe einsetzen. Diese erfüllen die höheren Qualitätsanforderungen für Fertigarzneimittel und reduzieren Prüf-, Dokumentations- und Haftungsrisiken erheblich. Werden hingegen nur GMP-Teil-II-geprüfte Ausgangsstoffe verwendet, sind eine erweiterte Prüfung, sorgfältige Dokumentation und eine Nutzen-Risiko-Abwägung gemeinsam mit dem verordnenden Arzt erforderlich. Die bevorzugte Verwendung von GMP-Teil-I-konformen Produkten entspricht damit sowohl den Vorgaben der ApBetrO als auch den Empfehlungen der Bundesapothekerkammer und trägt wesentlich zur Patientensicherheit bei.

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