20. Dezember 2024
Jahresrückblick Telemedizin
Life Sciences & Healthcare

Jahresrückblick zur Telemedizin

2024 war für die Telemedizin in Deutschland ein bedeutendes Jahr. Die wichtigsten Gesetzesänderungen und Entscheidungen im Überblick.

Am 26. März 2024 trat das Digital-Gesetz (DigiG) in Kraft. Dieses Gesetz gilt als entscheidender Schritt zur Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens und zielt darauf ab, eine patientenzentrierte und effizientere Versorgung zu ermöglichen. Das DigiG bringt grundlegende Neuerungen in der Versorgung mit digitalen Lösungen und geht mit einer deutlichen Ausweitung der telemedizinischen Möglichkeiten einher. Die Kernpunkte sind: 

Flexibilisierung von Videosprechstunden

  • Ärzte dürfen ihre vertragsärztliche Tätigkeit in Form von Videosprechstunden nunmehr auch außerhalb des Vertragsarztsitzes erbringen (§ 24 Abs. 8 Ärzte-ZV). Damit können sie Videosprechstunden aus dem Homeoffice durchführen, was mehr Flexibilität ermöglicht. Vertragsärzte müssen ihren bestehenden Pflichten zum Angebot von Mindestsprechstunden und offenen Sprechstunden aber weiterhin am Vertragsarztsitz nachkommen. 
  • Die 30%-Begrenzung für Videosprechstunden wurde aufgehoben, sodass Ärzte diese nun flexibler und umfassender einsetzen können.

Die Vergütung telemedizinischer Leistungen orientiert sich stärker an Qualitätsmerkmalen, was die Telemedizin als vollwertige medizinische Leistung stärkt.

Digitale Infrastruktur

  • E-Rezept: Ab dem 1. Januar 2024 wurde das elektronische Rezept als verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung eingeführt. 
  • Elektronische Patientenakte (ePA): Ab 2025 wird die ePA für alle gesetzlich Versicherten bereitgestellt, sofern sie nicht widersprechen (Opt-Out-Verfahren).

Niedrigschwelliger Zugang zu telemedizinischen Leistungen

  • Vermittlungssystem: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung muss ein elektronisches System errichten, das sowohl die Vermittlung von Terminen über telemedizinische Leistungen (Frist: 30. Juni 2024) als auch Behandlungstermine (Frist: 30. Juni 2025) erfasst. 
  • Assistierte Telemedizin: Versicherte können in Apotheken Unterstützung bei der Durchführung von Videosprechstunden erhalten.

Erweiterung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA): 

  • Der Leistungsanspruch wurde auf digitale Medizinprodukte der höheren Risikoklasse IIb ausgeweitet. Die Erweiterung soll einen besseren Einsatz von DiGA bei komplexeren Behandlungsverfahren, wie z. B. beim telemedizinischen Monitoring, ermöglichen.

Neue EU-Produkthaftungsrichtlinie

Das EU-Produkthaftungsrecht hat durch die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie, die am 8. Dezember 2024 in Kraft getreten ist, einige wichtige Änderungen erfahren. So umfasst der Begriff des „Produkts″ nun explizit auch (KI-)Software. Außerdem wurden für Geschädigte Beweiserleichterungen eingeführt. 

Diese Reform des europäischen Produkthaftungsrechts bedeutet eine erhebliche Verschärfung der Produkthaftung für Unternehmen und zielt darauf ab, das Schutzniveau für Verbraucher in Europa zu erhöhen. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis zum 9. Dezember 2026 in nationales Recht umsetzen. Für Produkte, die bis zur Umsetzung der neuen Richtlinie in Verkehr gebracht werden, gelten die bisherigen Regelungen.

KI-Verordnung (AI ACT)

Am 1. August 2024 ist außerdem das weltweit erste Gesetz zur Regulierung von KI, die KI-Verordnung, in Kraft getreten. Die Regulierungsstruktur der KI-Verordnung folgt einem risikobasierten Ansatz, demzufolge KI-Systeme in vier Risikokategorien eingeteilt werden. Ein großer Teil der Medizinprodukte, die künstliche Intelligenz einsetzen, sind gemäß Art. 6 (1) KI-VO als Hochrisiko-KI-Systeme einzustufen. Dies hat erhebliche regulatorische Verpflichtungen zur Folge. Diese Verpflichtungen treten grundsätzlich neben die bisherigen Pflichten aus der MDR bzw. der IVDR. Erwägungsgrund 124 sieht vor, dass im Rahmen der Konformitätsbewertung bewertet werden soll, ob die KI-Systeme auch den Anforderungen der KI-Verordnung genügen.

Ergänzend zur KI-Verordnung sowie zur neuen Produkthaftungsrichtlinie wird eine KI-Haftungsrichtlinie erwartet. Mit der geplanten KI-Haftungsrichtlinie sollen europaweit einheitliche Regeln zur außervertraglichen Haftung für Schäden durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz eingeführt werden. Das Gesetzgebungsverfahren läuft noch. 

Rechtsprechung

Die aus unserer Sicht drei wichtigsten Entscheidungen zur Telemedizin aus diesem Jahr beleuchten telemedizinische Angebote aus drei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: Gegenstand der Entscheidungen sind zum einen das Werbeverbot für Fernbehandlungen, wobei an der bekannten – restriktiven – Auslegung des Ausnahmetatbestandes des § 9 S. 2 HWG festgehalten wird. Zum anderen hat sich die Rechtsprechung in einer sehr lesenswerten Entscheidung auch mit dem Angebot von Festpreisen und dem Angebot der Lieferung an eine Kooperationsapotheke befasst. Schließlich hat auch die regulatorische Klassifizierung einer App für Hautchecks die Rechtsprechung beschäftigt und die Branche kurzzeitig in Aufruhr versetzt. Aber der Reihe nach:

OLG München zum Werbeverbot für Fernbehandlungen

Das OLG München hat mit Urteil vom 18. April 2024 (29 U 1824/23) einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Betreiberin einer Internetseite bejaht, die ärztliche Konsultationen und einen gegebenenfalls erforderlichen Medikamentenbezug über eine kooperierende Versandhandelsapotheke vermittelte. Das Angebot der Beklagten sah insbesondere vor, dass Patienten mit Erektionsstörungen einen Fragebogen ausfüllen konnten, der an in Irland ansässige Kooperationsärzte weitergeleitet wurde. Die Ärzte stellten auf Basis der Patientenangaben im Fragebogen ein Privatrezept aus und leiteten es an eine kooperierende Versandhandelsapotheke weiter, die dem Patienten das Medikament (Potenzmittel) lieferte. Eine Videosprechstunde oder ein Telefongespräch fand nicht statt.

Das Gericht sah in der Bewerbung dieses Angebots einen Verstoß gegen § 9 HWG (Werbeverbot für Fernbehandlungen). Insbesondere greife der Erlaubnistatbestand von § 9 Satz 2 HWG nicht ein.

Nach § 9 S. 2 HWG ist § 9 S. 1 HWG auf Werbung für Fernbehandlungen, die unter Verwendung von Kommunikationsmedien erfolgen, nicht anzuwenden. wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Bei der Auslegung sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des Ausnahmetatbestands der Weiterentwicklung telemedizinischer Möglichkeiten Rechnung tragen wollte und von der Einhaltung anerkannter fachlicher Standards bereits dann ausgegangen ist, wenn danach eine ordnungsgemäße Behandlung und Beratung unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich ist, so das OLG. Die Beurteilung des Vorliegens eines anerkannten fachlichen Standards richtet sich nach den für § 630a Abs. 2 BGB maßgeblichen Grundsätzen. 

Das Gericht stellt klar, dass es für die Auslegung von § 9 Satz 2 HWG dagegen nicht auf berufsrechtliche Bestimmungen ankommt, weder auf inländische noch auf ausländische.

Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht hinreichend vorzutragen vermocht, dass für eine Diagnostik und Behandlung des Beschwerdebilds der Erektionsstörung bei einer abstrakt generalisierenden Betrachtung nach den allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt, mit dem jeweils zu behandelnden Mann nicht notwendig sei.

Denn insoweit sei davon auszugehen, dass wegen der Möglichkeit psychischer Ursachen und der Indikation von (begleitenden) (psycho)therapeutischen Maßnahmen ein persönliches Gespräch zwischen Arzt und Patient grundsätzlich erforderlich ist bzw. nach den zulassungsgemäßen Fachinformationen neben der Anamnese auch eine körperliche Untersuchung vorgesehen ist, so dass nach deutschen Maßstäben der Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen des § 9 Satz 2 HWG ausgeschlossen ist.

LG Düsseldorf: Rezeptversand an Partnerapotheken und Festpreise

Das Landgericht Düsseldorf hat ein weiteres telemedizinisches Angebot auf seine Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsrecht überprüft. Mit Urteil vom 22. März 2024 (38 O 174/23) entschied es zum einen, dass einem Patienten bei einer telemedizinischen Hautbehandlung nicht ungefragt (auch) Partnerapotheken vorgeschlagen werden dürfen, weil dies seine Wahlfreiheit in unzulässiger Weise beschränke. Zum anderen wertete es das Angebot von Festpreisen für ärztliche Leistungen als Verstoß gegen gebührenrechtliche Vorgaben.

Die Beklagte bot dermatologische Fernbehandlungen in der Weise an, dass Patienten Bilder ihrer Hautveränderungen und einen von ihnen ausgefüllten Anamnesebogen hochladen und anschließend eine auf dieser Grundlage erstellte fachärztliche Diagnose mit Therapieempfehlung und gegebenenfalls ein Privatrezept erhalten. Fälle, die sich für eine rein telemedizinische Behandlung nicht eignen, werden an einen niedergelassenen Hautarzt verwiesen.

Auf der Internetseite hieß es zum Rezeptversand: „Privatrezepte und Medikamente kannst Du dir wahlweise nach Hause, zu deiner Wunschapotheke oder Partner-Online-Apotheke schicken lassen.“ Über eine von der Beklagten zur Abwicklung des Rezeptversands bereitgestellten App konnte der Patient dann zwischen dem Versand des Rezepts an eine von zwei Partner-Online-Apotheken, an sich nach Hause oder an eine von ihm zu benennende Apotheke wählen.

Außerdem konnten die Patienten zwischen drei Leistungspaketen wählen, darunter ein „Basis-Paket“, das wie folgt angeboten wurde: „Eine Hautveränderung ist kürzlich aufgetreten und Du möchtest eine hautärztliche Behandlung? Mit unserem Basis-Paket für 25 EUR hast Du zusätzlich auch die Möglichkeit, Rückfragen zur Diagnose oder Therapie zu stellen.“

Das Landgericht hielt sowohl die Nennung von Partnerapotheken als auch das Festpreisangebot für wettbewerbswidrig und leitete einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 3a UWG ab in Verbindung mit § 31 Abs. 2 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 und Abs. 2 GOÄ.

Nennung von Partnerapotheken: Werden einem Patienten im Rahmen einer telemedizinischen Hautbehandlung ungefragt zwei Partnerapotheken vorgeschlagen, an die Rezepte übermittelt werden sollen, beschränkt dies in unzulässiger Weise seine Wahlfreiheit

Die Gestaltung des Rezeptversands sei wie auch die Werbung für die telemedizinische Behandlung inhaltlich an den Anforderungen des § 31 Abs. 2 BOnrÄ zu messen: „Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte als Betreiberin der Internetpräsenz und der App selbst an die Regelungen der BOnrÄ gebunden ist. Entscheidend ist, dass mit der Internetplattform und der App der (virtuelle) Raum geschaffen worden ist, in dem (oder über den) die ärztliche (telemedizinische) Behandlung abgewickelt wird. Von daher muss dieser Raum den Erfordernissen genügen, denen der Arzt bei der Ausführung seiner Tätigkeit zu entsprechen hat.“

Durch die Gestaltung des Rezeptversands werde der Patient an die kooperierenden Online-Apotheken verwiesen im Sinne von § 31 Abs. 2 BOnrÄ, denn der Begriff umfasse jedes sich aus Sicht des Patienten als Empfehlung darstellende Verhalten.

Unerheblich sei, dass der Patient sich das Rezept auch zu sich nach Hause oder an eine von ihm benannte Apotheke schicken lassen kann. Das Gericht führt dazu aus: „Die Empfehlung eines Leistungserbringers belässt dem Patienten typischerweise die Möglichkeit, ihr nicht zu folgen und stattdessen selbst einen Leistungserbringer zu suchen. § 31 Abs. 2 BOnrÄ greift nicht erst ein, wenn dem Patienten diese Möglichkeit verstellt wird, sondern soll ihm eine freie Entscheidung ermöglichen, die nicht von (ungefragt abgegebenen) Empfehlungen beeinflusst wird.“

Der Annahme eines Verstoßes stehe ferner nicht entgegen, dass den Patienten die beiden Online-Apotheken im Vorfeld der Behandlung und vor dem eigentlichen Arztkontakt benannt werden. Die Vorschrift setze nicht voraus, dass der Arzt die Empfehlung selbst ausspricht. Wenn dem Patienten auf einer Internetpräsenz, über die er Kontakt zu einem Arzt aufnimmt, bestimmte Erbringer für von dem Arzt gegebenenfalls zu verschreibende Leistungen benannt werden, werde der Patient darin eine Empfehlung sehen.

Keine Festpreise: Ärztliche Leistungen müssen innerhalb eines Gebührenrahmens nach sachlichen Kriterien abgerechnet werden, das Angebot von Festpreisen widerspricht diesen gebührenrechtlichen Vorgaben

Nach Ansicht des Gerichts verletzt das Angebot der telemedizinischen Behandlung zum Pauschalpreis von € 25 §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und Abs. 2, 5 Abs. 1 und Abs. 2 GOÄ.

Nach den genannten Vorschriften hat der Arzt die Vergütung für von ihm erbrachte berufliche Leistungen auf der Grundlage der in der GOÄ vorgesehenen Gebühren zu berechnen. Raum für eine von der GOÄ abweichende Vergütung ist nur im Rahmen einer Vereinbarung möglich, die nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem zu treffen ist.

Das Gericht führt hierzu aus: „Dem widerspricht die auf der Internetpräsenz der Antragsgegnerin beworbene Preisgestaltung mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der telemedizinischen Dienstleistungen zu einem Festpreis von € 25. Darin liegt eine Pauschalierung der ärztlichen Vergütung vor einer Kontaktaufnahme zwischen Arzt und Patient.“

Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 20. Juni 2024 – 3 U 3/24: Klassifizierung von Software, die Informationen für diagnostische oder therapeutische Entscheidungen bereitstellt.

Das OLG Hamburg hat sich mit der Frage befasst, wie eine App für digitale Hautchecks unter der die Klassifizierungsregeln der MDR einzuordnen ist. Das Gericht hatte konkret zu prüfen, ob die Medizinproduktsoftware, die zur Erfassung und Übertragung von Patientendaten dient, die Vorgaben der MDR erfüllt, insbesondere ausreichend zertifiziert und verkehrsfähig war.

Die Antragsgegnerin bot eine App für digitale Hautchecks an, und bezeichnete die App als „CE-Gekennzeichnetes Medizinprodukt nach MDR 2017/745“ und „Medizinprodukt der Risikoklasse I gemäß Regel 11“.

Patienten konnten Hautärzten über die App Bilder ihrer Hautveränderungen und einen ausgefüllten Anamnesefragebogen schicken. Für Rückfragen der Ärzte gab es eine Chatfunktion. Die Ärzte mussten diese Funktion aber nicht nutzen und konnten auch lediglich auf Basis der Bilder und der Angaben im Fragebogen eine Diagnose und Therapieempfehlung ausstellen. 

Das Gericht entschied, dass die Software nicht als Medizinprodukt der Klasse I zu qualifizieren ist und daher nicht verkehrsfähig ist. Die streitgegenständliche App sei unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung und ihrer Funktionsweise nach Anhang VIII, Regel 11 der Medizinprodukte-VO mit Klasse I einer zu niedrigen Risikoklasse zugeordnet.

Die hier einschlägige Klassifizierungsregel 11 lautet: „Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden, gehört zur Klasse IIa, es sei denn, diese Entscheidungen haben Auswirkungen, die Folgendes verursachen können: […]. Sämtliche andere Software wird der Klasse I zugeordnet.“

Knackpunkt: Begriff des Lieferns von Informationen zu Diagnosezwecken

Die Funktionsweise der App besteht darin, vorher gesammelte und gespeicherte medizinische Informationen (Anamnese-Fragebogen, Lichtbilder von Hautveränderungen) dem Arzt zu liefern, die zu Entscheidungen für diagnostische oder therapeutische Zwecke herangezogen werden und so in den weit überwiegenden Fällen die einzige Grundlage der ärztlichen Diagnose und Therapieempfehlung darstellen. Dabei verlangt Regel 11, Alternative 1 der Verordnung nicht, dass die Software selbst Diagnosen erstellt oder Informationen generiert, produziert, hervorbringt oder herstellt, indem z. B. die Software eine eigenständige Auswertung/Analyse oder diagnostische Bewertung der mitgeteilten, gemessenen oder fotografierten Daten und Bilder vornimmt.

Die Antragsgegnerin hatte argumentiert, dass das, was die App mache, nur ein „einfaches“ Liefern bedeute, also eine bloße Übermittlung von medizinischen Informationen ohne eigene diagnostische Auswertung/Bewertung/Analyse. Deshalb sei eine einschränkende Auslegung des Wortlauts geboten. Die App sei „letztlich harmlos“, sodass andere Regelungen dafür gelten müssten.

Das Gericht sah für eine einschränkende Auslegung hingegen keinen Anlass. Nicht zuletzt spreche der seitens des EuGH kreierte Auslegungsgrundsatz des effet utile, nach dem unionsrechtlichen Vorschriften bei Auslegungszweifeln die größtmögliche Wirkung zukommen soll, gegen eine solche einschränkende Auslegung. 

Die vorgeschlagene einschränkende Auslegung würde zu erheblichen Unklarheiten und Unsicherheiten bei der Anwendung von Regel 11 führen. So sei insbesondere nicht erkennbar, wie zwischen einer „einfachen“ und einer „qualifizierten“ medizinischen Information unterschieden werden solle. 

Fazit: 2024 als janusköpfiges Jahr für die Telemedizin

Das Jahr ging aus Sicht von Anbietern telemedizinischer Angebote in Deutschland vielversprechend los: 

Mit Inkrafttreten des DigiG im März 2024 wurden die Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene sowohl für Telemedizinanbieter als auch für Patienten verbessert und telemedizinische Behandlungen als fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung etabliert. 

Gleichzeitig hat der Blick auf die europäischen Ebene aber auch ein stetig dichter werdendes Netz aus regulatorischen Verpflichtungen gezeigt. Mit der Entwicklung Schritt zu halten, die Verpflichtungen zu erfüllen und Haftungsrisiken zu minimieren, droht künftig eine immer ressourcenraubendere Aufgabe zu werden. 

Dass daneben auch die Rechtsprechung ein zentraler Einflussfaktor für das Geschäftsmodell Telemedizin ist, hat 2024 wieder einmal veranschaulicht. Die Vorgaben der Rechtsprechung an die Ausgestaltung des telemedizinischen Angebots genau zu verfolgen, ist für den Erfolg am Markt unumgänglich.

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