8. Februar 2021
Corona Selbsttest
Healthcare

Corona-Tests für Laien: Selbsttests jetzt auch für Zuhause

Weniger Abgabebeschränkungen für Corona-Tests: Auch medizinische Laien haben jetzt Zugang zu Selbsttests. Neue innovative Produkte werden auf den Markt kommen.

Es ist die bereits vierte Änderung innerhalb von vier Monaten: Die Medizinprodukteabgabeverordnung (MPAV) hat ein neues Gesicht bekommen. Die Änderung ermöglicht es Laien, Zugang zu Selbsttests zu erhalten. Außerdem zählen nun auch kritische Infrastrukturen zum Kreis der Empfangsberechtigten. 

Ausgangssituation: Die Abgabebeschränkung für Corona-Tests

Grundsätzlich existiert eine Abgabebeschränkung der MPAV: § 3 Abs. 4 S. 1 MPAV sieht vor, dass In-Vitro-Diagnostika, die für den direkten oder indirekten Nachweis eines Krankheitserregers für die Feststellung diverser Krankheiten oder Krankheitserregern – darunter auch SARS-CoV-2 – bestimmt sind, nur an bestimmte Empfänger abgegeben werden dürfen. Empfangsberechtigt sind danach Ärzte, ambulante und stationäre Einrichtungen im Gesundheitswesen, Großhandel und Apotheken, Gesundheitsbehörden, Blutspendedienste, pharmazeutische Unternehmen oder Beratungs- und Testeinrichtungen für besonders gefährdete Personengruppen. Seit kurzer Zeit zählen auch Ambulante Pflegedienste oder voll- oder teilstationäre Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünfte oder Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen und Kitas zu den berechtigten Empfängern. 

Eine Ausnahme von dieser Abgabebeschränkung besteht nach § 3 Abs. 4 S. 2 MPAV für die in Anlage 3 aufgeführten In-Vitro-Diagnostika. Diese Anlage enthielt bisher ausschließlich In-Vitro-Diagnostika für die Eigenanwendung, die für den Nachweis einer HIV-Infektion bestimmt sind. Für Corona-Tests hatte sie daher keine Bedeutung.

Kürzlich wurde das Robert-Koch-Institut in § 3 Abs. 5 MPAV berechtigt, befristet Ausnahmen von den Absätzen 4 und 4a zuzulassen. Da das Robert-Koch-Institut aber bisher nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, blieb es bei der gesetzlichen Abgabebeschränkung. 

Aufgrund dieser gesetzlichen Abgabebeschränkung war eine Abgabe von Corona-Tests an Laien bislang grundsätzlich zumindest rechtlich nicht zulässig. Ausnahmen gab es nur für Test-Kits, bei der lediglich die Probenentnahme vom Laien durchgeführt wurde, die Auswertung aber im Labor erfolgte.

Die lang erwartete Lockerung der Abgabebeschränkung

Diese Situation hat sich nun signifikant verändert. Es wurde erkannt, dass perspektivisch auch Tests zur Eigenanwendung durch Laien eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung der Pandemie spielen: Daher erhalten Laien mit Inkrafttreten von Artikel 1 der Dritten Verordnung zur Änderung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung im Rahmen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite am 3. Februar 2021 Zugang zu leicht zu handhabenden Selbsttests. 

Daneben dürfen nun die aktuell erhältlichen Tests (zusätzlich zu den bisherigen Empfangsberechtigten) auch an kritische Infrastrukturen abgegeben werden. 

Abgabe von Tests für die Eigenanwendung an Laien möglich

Die wichtigste Änderung ist, dass die Abgabebeschränkung nicht mehr für In-vitro-Diagnostika für die Eigenanwendung gilt, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmt sind, § 3 Abs. 4 S. 2 MPAV i.V.m. Anlage 3 MPAV. Damit dürfen nun auch Laien Corona-Antigentests kaufen, diese Zuhause selbst durchführen und das Ergebnis nach wenigen Minuten ablesen. Anders als teilweise im Vorfeld gefordert wurde, unterliegen die Selbsttests für Laien nicht der Apothekenpflicht.

Voraussetzung ist allerdings, dass diese Tests auch für den Gebrauch durch Laien tauglich sind. Hersteller haben sicherzustellen, dass die gesamte Anwendung – von Probenentnahme bis Ergebnisdarstellung – Laien-freundlich ist. Die Erfüllung dieser Vorgaben ist gegenüber einer Benannten Stelle nachzuweisen. Erst wenn diese im Rahmen des Konformitätsbewertungsverfahren bestätigt hat, dass die Tests die Voraussetzungen erfüllen, können sie zertifiziert in den Verkehr gebracht werden.

Erstreckung der Empfangsberechtigten auf Betriebe kritischer Infrastrukturen

Die zweite zentrale Neuerung betrifft kritische Infrastrukturen: Über die in der Verordnung bereits genannten Einrichtungen hinaus können Corona-Tests – auch die aktuell erhältlichen – an Betriebe der kritischen Infrastruktur abgegeben werden. 

Dabei handelt es sich etwa um Einrichtungen, die den Sektoren Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung, Finanz- und Versicherungswesen, Staat und Verwaltung sowie Medien und Kultur angehören. Ihnen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, Tests zu erwerben, weil sie von besonders hoher Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinwesens seien. Es gelte, Beeinträchtigungen dieser Betriebe zu vermeiden, die Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit nach sich ziehen könnten.

Folgen für Marketing und Heilmittelwerbung

Die jüngste Änderung der MPAV hat auch heilmittelwerberechtliche Implikationen. Künftig wird eine Bewerbung von Selbsttests in größerem Umfang möglich sein als bisher.

Nach § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG darf sich Werbung für Medizinprodukte außerhalb der Fachkreise nicht beziehen auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung bestimmter Krankheiten, darunter Corona.

Eine Ausnahme von diesem Verbot gilt für die Werbung für In-vitro-Diagnostika, die in Anlage 3 zu § 3 Absatz 4 MPAV genannt sind (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2).

Diese Anlage enthielt bisher ausschließlich In-vitro-Diagnostika für die Eigenanwendung, die für den Nachweis einer HIV-Infektion bestimmt sind. Die Werbung für Corona-Tests gegenüber Laien sah sich deshalb rechtlichen Hürden ausgesetzt. Durch die Aufnahme von „In-vitro-Diagnostika für die Eigenanwendung, die für den direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 bestimmt sind″ in die Anlage 3 hat sich diese Situation entspannt.

Es ist jetzt zulässig, gegenüber Laien für Corona-Tests für die Eigenanwendung zu werben.

Fazit: Neuregelungen ermöglichen eine breitere und schnelle Testung der Bevölkerung auf COVID-19

Die Erweiterung der berechtigten Empfänger um Betriebe der kritischen Infrastruktur wird sich absehbar auf die Nachfrage der aktuell erhältlichen Tests auswirken.

Auch Selbsttests für Laien werden sich einer hohen Nachfrage erfreuen. Für Hersteller wird dabei entscheidend sein, ab wann sie die Tests in Verkehr bringen können. Wie schnell ein Marktzugang für solche Tests möglich ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wann die erforderliche Zertifizierung erlangt wird. Die Herausforderung: Benannte Stellen sind derzeit stark ausgelastet. 

Alternativ ist die Möglichkeit einer Sondergenehmigung beim BfArM zu erwägen. Das BfArM kann befristet das Inverkehrbringen von Produkten gestatten, die ein vorgesehenes Konformitätsbewertungsverfahren nicht vollständig durchlaufen haben. Die praktische Erfahrung zeigt, dass dies durchaus eine Möglichkeit, gerade für innovative Produkte, sein kann.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bewerbung von Tests für die Eigenanwendung haben sich spürbar verbessert: § 12 HWG steht der Werbung für Corona-Tests für die Eigenanwendung nicht mehr entgegen.

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