2. November 2016
Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz
Öffentliches Wirtschaftsrecht

UmwRG: Erneute Ausweitung des Rechtsschutzes im Umweltrecht

Die Bundesregierung plant erhebliche Änderungen des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes. Wir geben einen Überblick zu den wichtigsten Punkten.

Der aktuelle Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben (BT-Drs. 18/95286) sieht umfassende Änderungen u.a. des UmwRG, UVPG und BNatSchG vor. Diese dienen der Umsetzung des Urteils des EuGH vom 15.10.2015 (Rs. C-137/14) sowie des Beschlusses V/9h vom 02. Juli 2014 der 5. Vertragsstaatenkonferenz zur UN ECE Aarhus-Konvention.

Anwendungsbereich des UmwRG wird erweitert

Durch die Änderungen wird die Möglichkeit einer umweltrechtlichen Verbandsklage ausgedehnt. Diese umfasst demnach auch Entscheidungen über die Annahme von Plänen und Programmen, bei denen eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann.

Darüber hinaus werden Zulassungsentscheidungen über sonstige Vorhaben erfasst, die nicht bereits als Industrieanlagen oder Infrastrukturmaßnahmen unter die Nummern 1 oder 2 fallen. Schließlich sind zukünftig Entscheidungen gegen Verwaltungsakte über Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen rügefähig, die der Durchsetzung von umweltbezogenen Rechtsvorschriften bei der Umsetzung bzw. der Durchführung von Entscheidungen im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 UmwRG-E dienen.

Rügebefugnisse von Umweltvereinigungen erweitert

Für UVP-Vorhaben entfällt künftig die Einschränkung der Rügebefugnis auf „Vorschriften, die dem Umweltschutz dienen“ ersatzlos (§ 2 Abs. 1 und 5 UmwRG-E). In der Folge kommt den Umweltvereinigungen in diesen Fällen eine umfassende objektive Rügebefugnis zu. Diese wird nur noch durch ihren satzungsgemäßen Aufgabenbereich begrenzt.

Im Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention (d.h. bei allen weiteren Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 UmwRG-E) wird an diesem Kriterium festgehalten. Hier muss die Vereinigung auch weiterhin die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.

Wegfall der Präklusion im Gerichtsverfahren bei UVP-pflichtigen Vorhaben

Der bisherige Präklusionsvorschrift des § 2 Abs. 3 UmwRG entfällt. Auch die allgemeine Präklusionsregelung des § 73 Abs. 4 S. 3 – 6 VwVfG findet im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 2 UmwRG-E keine Anwendung (§ 7 Abs. 4 UmwRG-E). Diese ausdrückliche Regelung im Gesetzestext ist nach der Gesetzesbegründung zur vollständigen und europarechtskonformen Umsetzung des Urteils des EuGH vom 15.10.2015 (Rs. C-137/14) notwendig.

Die Vorschrift bezieht sich auf alle Verfahren in § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG, die der Umsetzung der UVP-Richtlinie bzw. der IE-Richtlinie der EU dienen. Darüber hinaus bezieht sie sich auch auf die Richtlinien, deren Gerichtszugangsregelungen explizit auf die entsprechenden Bestimmungen der UVP-Richtlinie bzw. der IE-Richtlinie der EU verweisen und deshalb ebenfalls vom Urteil des EuGH erfasst werden. Die Vorschrift stellt sicher, dass insoweit die Präklusion auch für Einwendungen ausgeschlossen ist, die nicht Umweltauswirkungen, sondern andere Gesichtspunkte des Vorhabens betreffen.

Unberührt von der neuen Regelung bleibt die bereits nach geltendem Recht bestehende Berücksichtigungspflicht verspäteter Einwendungen auf Grund der Amtsermittlungspflicht der Behörde. Der Wegfall der Präklusion gilt zudem ausdrücklich nur für das Gerichtsverfahren. Der Gesetzesentwurf betont, dass der Einwendungsausschluss für das Verwaltungsverfahren nach der Entscheidung des EuGH beibehalten werden kann. 

Aufgenommen wurde zudem eine Regelung für missbräuchliches Verhalten: Nach § 5 UmwRG-E ist ein Kläger, der im Verwaltungsverfahren die Gelegenheit zur Äußerung gehabt hat, mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, deren erstmalige Geltendmachung im Rechtsbehelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. Nach der Gesetzesbegründung kann ein erstmaliges Vorbringen dann missbräuchlich oder unredlich sein, wenn der Rechtsbehelfsführer im Verwaltungsverfahren erklärt oder anderweitig deutlich gemacht hat, dass entsprechende Einwendungen nicht bestehen.

Bei Rechtsbehelfen anerkannter Umweltvereinigungen kann ein missbräuchliches oder unredliches Verfahrensverhalten etwa dann vorliegen, wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstmalige Erhebung bestimmter Einwendungen, die der Vereinigung bereits im Zulassungsverfahren bekannt waren, den Schutzanliegen und Umweltbelangen, als deren Sachwalter sich die Vereinigung versteht, zuwiderläuft. Dies wäre der Fall, wenn die Vereinigung sich, gemessen an den Zielen ihrer Satzung oder ihrer Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“, „unvernünftig“ verhält.

Verlängerung der Einwendungsfrist

Um der Öffentlichkeit einen ausreichenden Zeitraum für die Erhebung von Einwendungen zu eröffnen, sollen die Einwendungsfristen zusätzlich generell um zwei Wochen verlängert werden. Bei komplexen Zulassungsverfahren, in denen Unterlagen mit einem erheblichen Umfang gesichtet werden müssen, räumt § 9 Abs. 1d UVPG-E überdies die Möglichkeit zu einer weiteren Verlängerung der Einwendungsfrist bis zu dem Zeitpunkt ein, der auch den beteiligten Behörden für ihre Stellungnahme eingeräumt ist.

Rechtsschutz deutlich ausgeweitet

Im Ergebnis führt der Entwurf zu einer deutlichen Ausweitung des Rechtsschutzes im Umweltrecht. Zukünftig könnte eine Umweltvereinigung oder ein sonstiger Dritter Einwände gegen ein Vorhaben erst nach Genehmigungserteilung im gerichtlichen Verfahren vorbringen. Dabei kommt den Umweltvereinigungen bei UVP-Vorhaben eine umfassende objektive Rügebefugnis zu. Für Vorhabenträger nimmt die Rechtsunsicherheit damit weiter zu.

Tags: Änderungen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz UmwRG