OVG Hamburg: "Ältester Spielhallenstandort" als alleiniges Auswahlkriterium für Genehmigung zur Fortführung des Betriebs ist nicht zu beanstanden.
Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 2. Juli 2018 (Az.: 4 Bs 50/18) entschieden, dass Spielhallen, denen aufgrund der im Hamburgischen Spielhallengesetz vorgesehenen Abstandsregelung eine Erlaubnis für die Fortführung ihrer Spielhalle versagt worden ist, nicht vorläufig – bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache – geduldet werden müssen. Damit wies es den gegenteiligen Beschluss des Verwaltungsgerichts (VG) Hamburg aus der Vorinstanz zurück.
Seit dem 1. Juli 2017 gilt nach dem Hamburgischen Spielhallengesetz (HmbSpielhG) auch für Altbetriebe eine Abstandsregelung, wonach der Abstand zwischen zwei Spielhallen grundsätzlich 500 Meter nicht unterschreiten darf. Aufgrund dieser neuen Regelungen sahen sich viele Spielhallen mit geringerem Abstand zu ihren Konkurrenten mit der Frage konfrontiert: „Wer darf bleiben?″
In Antwort darauf gibt § 9 Abs. 4 HmbSpielhG derjenigen Spielhalle den Vorrang, an deren Standort bereits am längsten eine Spielhalle betrieben wird. In Umsetzung dieser Vorschrift wurde einigen Hamburger Spielhallenbetreibern die Fortführung ihres Betriebs versagt. Hiergegen wandten sich diese vor dem VG Hamburg im Hauptsacheverfahren. Außerdem ersuchten sie einstweiligen Rechtsschutz um zu erreichen, dass die Hamburger Behörde aus der Versagungsanordnung keine Maßnahmen zur Beendigung oder Sanktionierung des Weiterbetriebes ergreift, solange über die Rechtmäßigkeit der Versagung noch nicht entschieden worden ist.
VG in der Vorinstanz: Komplexe Auswahl darf nicht durch nur ein einziges Kriterium entschieden werden
Das VG Hamburg hatte in der Vorinstanz vorläufig entschieden, die Behörde müsse den Weiterbetrieb der Spielhallen bis zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens dulden. Dies begründete das VG im Wesentlichen damit, dass bei einer komplexen Auswahl aus einer Vielzahl an Spielhallen die Entscheidung nicht von einem einzigen Kriterium abhängen dürfe, das zudem (rechtlich) ungeeignet sei. Nach Ansicht des VG Hamburg war das alleinige Auswahlkriterium des Vorranges der länger bestehenden Spielhalle („Anciennitätsprinzip″) verfassungsrechtlich bedenklich. Das Prinzip verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz in Bezug auf die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit.
Das Anciennitätsprinzip habe nur deshalb seinen Weg ins Gesetz gefunden, weil der Gesetzgeber damit familiengeführte einzelkaufmännische Spielhallen habe schützen wollen. In der Realität gebe es aber fast keine familiengeführten Spielhallen. Der Gesetzgeber sei deshalb von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, weshalb das Kriterium zur Differenzierung unzulässig sei.
Das Anciennitätsprinzip stehe mit den Zielen des Glücksspielrechts – Bekämpfung von Spielsucht und Spielerschutz – nicht in Einklang, sondern überlasse es dem Zufall, welcher Betreiber seine Spielhalle fortführen dürfe. Die Erfolgschancen auf eine Genehmigung hingen maßgeblich von der örtlichen Lage der Spielhalle ab – genauer, mit wie vielen anderen Spielhallen ein Betreiber um eine Genehmigung konkurrieren müsse.
Dieser Argumentation hat das OVG Hamburg in zweiter Instanz nun eine Absage erteilt.
OVG Hamburg: Anciennitätsprinzip ist weder verfassungswidrig, noch bedarf es weiterer Kriterien zur Auswahl
Die Auswahlentscheidung der Hamburger Behörde ist laut den Entscheidungsgründen des OVG Hamburg schon deshalb nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden, weil die Ungleichbehandlung anhand des Kriteriums des älteren Spielhallenstandorts sachgerecht ist. Die Schwere des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch die Versagungsanordnung sei gesetzlich bereits zweifach abgemildert. Einerseits hätten sich die Spielhallenbetreiber durch die fünfjährige Übergangsfrist auf die Folgen der Mindestabstandsregelung einstellen können, andererseits bestehe durch die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 4 und 5 HmbSpielhG die Möglichkeit, Härtefälle von der Versagung auszunehmen.
Der Gesetzgeber habe mit dem Kriterium des ältesten Standorts auch gar keine Besserstellung von familiengeführten Spielhallenbetrieben beabsichtigt, sondern nur Nachteile ausgleichen wollen. Hätte der Gesetzgeber statt dem Kriterium des ältesten Standorts nach der ältesten Erlaubnis unterschieden, wären juristische Personen als Betreiber einer Spielhalle gegenüber Einzelkaufleuten im Vorteil gewesen. Da die Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle nach § 33i GewO personenbezogen und bei jedem Generationenwechsel in einem Inhaber geführten Betrieb deshalb neu einzuholen ist, bedürfen juristische Personen in der Regel keiner neuen Erlaubnis.
Anders als das VG sah das OVG in der Anknüpfung an das Alter des Spielhallenstandortes auch keinen Verstoß gegen die Grundsätze und Ziele des Glücksspielrechts. Auswahlkriterium und Ziele des Glücksspielstaatsvertrages bzw. des Hamburger Glücksspielhallengesetzes müssten nicht identisch sein. Es genüge, dass das Merkmal des älteren Spielhallenstandortes den Zielen der Suchtprävention und des Spielerschutzes nicht zuwiderlaufe. Eine Differenzierung danach, welche Spielhalle sich mehr oder besser gegen Spielsucht engagiere, sei viel unbestimmter und deshalb schwieriger umzusetzen. Die Lage des Spielhallenstandorts sei für den Betreiber auch nicht zufällig, sondern beruhe auf seiner bewussten Entscheidung vor Eröffnung des Betriebs.
Mit dem Abstellen auf lediglich ein Kriterium habe es sich der Gesetzgeber deshalb entgegen der Ansicht des VG nicht zu einfach gemacht. Schließlich sei das Merkmal des ältesten Spielhallenstandorts praktikabel.
Die Hoffnungen auf eine Genehmigung im Hauptsacheverfahren dürften gedämpft sein
Der Beschluss des OVG Hamburg dürfte den Spielhallenbetreibern, die beim Verfahren auf Erteilung einer Genehmigung zum Weiterbetrieb leer ausgingen, wenig Hoffnung machen. Schließlich hat das Verwaltungsgericht in der Hauptsache seine Entscheidung auf Grundlage der gleichen Vorschriften zu treffen. Es ist folglich unwahrscheinlich, dass der Rechtsschutz suchende Spielhallenbetreiber im Hauptverfahren ein neues Auswahlverfahren erreichen wird. Abgelehnte Spielhallenbetreiber werden deshalb wohl auch in ihren Hauptsacheverfahren nicht mit einer Weiterbetriebserlaubnis rechnen können.
Auch auf die Härtefallregelung können die meisten Spielhallenbetreiber wohl nicht hoffen. In dieser Hinsicht hat das OVG Hamburg betont, dass ein Härtefall insbesondere dann in Betracht kommt, wenn die Nichtfortführung der Spielhalle für den Betreiber existenzvernichtend ist. Dies dürfte bei den Hamburger Betreibern, die als juristische Personen in der Regel mehrere Spielhallen betreiben, kaum der Fall sein.