9. März 2012
Öffentliches Wirtschaftsrecht

Kommunaldarlehen: Wirklich risikolos?

Aus Sicht vieler Banken sind Kommunaldarlehen langweilige, margenschwache Nullrisiko-Ausleihungen, die überdies– zur Freude der Städte und Gemeinden – entsprechend niedrig verzinst sind. Inwieweit dies unter der Ägide von Basel III angesichts restriktiverer Verschuldungsobergrenzen, Mindestkapitalquoten und zusätzlichen Kapitalpuffern der Banken so bleiben wird, ist fraglich.

Für Experten ist eine entsprechende Verteuerung von Kommunalkrediten wahrscheinlich. Dies hätte Folgen für die kommunalen Haushalte, zumal das derzeit generell niedrige allgemeine Zinsniveau auch nicht „in Stein gemeißelt″ ist. Ein Ausweichen auf kommunale Anleihen ist nur großen Städten möglich, zumal derartige Anleihen mit nicht unerheblichen Transaktionskosten belastet sind und sich nur bei entsprechenden Volumina lohnen.

Klamme Kommunen

Hinzu kommt, dass manche Städte und Gemeinden bereits heute in einer veritablen, vielfach gar dramatischen Finanzklemme stecken. Diese Situation dürfte in den nächsten Jahren noch weiter eskalieren, da auch die Möglichkeiten der Einnahmeverbesserungen durch Erhöhung kommunaler Steuern und Abgaben oder durch Einführung von z.B. Hotelbettensteuern oder Zweitwohnungssteuern irgendwann ausgereizt sind.

Wenn dann die jeweiligen Stadtkämmerer bei Fälligkeit der Kommunaldarlehen – in der Regel kurzlaufende Kassenkredite – diese nicht zurückzahlen, sondern um eine Prolongierung bei deutlicher summenmäßiger Erhöhung bitten, wird sich mancher Bankvorstand die Frage stellen, ob diese Kommunaldarlehen wirklich ein Nullrisiko darstellen.

Nicht vorgesehener Notstand

Zwar darf es zu einem Haushaltsnotstand einzelner Städte und Gemeinden eigentlich gar nicht kommen. Die landesrechtlichen Regelungen – in der Regel die Gemeindeordnungen und Haushalts- und Kommunalfinanzgesetze für die Gebietskörperschaften – verlangen die Aufstellung kommunaler Haushalte, die in Ausgaben und Einnahmen ausgeglichen sind. Dementsprechend bedürfen diese Haushalte der Genehmigung. Eine solche Genehmigung kann bei sich abzeichnenden Haushaltsproblemen Auflagen enthalten, die Einnahmeseite zu verstärken oder bei den Ausgaben auf die Bremse zu treten. Werden diese Auflagen beharrlich verletzt und ist Gefahr in Verzug, kann letztlich das Land bzw. der Regierungspräsident das Finanzgebaren einzelner Städte oder Gemeinden über einen eingesetzten Beauftragten an sich ziehen und dafür sorgen, dass die kommunalen Verpflichtungen erfüllt werden.

„Bail-Out″ notleidender Städte und Gemeinden?

Wie aber ist die Lage, wenn gegen eine Stadt am Rande des Haushaltsnotstandes plötzlich private Gläubiger – z.B. aus einem geplatzten Cross Border Leasing-Geschäft – millionenschwere Forderungen gelten machen, die die Stadt oder Gemeinde nicht oder nicht mehr bezahlen kann? Die einzelnen Bundesländer sind oft selbst in Finanznöten, die sich angesichts von Schuldenbremsen in den einzelnen Landesverfassungen noch zuspitzen werden. Ein einfaches „bail-out″ notleidender Städte und Gemeinden aus Mitteln der jeweiligen Landeshaushalte ist nicht zu erwarten. Verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich ist dies jedenfalls nicht vorgesehen.

Die Landesverfassungen bestimmen lediglich, dass die Länder ihren Städten und Gemeinden die Mittel zur Erfüllung ihrer eigenen und übertragenen Aufgaben im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern haben. Dies erfolgt so, dass z.B. im Wege des Lastenausgleichsgesetzes Hessen die öffentlichen Mittel zwischen Land und Gebietskörperschaften aufgeteilt werden, wobei Zu- und Abschläge wegen Aufgabenschwerpunkten und/oder strukturellen Vor- oder Nachteilen gemacht werden. Mit dieser Finanzzuwendung hat eine Stadt oder Gemeinde grundsätzlich auszukommen. Eine einzelne Stadt oder Gemeinde treffende finanzielle Notlage – z.B. aufgrund kommunaler Misswirtschaft, etc. – ist prinzipiell nicht von Seiten des Landes auszugleichen.

Insolvenzverfahren kommt nicht in Betracht

In der Privatwirtschaft würden in einer solchen Situation die Gläubiger den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners, hier also der Stadt oder Gemeinde, stellen. Die Insolvenzordnung und entsprechende Landesgesetze schließen aber ausdrücklich ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gebietskörperschaft, also z.B. einer Stadt oder Gemeinde, aus (§ 12 (1) Nr. 2 InsO i.V.m. den jeweiligen Landesbestimmungen, wie z.B. § 146 Hess. Gemeindeordnung oder § 128 (1) Gemeindeordnung NRW). Die eigentlich zu erwartende gesetzliche Konsequenz, nämlich dass für den Ausfall der privatrechtlichen Gläubiger einer Stadt oder Gemeinde die ranghöhere Ebene, also in der Regel das jeweilige Bundesland, als eine Art „Gewährträger″ in Höhe einer fiktiven Insolvenzquote eine Mithaft übernehmen muss, fehlt jedoch. Private Gläubiger bekommen deshalb über diesen Weg auf ihre anerkannten oder gerichtlich festgestellten Forderungen nichts.

Privaten Gläubigern einer Gemeinde oder einer Stadt bleibt dann nur noch die Einzelzwangsvollstreckung nach den Regeln der ZPO z.B. in Geldguthaben der Gemeinde oder Stadt bei Banken oder in einzelne der Gemeinde oder Stadt gehörende Vermögensgegenstände wie Grundstücke, etc.

Beschränkung der Vollstreckungsmöglichkeiten gegen die Kommunen

Allerdings haben einzelne Landesgesetzgeber unter Berufung auf § 15 Nr. 3 EG-ZPO in ihren jeweiligen Gemeindeordnungen statuiert, dass eine Vollstreckung gegen Gemeinden oder Gemeindeverbände eine vorherige Zulassung seitens der Aufsichtsbehörde erfordert. So haben z.B. Nordrhein-Westfalen in § 128 Abs. 1 Gemeindeordnung und Sachsen in § 122 Abs. 1 Gemeindeordnung festgelegt, dass die Zwangsvollstreckung in Gegenstände, die die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Pflichten und Aufgaben benötigt oder wo überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, nicht zugelassen wird. Stattdessen bestimmt dort eine Zulassungsverfügung den Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung und den konkreten Gegenstand, in den vollstreckt werden soll.

In anderen Bundesländern, wie z.B. in Hessen oder Thüringen, ist von der Möglichkeit der vorherigen Zulassung der Zwangsvollstreckung kein Gebrauch gemacht worden. Hier hat es dann sein Bewenden bei den Regelungen von § 882 a ZPO, wonach eine Zwangsvollstreckung in kommunales Vermögen vier Wochen zuvor dem Gemeindevorstand anzuzeigen ist. Ggf. ist dann ein Rechtsstreit auszufechten (§ 766 ZPO), ob der Vollstreckungsgegenstand für die Gemeinde unentbehrlich ist oder ob öffentliche Gründe des Gemeinwohl der Zwangsvollstreckung in den jeweiligen Vermögensgegenstand entgegenstehen.

Die Aufsichtsbehörden haben hierbei freilich kein freies Ermessen und können nicht generell die Vollstreckung in das Gemeindevermögen untersagen. Ziel der genannten Zulassungs- bzw. Anzeigepflichten ist es, dass durch die Vollstreckung nicht Gegenstände betroffen werden, die für die sachgerechte und geordnete Wahrnehmung der gemeindlichen Verwaltungsaufgaben und die Versorgung der Einwohner unentbehrlich sind.

Fazit

Die Verwirklichung eines Geldzahlungsanspruchs kann den Gläubiger einer Stadt oder einer Gemeinde, die unverhofft in eine Haushaltsnotlage gerät, in erhebliche prozedurale Schwierigkeiten und langanhaltende Auseinandersetzungen verstricken. Dass dies bei näherer Betrachtung zu risikoangepassten Zinssätzen für Kommunaldarlehen führen kann, liegt auf der Hand. In den Städten und Gemeinden steigt deshalb nicht zu Unrecht die Sorge vor weiteren Belastungen der Kommunalhaushalte, die durch schlecht wirtschaftende Gemeinden oder Städte an anderer Stelle ausgelöst werden.

Tags: Bail-Out Basel III Haushaltsnotstand Kämmerer Kommunaldarlehen Kommune