12. April 2017
uft- und Weltraumrecht
Öffentliches Wirtschaftsrecht Digitale Transformation

Space 4.0 – eine neue Ära der Raumfahrt

„Space 4.0“ und „New Space“: privates Unternehmertum treibt die Entwicklung der Raumfahrt mit innovativen Geschäftsideen voran.

„Space 4.0“ ist der nächste große Schritt zur Erschließung des Weltraums. Schon die Mütter und Väter des Weltraumvertrags waren

angespornt durch die großartigen Aussichten, die der Vorstoß des Menschen in den Weltraum der Menschheit eröffnet

als sie vor 50 Jahren mit diesen Worten einen Vertragstext einleiteten, der zum rechtlichen Fundament der internationalen Staatengemeinschaft werden sollte.

Seit dem ersten Start eines Satelliten durch die Sowjetunion im Jahr 1957 hat sich viel getan: die USA sind 1969 auf dem Mond gelandet, die 70er und 80er Jahre sahen die Gründung einer ganzen Reihe von internationalen Organisationen für den Betrieb von Telekommunikations- und Erdbeobachtungssatelliten und 1998 begann der Aufbau der Internationalen Raumstation in der Erdumlaufbahn. 2003 verließ mit Voyager I erstmals eine wissenschaftliche Sonde unser Sonnensystem, 2016 nahm das europäische Satellitennavigationssystem Galileo seinen Betrieb auf und 2017 führte ein privates Unternehmen zum ersten Mal einen Start mit einer wiederverwerteten „recycelten“ Rakete durch – bis dato ein relativ teurer Wegwerfartikel.

„Space 4.0“: Digitale Transformation auch im Weltraum

Dieser kurze Abriss der Geschichte der Raumfahrt zeigt, dass Weltraumaktivitäten traditionell vor allem von nationalstaatlichen Akteuren und internationaler zwischenstaatlicher Kooperation getragen werden. Privatunternehmen nehmen in der Regel die Rolle des Auftragnehmers ein. Zwar besteht insbesondere im Telekommunikationssektor sowie bei der Nutzung satellitenbasierter Dienste bereits ein erheblicher Kommerzialisierungsgrad. Die jüngsten Entwicklungen lassen Beobachter allerdings von einer neuen Ära der Raumfahrt sprechen.

Die wachsende Zahl unterschiedlichster Akteure, die Vernetzung der Raumfahrt mit anderen Wirtschaftssektoren und die Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche entfachen eine vollkommen neue Dynamik. Vor allem privates Unternehmertum treibt die Entwicklung mit innovativen Geschäftsideen voran, was mit dem Schlagwort „New Space“ belegt ist.

Die Europäische Raumfahrtorganisation (ESA) spricht lieber von Space 4.0 um auf die vielschichtigen Aspekte des Umbruchs und den Zusammenhang mit der digitalen Transformation hinzuweisen. Satellitenbasierte Dienste wie etwa hochgenaue Positions- und Zeitangaben, Erdbeobachtung und globale Kommunikationsnetze sind aus der digitalen Welt gar nicht mehr wegzudenken. Der Bericht der Koordinatorin für die Deutsche Luft- und Raumfahrt vom März 2017 identifiziert vor allem das Internet of Things (IOT), Geoinformationsdienste, Big Data und autonome Systeme als Markttreiber.

Letztlich geht es bei New Space oder Space 4.0 um nicht weniger als den Weltraum nachhaltig in die gesellschaftliche und ökonomische Sphäre der Menschheit einzubinden.

„Space Tourism“: Reisen in den Weltraum längst Realität

Dem Tourismus wird beispielsweise auch ein großes Marktpotential nachgesagt. Suborbitalflüge – also kleine Stippvisiten im Weltraum – und mehrtägige Aufenthalte auf der ISS sind bereits Realität. Private Raumstationen absolvieren ihren Praxistest in der Erdumlaufbahn und Reisen zum Mond oder in die Tiefen des Weltraums gelten nicht mehr als Science-Fiction.

Es ist davon auszugehen, dass diese Art des Aufbruchs in den Weltraum auch unsere Gesellschaft über kurz oder lang verändern wird. Ähnlich wie bei Auslandsreisen berichten Astronauten immer wieder davon, dass es ein prägendes Erlebnis war, die Erdkugel mit eigenen Augen zu sehen.

„Space Debris“: Der Müll im Weltraum als nächste große Herausforderung

Die Entwicklung hin zu einer intensiveren und breiteren Nutzung des Weltraums stellt die Menschheit aber auch vor neue Herausforderungen. Mit menschlichen Aktivitäten im Weltraum kommt – wie überall sonst auch – der Müll. Ausgediente Satelliten, Raketen- und Trümmerteile haben sich in der Erdumlaufbahn zu einem erheblichen Risikofaktor entwickelt, der eine nachhaltige und sichere Nutzung des Weltraums in Frage stellt.

„Space Mining“: Wem gehört der Weltraum?

Auch Verteilungsfragen rücken in den Fokus: Vor allem beim Aufsuchen von Ressourcen auf Asteroiden oder anderen Himmelskörpern, das sog. Space Mining, entbrennt die Kontroverse darüber, wem der Weltraum gehört bzw. ob eine solch intensive Nutzung wie die Ausbeutung natürlicher Ressourcen überhaupt zulässig ist.

Der Weltraumvertrag verbietet zwar die nationale Aneignung des Weltraums, gewährleistet aber auch die Freiheit den Weltraum zu erforschen und zu nutzen. Es gibt inzwischen mehrere nationale Vorstöße, insbesondere von USA und Luxemburg, Ausschließlichkeitsrechte für Privatpersonen an Weltraumressourcen anzuerkennen. Das International Institute of Space Law (IISL) hat die Thematik in einem aktuellen Hintergrundpapier aufgearbeitet.

Um die Entwicklung langfristig tragfähiger Geschäftsmodelle zu fördern und den Weltraum nachhaltig zu erschließen, werden innovative Finanzierungs- und Beschaffungsmodelle, echte Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Akteuren sowie rechtliche Rahmenbedingungen benötigt, mit denen die Weichen für mutiges Unternehmertum gestellt werden, aber gleichzeitig gesamtgesellschaftlichen Interessen Rechnung getragen wird.

Bisher kein nationales Raumfahrtgesetz

In Deutschland sind Teilaspekte wie die Nutzung von Satellitenfrequenzen und Orbitpositionen im Telekommunikationsgesetz oder etwa der Betrieb und die Verbreitung von sensiblen Erdbeobachtungsdaten im Satellitendatensicherheitsgesetz geregelt. Ein nationales Raumfahrtgesetz, das u.a. Zulassungs- und Genehmigungsfragen für Weltraumaktivitäten sowie Rechtspositionen der Akteure klärt, ein angemessenes Haftungs- und Versicherungsregime etabliert und Standards für eine sichere, umweltfreundliche und nachhaltige Raumfahrt setzt, steht noch aus. Anders ist dies etwa in Österreich, wo bereits im Jahre 2011 das „Bundesgesetz über die Genehmigung von Weltraumaktivitäten und die Einrichtung eines Weltraumregisters″ verabschiedet wurde.

Ein deutsches Gesetz ist schon seit einiger Zeit in Vorbereitung und auch die EU arbeitet beispielsweise daran, Rahmenbedingungen für die kommerzielle Nutzung der für Navigation (Galileo) und Erdbeobachtung (Copernicus) bereitgestellten Infrastruktur zu etablieren. Übergeordneten Themen wie etwa das sog. Space Traffic Management, die Vermeidung von Weltraummüll oder intensive Nutzungen mit hohem Konfliktpotential wie das Space Mining verlangen zudem nach einem stabilen internationalen Konsens.

Die Ausgestaltung von New Space oder Space 4.0 lässt sich als Chance begreifen, den Weltraum für die Menschheit in einer Weise zu erschließen, um einem bereits früh gehegten Wunsch ein Stückchen näher zu kommen. 1958 verlieh die Generalversammlung der Vereinten Nationen dem Wunsch Ausdruck, dass sich

die aktuellen nationalen Rivalitäten nicht in dieses neue Feld ausbreiten

mögen.

Sehen Sie auch das Video aus der Edge Reihe zum Thema „New Space – wie private Unternehmen den Weltraum erschließen„.

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Tags: Aerospace Luft- und Weltraumrecht Space 4.0