1. März 2017
Masterplan Bauen
Real Estate

Masterplan Bauen 4.0 – hinreichender Impuls für BIM?

Mit dem Masterplan Bauen 4.0 will Deutschland im internationalen Wettbewerb weiter aufschließen. Rechtliche Hürden stehen der Digitalisierung nicht entgegen.

Niedrigere Kosten, kürzere Projektzeiten, Kooperation statt Konfrontation am Bau – die mit der digitalen Planungsmethode Building Information Modeling (BIM) verbundenen Versprechen haben eine hohe Strahlkraft. Der Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hat daher am 24. Januar 2017 den „Masterplan Bauen 4.0″ vorgelegt, mit dem der Einsatz von BIM als Kernelement der digitalen Transformation im deutschen Bauwesen weiter vorangetrieben werden soll.

Masterplan Bauen 4.0: International nicht den Anschluss verlieren

Das ist auch notwendig. Denn in Deutschland ist der Grad der Digitalisierung in der Wertschöpfungskette beim Planen, Bauen und Betreiben vergleichsweise gering. Zwar hat das Thema BIM gerade im letzten Jahr erheblich an Fahrt aufgenommen. Die tatsächliche Marktdurchdringung ist aber noch überschaubar.

Nach der im August 2015 vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation vorgestellten BIM-Studie sieht ein Großteil der Projektbeteiligten keinen Anlass, BIM einzusetzen. Immerhin bei Großprojekten setzt bereits jedes dritte Unternehmen auf BIM. Allerdings nutzen nach der Studie nur 0,5 Prozent der Beteiligten das Potential von BIM auch hinsichtlich der Möglichkeit, Zeit- und Kosteninformationen (4D und 5D) abzubilden. Jedoch lassen sich gerade beim Arbeiten in 4D und 5D die größten Vorteile der digitalen Planungsmethode abrufen.

Zudem zeigt sich in unserer Beratungspraxis, dass BIM bisher kaum über den gesamten Lebenszyklus und über alle Fachdisziplinen hinweg eingesetzt wird (sog. „BIG-BIM″). Vielmehr wird BIM überwiegend noch als „Insellösung“ innerhalb eines Büros oder einer Planungsdisziplin sowie häufig unter Einsatz nur einer Softwarelösung verwendet (sog. „Closed Little-BIM″).

Dagegen wird BIM in England, den USA und den skandinavischen Ländern bereits regelmäßig eingesetzt. In England ist die Verwendung der digitalen Planungsmethode seit April 2016 bei öffentlichen Projekten verpflichtend vorgeschrieben.

Building Information Modeling: Was BIM bedeutet

BIM beschreibt eine optimierte Arbeitsmethode zur gemeinschaftliche Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden. Den Kern bildet ein bauteilorientiertes digitales 3D-Modell, das weit über bisherige 3D-CAD-Modelle hinausgeht. Es dient als allseits synchronisierte Datenbasis.

Ziel ist es, sämtliche Abläufe und Teilaspekte zu dem Bauwerk in einem früheren Planungsstadium verlustfrei zusammenzubringen, transparent zu vernetzen und den Baubeteiligten zur Verfügung zu stellen. Dadurch sollen spätere Änderungen vermieden werden. Zeitpläne, Kosten und Risiken sollten so früher und präziser ermittelt sowie optimiert werden können.

Inhalt des Masterplans Bauen 4.0

Um BIM voranzubringen und um den drohenden Nachteilen im internationalen Wettbewerb entgegenzutreten setzt der Masterplan an fünf Bereichen an:

  1. Pilotprojekte auf allen Verkehrsträgern:
    Bisher wurde BIM nur als sog. Little-BIM-Lösung in vier Pilotprojekten getestet. Nunmehr wird BIM in 20 zusätzlichen Pilotprojekten auf allen Verkehrsträgern von der Wasserstraße bis zur Schiene erprobt. Hierfür investiert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) 30 Millionen Euro.
  1. Drohnen:
    Zudem wird der Einsatz von Drohnen zur Vermessung von Baufeldern pilotiert. Die unbenannten Flugsysteme können deutlich präzisere und kostengünstigere Messdaten liefern als herkömmliche Methoden. Auf Basis sog. Orthofotos, d.h. eines vollständig entzerrten, georeferenzierten und satellitenähnlichen Bildmosaiks der vermessenen Fläche wird ein 3D-Modell erstellt, das in das BIM-Modell übertragen wird. Der Einsatz von Drohnen soll in den BIM-Standard aufgenommen werden.
  1. BIM-Cloud:
    Das BMVI wird Daten zu physischen, physikalischen und bautechnischen Eigenschaften von Bauteilen und Materialien in einer Cloud allen BIM-Anwendern als Open Data bereitstellen.
  1. BIM-Kompetenzzentrum:
    Daneben soll das entwickelte BIM-Know-how durch ein nationales Kompetenzzentrum gebündelt werden.
  1. Gründung eines BIM-Construction Clusters:
    Schließlich ist das Ziel anvisiert, ein BIM-Exzellenzcluster zu etablieren, um einen erfolgreichen Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Wirtschaft zu generieren.

Wichtig für das Verständnis des sehr abstrakt- und kurzgehaltenen Masterplans ist es, dass dieser teilweise auf den Stufenplan „Digitales Planen und Bauen″ aufsetzt, der Ende 2015 ebenfalls vom BMVI vorgestellt wurde. Nach dem Stufenplan soll BIM nach Ablauf der bis 2017 dauernden Vorbereitungsphase und einer erweiterten Pilotphase bei neu zu planenden Projekten im Zuständigkeitsbereich des BMVI in der Regel eingesetzt werden.

Bewertung des Masterplans Bauen 4.0

Gemeinsames Ziel des Masterplans und des Stufenplans ist es, durch die positiven Erfahrungen in den Pilotprojekten und den entwickelten Standards einen breiten Marktprozess auszulösen, indem auch kleine und mittelständische Unternehmen ermutigt werden, den Schritt in Richtung Digitalisierung mitzugehen.

Dieser Ansatz ist zu begrüßen. Die Forcierung auf Pilotprojekte und eine hieran gestützte Entwicklung von Standards hat bereits in anderen Ländern, wie zum Beispiel Finnland, maßgeblich dazu beigetragen, BIM in der Privatwirtschaft zu etablieren. Denn eine zu heterogene Landschaft von verschiedenen Einzellösungen und technischen Standards schafft Untersicherheit und hemmt den Markteintritt. Entscheidend wird aber sein, dass im Rahmen der erweiterten Pilotprojekte und Forschungsmaßnahmen vor allem einige technische Probleme gelöst werden, die derzeit in der Praxis das Arbeiten mit BIM stark limitieren. Das betrifft insbesondere den (verlustfreien) Austausch der Modelldaten zwischen den Fachplanern auf Grundlage des Industry Foundation Classes (IFC)-Formats.

Leider beziehen sich die Pilotprojekte zunächst nur auf Verkehrsinfrastrukturprojekte im Zuständigkeitsbereich des BMVI. Hochbauprojekte, die besondere Anforderungen gegenüber Infrastrukturprojekten aufweisen, sind daher im Masterplan unterrepräsentiert. Eine stärkere Einbindung anderer Ministerien bei der Entwicklung von BIM – wie dem für den Hochbau zuständigen Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) – wäre wünschenswert. Unabhängig davon wird derzeit nicht geplant, BIM umfassend auf Bundes- und Länderebene zu erproben und später einmal verpflichtend bei öffentlichen Aufträgen vorzugeben. Im letzten Punkt bleibt der deutsche Weg gegenüber den Initiativen zur Implementierung von BIM in anderen Ländern deutlich zurück.

Positiv und neu gegenüber dem Stufenplan ist wiederum, dass der in der Praxis zunehmende Einsatz von Drohen gefördert wird. Denn die Vermessung stellt neben der Vorabplanung einen der wichtigsten Prozesse vor und während eines Projekts dar. Um das volle Potential dieser Technologie abzurufen und zu standardisieren, wäre es sinnvoll, in den Pilotprojekten u.a. die unbenannten Flugsysteme auch zur Bauwerksanalyse einzusetzen. Denkbar wäre etwa die Messung des Baufortschritts im Rahmen der Bauausführung oder im Rahmen des Facility Managements (z.B. die effiziente Messung von Energieverlusten oder feinsten Rissen).

Das tradierte deutsche Vertragsrecht steht der Etablierung von BIM nicht im Wege

Das deutsche Vertragsrecht steht der Verbreitung von BIM jedenfalls nicht entgegen. Allerdings stellen sich bei der Umstellung auf die BIM-Arbeitsweise zahlreiche praktische Herausforderungen, denen ein geeigneter Rahmen gegeben werden muss. Hinsichtlich der künftigen Vertragsgestaltung werden unter anderem die folgenden Themen relevant:

Vertragsstruktur:

Bereits die Auswahl des Vertragsmodells bedeutet eine zentrale Weichenstellung. Großes Potential bieten sog. Mehrparteienverträge, wie sie im angelsächsischen Ausland durchaus gebräuchlich sind. Hier wird nur ein Vertrag für das Projekt abgeschlossen, den alle Beteiligten unterzeichnen. Konzeptionell können Mehrparteienverträge dazu beitragen, Vorbehalte gegenüber einer engeren Zusammenarbeit abzubauen und insgesamt eine stärkere integrative Projektrealisierung zu fördern. Mehrparteienvertragssysteme eignen sich insoweit besonders gut, um die Spezifika der BIM-Methode abzubilden und damit die einleitend genannten Vorteile von BIM zu akzentuieren, indem sie auf eine frühzeitige Integration aller Projektbeteiligten – insbesondere auch der ausführenden Firmen – angelegt sind.

Aktuell größere Relevanz in Deutschland hat jedoch das Modell, in dem klassische Planer- und Bauverträge um BIM-spezifische Anhänge ergänzt werden und damit für alle Einzelverträge gleichermaßen gelten. So können bspw. die rechtlichen Aspekte in der Anwendung von BIM – von der Haftung, über Versicherungsaspekte bis zum Urheberrecht und Datenschutz – in einheitlichen Besonderen Vertragsbedingungen (BIM-BVB) zusammengefasst werden. Die technischen-organisatorischen Anforderungen beim Einsatz von BIM werden zumeist in einem BIM-Pflichtenheft sowie dem BIM Projektabwicklungsplan (BAP) hinterlegt. Die vernetzte Struktur der Verträge gewährleistet, dass BIM in alle Einzelverträge einfließt. Besonders wichtig für den Erfolg des Projekts sind in diesem Zusammenhang die sog. Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA), auf welche die genannten Anhänge aufsetzen. In den AIAs wird durch den Auftraggeber vorab genau festgelegt, welche Daten er wann benötigt, welche Software und Dateiformate zu nutzen sind und an welchen Übergabepunkten die Daten in das Gebäudemodell eingepflegt werden.

Kollaborationsprozesse und BIM-spezifische Leistungen:

Aufgrund des kollaborativen Ansatzes von BIM sollten unter anderem die Koordinierungs- und Integrationsaufgaben an dem gemeinsamen Modellinhalt der Projektbeteiligten vertraglich genau abgebildet werden. So ist z.B. genau festzulegen, welcher Fachplaner zu welchem Zeitpunkt und in welcher Detaillierungstiefe (Level of Detail (LOD)) das BIM-Fachmodell schuldet. Insgesamt sollte auf eine hinreichende Beschreibung der spezifischen BIM-Leistungen und widerspruchsfreier Projektrollen besondere Sorgfalt gelegt werden. Die Praxis zeigt, dass dies nicht immer gewährleistet ist.

BIM-Management:

In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu klären, welcher Akteur das BIM-Management übernimmt und wie das konkrete Leistungssoll des BIM-Managers ausgestaltet ist. Das BIM-Management koordiniert grundsätzlich übergeordnet die Einhaltung des BIM-BAP und der zeit- und formatgerechten Datenlieferung. Der BIM-Manager hat Schnittstellenkonflikte unter Anleitung der Betroffenen aufzulösen. Er kann auch mit der Kollisionskontrolle beauftragt werden.

HOAI:

Die HOAI wird teilweise als Hindernis für den Einsatz von BIM genannt. Dies beruht auf einem fehlerhaften Verständnis der Verordnung. Die HOAI ist reines Preisrecht und daher methodenneutral. Sie schreibt nicht vor, mit welchen Werkzeugen, in welcher Reihenfolge und durch welche Personen die Planungsleistungen auszuführen sind.

Allerdings ist hinsichtlich der Vergütung genau zu prüfen und ggfs. vertraglich klarzustellen, welche BIM-relevanten Leistungen dem zwingenden Preisrecht der HOAI unterliegen und welche als sog. „Besondere Leistungen“ frei verhandelbar sind. Eine solche Besondere Leistung wäre z.B. die Verknüpfung einzelner Bauteile mit Kosten- und Termininformationen, sofern dies insgesamt zu einer über die Grundleistung hinausgehenden Kosten- und Terminkontrolle führt.

Haftung:

Weitgehend unberechtigt ist die häufig geäußerte Sorge, dass durch die frühe und gleichzeitige Beteiligung mehrerer Planer die Haftungsgrenzen verschwimmen können. Beim Einsatz von BIM ändern sich die tradierten Grundsätze nicht: Jeder Beteiligte haftet für sein eigenes Verschulden im Rahmen seines Leistungssolls. Entscheidend ist, dass die jeweiligen Verantwortlichkeiten vertraglich genau festgelegt und die tatsächlichen Projektabläufe dokumentiert werden. Auch sonstige potentielle Haftungskonstellationen beim Arbeiten mit BIM – etwa Übertragungsfehler, Datenverluste oder eine fehlerhafte Verarbeitung der Ergebnisse der BIM-Clash-Detections – lassen sich durch eine hinreichende Vertragsgestaltung interessengerecht abbilden.

Urheberrecht, Nutzungsrechte und IT-Recht:

Besondere Aufmerksamkeit erfordern in der Vertragsgestaltung urheberechtliche Fragen, die Einräumung von Nutzungsrechten oder der Datenschutz. Digitale Daten können erheblich einfacher weitergegeben werden. Ferner hat eine Vielzahl von Beteiligten Zugriff auf die hinterlegten BIM-Daten. Schließlich enthalten BIM-Modelldaten sehr viel weitergehende Informationen als CAD-Daten. Aus diesem Grund sind umfassende vertragliche und technische Schutzmaßnahmen festzuschreiben und zugleich die Zugriffs- und Nutzungsrechte mit Augenmaß zu definieren.

Gesamtbewertung und Ausblick

Das BMVI geht mit dem Masterplan Bauen 4.0 den richtigen Weg – und das mit durchaus hohem Engagement, nachdem es etwas spät gestartet war. Entscheidend wird unter anderem sein, dass vor allem die derzeit noch bestehenden technischen Limitierungen gelöst werden. Ungeachtet dessen lassen die aufgezeigten Kritikpunkte an den Maßnahmen des BMVI durchaus zweifeln, ob das im Masterplan ambitioniert formulierte Ziel, „Innovationsführer“ in der Digitalisierung des Bauens zu werden, in der gegebenen Form erreicht wird. Es ist aber zu erwarten, dass zumindest auf Bundesebene und durch andere Bundesministerien wie dem BMUB weitere Maßnahmen zur Implementierung von BIM ergriffen werden. Um am Ende den Kulturwandel beim Einsatz digitaler Arbeitsmethoden erfolgreich herbeizuführen, könnte es wohl erforderlich sein, dass BIM bei öffentlichen Ausschreibungen in umfassenderem Maße und insbesondere auch auf Länderebene vorgeschrieben wird – zumindest ab einem bestimmten Projektvolumen.

Das deutsche Vertragsrecht steht der Etablierung von BIM jedenfalls nicht im Wege. Sämtliche Fragen können durch eine umsichtige Vertragsgestaltung zufriedenstellend gelöst werden. Zugleich trägt der kooperative Charakter von BIM das besondere Potential in sich, die häufig konfrontativen Strukturen zwischen den Projektbeteiligten aufzulösen und partnerschaftliche Vertragsphilosophien am Bau zu forcieren.

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