16. April 2021
Berlin Mietendeckel verfasungswidrig
Real Estate

Berliner Mietendeckel ist verfassungswidrig

Seit dem Jahr 2019 beschäftigt der Berliner Mietendeckel die Immobilienbranche. Nun liegt die lang erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit einem am 15. April 2021 veröffentlichten Beschluss entschieden, dass das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Bln, sog. „Berliner Mietendeckel″) verfassungswidrig ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 25. März 2021 – 2 BvF 1/202 BvL 4/202 BvL 5/20).

Berliner Mietendeckel wollte Wohnraummieten auf niedrigem Niveau halten

Der Berliner Mietendeckel fror die Mieten für Wohnungen, die vor dem Jahr 2014 gebaut wurden, im Februar 2020 auf dem Stand von Juni 2019 ein. Seit November 2020 mussten zudem Vermieter Mieten, die mehr als 20 % oberhalb der im Mietendeckel bestimmten Grenzen lagen, absenken. Für Verstöße wurden Bußgelder bis zu EUR 500.000 bestimmt.

Fehlende Gesetzgebungskompetenz: Regelungen der Miethöhe nicht Sache der Länder

Zur Begründung ihrer Entscheidung führen die Richterinnen und Richter in Karlsruhe aus, dass dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für Regelungen zur Miethöhe fehle.

Regelungen zur Miethöhe fielen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. In diesem Fall fehlt den Ländern die Gesetzgebungskompetenz, wenn der Bund bereits von seiner Zuständigkeit abschließend Gebrauch gemacht habe. Dieses sei mit den Bestimmungen in §§ 556 bis 561 BGB geschehen. 

Der Bund habe mit den Regelungen über die Miethöhe im Allgemeinen (§§ 556 ff. BGB) und der Mietpreisbremse im Besonderen (§§ 556d ff. BGB) für Mietverhältnisse über ungebundenen Wohnraum von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Dies gelte jedenfalls für die Festlegung der zulässigen Höchstmiete. Der Bund habe in den vergangenen Jahren mit 

teilweise sehr umfangreichen Gesetzen auf die sich verschärfende Wohnungssituation in Ballungsgebieten reagiert und versucht, mit detaillierten Regelungen einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Interessen der Vermieter und der Mieter zu gewährleisten und hierdurch die Mietpreisentwicklung in angespannten Wohnungsmärkten zu dämpfen.

Das ausdifferenzierte Regelungssystem des BGB verdeutliche, dass der Bundesgesetzgeber eine abschließende Regelung wollte. Die Länder seien daher nicht befugt, Regelungen zur Festlegung der Miethöhe zu erlassen. 

Das Bundesverfassungsgericht stellt weiter fest, dass die Mietpreisbremse und der Berliner Mietendeckel grundsätzlich denselben Gegenstand in Form des Schutzes des Mieters vor überhöhten Wohnraummieten regelten. Der Berliner Mietendeckel führe ein 

paralleles Mietpreisrecht auf Landesebene mit statischen und marktunabhängigen Festlegungen

ein.

Berlin hat stets argumentiert, die Gesetzgebungskompetenz für den Mietendeckel liege auch auf Landesebene. Die Mietpreisbremse sei privatrechtlicher Natur, da sie das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter regele. Der Mietendeckel hingegen sei auf den gesamten Wohnungsmarkt ausgerichtet und daher öffentlich-rechtlicher Gestalt. Seit der Streichung des Kompetenztitels „Wohnungswesen″ im Zuge der Föderalismusreform 2006 könnten die Länder gemäß Art. 70 Abs. 1 GG Mietpreisbestimmungen öffentlich-rechtlicher Natur erlassen. Dieser Argumentation ist das Bundesverfassungsgericht entschieden entgegengetreten.

Mieter müssen mit Nachzahlungen rechnen

Das Bundesverfassungsgericht hat den Mietendeckel für nichtig erklärt. 

Mit der Entscheidung sind sämtliche Regelungen des Berliner Mietendeckels als nicht existent anzusehen. Dasselbe gilt für sämtliche im Gesetz enthaltenen Melde- und Informationspflichten an Mieter und Verwaltung. 

Die Miethöhe in Mietverhältnissen, die vor dem Stichtag des Mietendeckels abgeschlossen wurden, bestimmt sich nun wieder nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Wurde die Miete im vergangenen November aufgrund der Regelungen des Berliner Mietendeckels abgesenkt, ist die Differenz zwischen der Miete nach Mietendeckel und der Miete nach BGB jetzt ebenfalls zu entrichten.

Mietverträge, die während der Geltung des Mietendeckels geschlossen wurden, enthalten häufig eine sog. Schattenmiete. Eine Schattenmiete legt die Miethöhe für den Fall fest, dass der Berliner Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wird. Im Mietvertrag sind dementsprechend zwei Mietpreise ausgewiesen. Sollte die Vereinbarung zur Schattenmiete wirksam abgeschlossen worden sein, ist für den Zeitraum seit Beginn des Mietverhältnisses die Schattenmiete zu zahlen.

Sind Mieterhöhungen während der Geltung des Mietendeckels wirksam geworden, so bestimmt sich die Miete grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens nach dem Mieterhöhungsverlangen. 

Für die zukünftige Bestimmung der gemäß BGB zulässigen Miete verbleiben nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts jedoch auch Unsicherheiten. Im Zuge des Inkrafttretens des Mietendeckelgesetzes verzichtete die Berliner Regierung auf die Ausschreibung des bislang alle zwei Jahre erstellen Mietspiegels. Da die Aktualität des Mietspiegels Voraussetzung für die Einordnung als „qualifizierter Mietspiegel“ ist, fehlt es aktuell an diesem Instrument für die Bestimmung der Miethöhe bei Neuvermietungen und Mieterhöhungen.

Weitere Entwicklungen auf Bundesebene sind im Blick zu behalten

Die veröffentlichte Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts sollte vorerst die nötige Rechtssicherheit für die Schaffung von weiterem Wohnraum in Berlin geben. 

Über die dem Ersten Senat vorliegenden Verfassungsbeschwerden, die unter anderem einen Eingriff des Berliner Mietendeckels in die Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG rügen, wird nicht mehr entschieden werden. Indem der Zweite Senat den Mietendeckel für nichtig erklärt hat, hat er den Verfassungsbeschwerden den Prüfungsgegenstand entzogen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte die Bestrebungen, einen Mietendeckel auf Bundesebene zu verankern, zunächst bremsen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob im Rahmen der heißen Phase des Bundeswahlkampfs die Forderungen nach einem bundesweiten Mietendeckel noch einmal lauter werden.

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