Die Klägerin war Eigentümerin eines Grundstücks in Berlin. Verfolgungsbedingt wurde das Grundstück zu Gunsten der Reichshauptstadt Berlin enteignet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Eigentum an dem genannten Grundstück in das „Volkseigentum der DDR″ überführt, sodann mit mehreren Grundstücken zu einem größeren Grundstück vereinigt und im Grundbuch unter einer neuen Flurbezeichnung geführt.
Im Jahre 1970 errichtete die damalige Deutsche Post auf dem neu gebildeten Grundstück ein mehrstöckiges „langgestrecktes Fernmeldebetriebsgebäude″ und veräußerte einige Zeit später das bebaute Grundstück an die Beklagte, die Deutsche Telekom AG. Mit bestandskräftigem Bescheid aus dem Jahre 2007 wurde das enteignete, ursprünglich im Eigentum der Klägerin stehende Grundstück restituiert. Allerdings hatte die Restitution zur Folge, dass sich ein Teil des Fernmeldebetriebsgebäudes auf dem Grundstück der Klägerin befand.
Die Klägerin verlangte für die Zeit ab Erlass des Bescheides im Jahre 2007 von der Beklagten die Zahlung einer Überbaurente gemäß § 912 Abs. 2 BGB. Die Klage hatte vor dem Landgericht nur teilweise Erfolg. Im Berufungsverfahren verfolgte die Klägerin nach teilweiser Klagerücknahme ihr Zahlungsbegehren weiter – jedoch vergeblich, denn das Berufungsgericht wies die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Mit der zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter – und bekam Recht (BGH, Urteil vom 22. November 2013 – Az V ZR 199/12).
Das Revisionsgericht teilte die Auffassung des Berufungsgerichts insoweit, als dass es die entsprechende Anwendung der §§ 912ff. BGB bejahte. Denn der hier zu entscheidende Fall steht der auf einem Eigengrenzüberbau beruhenden Fallgestaltung nahe, also dem Fall, dass ein Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke mit dem Bau auf einem dieser Grundstücke die Grenze des anderen überschreitet und die bebauten Grundstücke später in das Eigentum verschiedener Personen gelangen. Insoweit ist anerkannt, dass die zu den §§ 912 ff. BGB entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung finden.
Die Anwendung der §§ 912 ff. BGB führte jedoch in dem hier zu entscheidenden Fall zu folgendem Ergebnis: Der Sinn und Zweck der sogenannten Überbaubestimmungen besteht darin, wirtschaftliche Werte – soweit möglich – zu erhalten. Hiervon ausgehend, besteht beim Eigengrenzüberbau eine sogenannte Duldungspflicht, wonach das überbauende Gebäude vom Eigentümer des überbauten Grundstücks zu dulden ist. Ferner hat die Duldungspflicht zur Folge, dass der hinübergebaute Gebäudeteil nach den §§ 93, 94 Abs. 1, 95 Abs. 1 Satz 2, § 946 BGB nicht Bestandteil des überbauten Grundstücks, sondern wesentlicher Bestandteil des Gesamtgebäudes und damit des anderen Grundstücks des Bauenden wird.
Nach den tatrichterlichen Feststellungen befand sich der größere Teil des Fernmeldebetriebsgebäudes auf dem Grundstück der Beklagten, mit der Folge, dass das Gebäude insgesamt in das Eigentum der Beklagten übergegangen war. Die Klägerin hatte jedoch die Überbauung ihres Grundstücks gemäß § 912 Abs. 1 BGB zu dulden – im Gegenzug hierfür stand ihr eine Geldentschädigung zu.
Anders als das Berufungsgericht meinte, kommt es für die Berechnung der Überbaurente nicht auf die Grundstückswertverhältnisse im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes, sondern auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Grundstücksteilung an. Im unmittelbaren Anwendungsbereich der Bestimmungen zum Überbau, wenn also der Eigentümer bei der Errichtung des Gebäudes über die Grenze hinweg auf das ihm nicht gehörende Nachbargrundstück baut, fallen der Zeitpunkt der Grenzüberschreitung und der der Errichtung des Baus zusammen.
Dementsprechend sind auch in einem solchen Fall für die Bemessung der Rentenhöhe die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Errichtung des Baus zugrunde zu legen (§ 912 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dies entspricht § 915 BGB, der für die Bemessung des Wertersatzes der überbauten Grundstücksfläche bei einem verlangten Ankauf ebenfalls auf den Zeitpunkt der Grenzüberschreitung abstellt.
Diese Grundsätze sind jedoch nach Auffassung des Revisionsgerichts auf Fälle der nachträglichen Teilung eines bereits bebauten, einheitlichen Grundstücks nicht anwendbar, denn in diesen Fallkonstellationen wird die dem Überbau oder Eigengrenzüberbau entsprechende tatsächliche Situation erst durch die Aufteilung des Grundstücks geschaffen und damit die entsprechende Anwendung der §§ 912ff. BGB gerechtfertigt. Auch die gesetzgeberische Intention geht dahin, dass für die Höhe der Rente die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend ist, sodass für die Bemessung der Rente auf den Zeitpunkt der Teilung des Grundstücks abgestellt werden muss. Dies entspricht im Übrigen auch dem Zweck der Überbaurente: Es soll ein Ausgleich für den durch die Grenzüberschreitung hervorgerufenen Verlust der Bodennutzung geschaffen werden.