Änderungen eines Grundstückskaufvertrages nach bindend gewordener Auflassung sind vor Eigentumsumschreibung formlos möglich.
In der Praxis stellt sich immer wieder die Frage, ob nachträgliche Änderungen des notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrages beurkundungspflichtig sind. Änderungen und Ergänzungen eines schon beurkundeten, aber noch nicht im Grundbuch vollzogenen Vertrages sind grundsätzlich nach § 311b Abs. 1 BGB formbedürftig.
Ausgenommen hiervon sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH (zuletzt Urteil v. 28. September 1984 – V ZR 43/83) solche Änderungsvereinbarungen, die zeitlich nach der bindend wirksam gewordenen Auflassung getroffen wurden. Begründung hierfür ist, dass die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der erklärten Auflassung erfüllt worden ist und deshalb nicht mehr besteht.
OLG Stuttgart: Änderungsvereinbarung beurkundungspflichtig, selbst wenn im Kaufvertrag Auflassung erklärt wurde
Diese Ausnahme stößt im Schrifttum schon seit langem auf erhebliche Kritik, der sich das OLG Stuttgart (Urteil v. 26. September 2017 – 10 U 140/16) mit einem viel beachteten Urteil angeschlossen hatte.
In dem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall änderten die Parteien eines Grundstückskaufvertrages nachträglich mit schriftlicher Änderungsvereinbarung den Kaufpreis. Im Kaufvertrag hatten die Parteien die Auflassung erklärt und der Käufer hatte die Eigentumsumschreibung beantragt. Der Notar wurde angewiesen, eine die Auflassungserklärung enthaltende beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung erst zu erteilen, wenn die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen wurde.
Abweichend von der ständigen Rechtsprechung des BGH hielt das OLG Stuttgart die Änderungsvereinbarung auch dann für beurkundungspflichtig, wenn die Parteien bereits im Rahmen des Kaufvertrages die Auflassung erklärt haben.
BGH-Rechtsprechung nicht mehr zeitgemäß
Die Kritiker werfen dem BGH vor, dass seine Rechtsprechung dem Sinn und Zweck des Beurkundungszwangs zuwiderläuft. Dieser liegt unter anderem im Schutz des Veräußerers vor übereilter Preisgabe des eigenen Grundstücks und des Erwerbers vor übereiltem Erwerb und vor dem Eingehen zu unangemessenen Bedingungen (Warn- und Schutzfunktion) sowie dem Beweis der getroffenen Vereinbarung (Beweisfunktion). Dieser Zweck ist bei Änderung eines notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrags zwischen Auflassungserklärung und Eintragung im Grundbuch nicht verloren gegangen und besteht nach wie vor fort.
Ferner wird der Rechtsprechung des BGH entgegengehalten, dass sie nicht mehr zeitgemäß sei, weil sich die Schutzbedürftigkeit von Verkäufer und Käufer im Laufe der Jahre zunehmend geändert hat. Das OLG Stuttgart verweist in diesem Zusammenhang auf eine „moderne“ Vertragsgestaltung der Auflassung. Der Auflassung komme nicht mehr – wie ursprünglich vom Gesetzgeber bedacht – die Rolle des sogenannten „Schlusspunkts“ eines Grundstücksgeschäfts zu, indem sie die Richtigkeit der zwischen den Kaufvertragsparteien schuldrechtlich getroffenen Abreden in einer separat errichteten Vollzugsurkunde bestätige. Stattdessen sei es heute gängige Praxis, dass die Auflassung bereits im Grundstückskaufvertrag erklärt werde und der Verkäufer mit Hilfe von vollzugstechnischen Abreden (z. B. Ausfertigungssperre oder Bewilligungslösung) den Eigentumsübergang auf den Käufer vor Kaufpreiszahlung verhindere. Das Argument des BGH, die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung sei mit der Auflassung in vollem Umfang erfüllt und bestehe nach erklärter Auflassung nicht mehr, greife somit heutzutage nicht mehr.
BGH: Keine Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 311b Abs. 1 S. 1 BGB
Der BGH (Urteil v. 14.09.2018 – V ZR 213/17) hat das Urteil des OLG Stuttgart aufgehoben und den Kritikern an seiner Rechtsprechung eine Absage erteilt. In diesem Zusammenhang würdigte der Senat die vom OLG Stuttgart geäußerte Kritik an seiner Rechtsprechung ausgiebig, hielt im Ergebnis jedoch an seiner Rechtsprechung fest.
Nach dem BGH bedürfen die Parteien des Schutzes des § 311b Abs. 1 BGB nicht mehr, wenn dessen Zweck erreicht ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn die schuldrechtlichen Erklärungen der Parteien beurkundet und die für die angestrebte Rechtsänderung erforderlichen (dinglichen) Erklärungen in bindender Form abgegeben wurden. Eine solche Bindungswirkung tritt nach § 873 Abs. 2 BGB unter anderem mit notarieller Beurkundung der Auflassung ein. Eine Ausnahme besteht nur, wenn durch die Änderung eine Erwerbs- oder Veräußerungspflicht geändert oder neu begründet wird.
Erfüllung der Verpflichtung zur Eigentumsübertragung
Der BGH gibt weiterhin zu erkennen, dass es für die Frage der Formbedürftigkeit von nachträglichen Änderungen nicht auf die Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ankomme, da unter Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB die Erbringung des Leistungserfolgs zu verstehen sei. Dieser trete erst mit der Eintragung ein und kann somit von den Vertragsparteien aus Rechtsgründen nicht erbracht werden, da es sich um eine behördliche Tätigkeit handelt.
Aus diesem Grund ist nach dem BGH darauf abzustellen, dass die Parteien alles getan haben, um den Eigentumswechsel zur Eintragung bringen. Dies sei bei einer bindend gewordenen Auflassung der Fall, da es sich hierbei um eine unwiderrufliche Leistungshandlung handele. Dies gelte auch dann, wenn der Vollzug der Kaufpreiszahlung durch Anweisung der Kaufvertragsvertragsparteien gesperrt ist, da diese vollzugstechnische Abrede nichts daran zu ändern vermag, dass die Auflassung vorbehaltlos und verbindlich erklärt wurde.
Anwendung der notariellen Form führt zur Rechtsunsicherheit im Rechtsverkehr
Der BGH verwies zudem darauf, dass eine Anwendung der notariellen Form eine Rechtsunsicherheit im Rechtsverkehr mit sich bringe. Ein Formmangel bei nachträglichen Abänderungen des Grundstückskaufvertrages führe im Zweifel nach § 139 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages mit allen Nebenabreden. Zwar könne diese Vermutung widerlegt werden, allerdings bestehe bis dahin eine Unsicherheit über die Wirksamkeit des Grundstückskaufvertrages. Diese Unsicherheit kann auch nicht durch die Heilungsvorschrift des § 311b Abs. 1 S. 2 BGB behoben werden, da diese bei einer Formunwirksamkeit wegen der nachträglichen Änderung nicht greift.
Klarstellung zu begrüßen – Folgen für die Praxis gering
Die seit dem Urteil des OLG Stuttgarts herrschende Rechtsunsicherheit in der Gestaltungspraxis hat nunmehr ein Ende. Mit dem Abstellen auf die Bindungswirkung der Auflassung hat der BGH klar zu erkennen gegeben, dass seine jahrzehntelange Rechtsprechung auch in der „modernen“ Vertragsgestaltung noch gilt.
Die Klarstellung ist zu begrüßen, da in der Praxis nachträgliche Abänderungen vor Eigentumsumschreibung unter Kostengesichtspunkten nur selten notariell beurkundet wurden. Diese Praxis bedarf somit keiner Umstellung. Positiv ist ebenfalls zu werten, dass der BGH erkannt hat, dass ein Wandel seiner Rechtsprechung schlimmstenfalls zur Folge gehabt hätte, dass eine Vielzahl von Grundstückskaufverträgen nichtig wäre. Dieses Risiko besteht nun im Interesse der Rechtssicherheit nicht mehr.