Die Grundsteuerreform schreitet voran. Jeder fragt sich, was bedeutet das für mich? - Wer zahlt mehr, wer zahlt weniger? Es betrifft uns alle, als Eigentümer und Mieter.
Nach der ersten Beratung im Bundestag (27. Juni 2019) zeichnet sich ab, dass es hochkompliziert werden wird. Einheitlich einfache Berechnungen wird es nicht geben. Als Basis für die Grundsteuer sollen Wert oder Fläche dienen, jedes Bundesland soll ein eigenes Modell erwägen dürfen (Stichwort: „Öffnungsklausel″ – für die auch noch eine Grundgesetzänderung auf den Weg gebracht werden soll).
Komplizierter Berechnungsdschungel
Das Institut für Finanzen und Steuern (Scheffler/Hey, ifst-Schrift 530 – 2019) hat ausgerechnet, dass es allein schon beim vom Finanzministerium propagierten Wertmodell mindestens 8.640 (!) Einordnungsvarianten geben wird. Im Ergebnis könnten dann in Deutschland tausendfach differenzierte Berechnungsvarianten zur Anwendung kommen.
Jedenfalls die Sachverständigenbranche für Immobilienbewertungen und die Finanzjustiz werden sich in Folge über zu wenig zusätzliche Beschäftigung mit diesem Thema nicht beklagen müssen.
Da hilft es wenig, wenn der Finanzminister damit zitiert wird, dass das Steueraufkommen dadurch insgesamt nicht steigen solle, obwohl es in den letzten Jahrzehnten erhebliche Wertsteigerungen gab. So etwas interessiert den Einzelnen eher weniger, denn eines ist sicher: Da der Status quo vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, muss sich etwas ändern und es wäre schon ein großer Zufall, wenn ausgerechnet das eigene betroffene Grundstück davon unberührt bliebe. Und so genau wird das vorab auch niemand beantworten können, weil die jeweiligen Berechnungsfaktoren doch sehr komplex sind.
Unterschiedlichste Parameter
Wie sich im Einzelfall die Änderung berechnet, wird dann davon abhängen, welches konkrete Berechnungsmodell den Finanzbehörden am Ort des Grundstücks vorgegeben werden wird.
Beim Wertmodell müssen dazu Parameter und Faktoren wie Gebäudeart, Wohnungsgröße, Baujahr, Mietniveaustufe, Nettokaltmiete, Großstadtlage, ggf. Bodenrichtwertzone erfasst, mitgeteilt und dann in komplizierte Berechnungsmodelle eingegeben werden. Über deren Richtigkeit (und Gerechtigkeit) wird man im Einzelfall trefflich streiten können. Das Flächenmodell bietet in puncto Richtigkeit der Bemessungsgrundlage insoweit weniger Angriffsfläche, aber dieses wird bisher nur von einzelnen Bundesländern favorisiert. Verläuft in einer einheitlichen Region die Grenze zweier Bundesländer, könnten Grundstücke in benachbarten oder ähnlichen Stadtteilen im Ergebnis völlig unterschiedlich bewertet werden.
Die Grundsteuerreform schreitet voran. Jeder fragt sich, was bedeutet das für mich? – Wer zahlt mehr, wer zahlt weniger? Es betrifft uns alle, als Eigentümer und Mieter.
Man kann einen Steuerbescheid natürlich anfechten: Der wahre Wert eines Grundstücks zeigt sich aber meistens erst bei einer Beleihung oder einem Verkauf. Solche Markttransaktionen sind noch dazu wenig transparent.
Inzwischen gibt es in Deutschland einige Anbieter, die fundierte, auf Vergleichswerten basierende Indikationen kostengünstig liefern können, weil sie schon seit längerem solche Transaktionsdaten bundesweit sammeln und auswerten. Angesichts zersplitterter kommunaler Datensammlungen und deren unterschiedlicher Handhabung, solche Daten effizient und kostengünstig öffentlich zugänglich zu machen (vgl. zu Bodenrichtwerten: § 196 Abs. 3 BauGB), ist das aber derzeit noch nicht für jeden Anbieter ganz einfach. Zusätzlich gibt dafür aber auch schon lange zertifizierte Sachverständige.
Neue Prozessflut absehbar
Wer jemals streitige Bewertungsprozesse geführt hat, kann sich gut vorstellen, was dies für zukünftige Steuerverfahren bedeuten wird. Zu erwarten ist eine Prozessflut mit ratlosen Steuerpflichtigen und Gerichten, wie alle erforderlichen Informationen dann überprüft werden sollen.
Der Referentenentwurf hat den Aufwand für den Steuerpflichtigen und dessen Mitwirkung auf wenige Euro pro wirtschaftliche Einheit geschätzt. Das dürfte stark untertrieben sein.