Der EuGH hat sich zu den vergaberechtlichen Anforderungen an Unternehmen geäußert, die miteinander verbunden sind.
Gegenstand des Verfahrens (Urteil vom 17. Mai 2018 – C-531/16) war die Ausschreibung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Sammlung kommunaler Abfälle in Litauen. In dem Verfahren hatten vier Bieter Angebote abgegeben. Zwei der Bieter sind Tochtergesellschaften eines Unternehmens, das 100 % bzw. 98,12 % der Anteile dieser Gesellschaften hält. Die Verwaltungsorgane der Gesellschaften sind identisch besetzt.
Nationales Recht und die Verdingungsunterlagen sehen keine Verpflichtung zur Offenlegung dieser Verbindung vor. Eine der beiden Tochtergesellschaften erhielt den Zuschlag. Hiergegen hat der zweitplatzierte Mitbewerber Klage eingereicht. Er macht u.a. geltend, die miteinander verbundenen Gesellschaften hätten als Gruppe verbundener Unternehmen behandelt werden müssen. Ihre Angebote seien Varianten, und da die Einreichung alternativer Angebote nicht vorgesehen war, hätte der Auftraggeber die Angebote beider Bieter ausschließen müssen.
Keine Verpflichtung zur Offenlegung von Schwestergesellschaften
Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob nach Unionsrecht eine Verpflichtung zur Offenlegung der Verbindung zwischen den beiden Schwestergesellschaften bestand. Dies verneint der EuGH. Eine solche Pflicht sei nicht in der Richtlinie vorgesehen und lasse sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen ableiten.
Die Verpflichtung zur Offenlegung der Verbindung zu anderen Gesellschaften müsste den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung entsprechen. Das mache es erforderlich, die Anforderungen an die Angaben, die ein Unternehmen im Vergabeverfahren machen muss, eindeutig festzulegen und öffentlich bekannt zu geben. Nur so können Bewerber genau erkennen, welche Bedingungen sie zu beachten haben.
Aber: Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Nachprüfung der Angebote auf Unabhängigkeit
Mit den sonstigen Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Auftraggeber zur Nachprüfung verpflichtet ist, ob die Angebote tatsächlich unabhängig sind.
Der EuGH bejaht eine solche Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, wenn objektive Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Eigenständigkeit der Angebote aufkommen lassen. Dies leitet der Gerichtshof aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung her, da sich die Bieter, die abgesprochene oder abgestimmte Angebote einreichen, ungerechtfertigte Vorteile verschaffen. Dem Auftraggeber kommt dabei eine aktive Rolle zu: Er muss etwaigen Zweifeln nachgehen und gegebenenfalls Nachweise fordern, um Interessenkonflikte zu verhindern, aufzudecken und zu beheben.
Aus dem Effektivitätsgrundsatz sei herzuleiten, dass ein Verstoß gegen EU-Vergaberecht auch vorliege, wenn nicht nur unmittelbare Beweise für abgestimmte Angebote vorliegen, sondern nur Indizien, sofern diese objektiv und übereinstimmend sind. Miteinander verbundenen Bietern müsse allerdings die Gelegenheit eingeräumt werden, den Beweis des Gegenteils zu erbringen. Allein der Umstand, dass durch entsprechende Stimmverhältnisse ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, erlaube nach Ansicht des EuGH noch nicht den automatischen Ausschluss dieser Unternehmen. Vielmehr bedürfe es der Feststellung, ob sich ein solches Verhältnis auf das Verhalten der Unternehmen im Rahmen des Verfahrens konkret ausgewirkt habe.
Praxistipp: Konkrete Informationen in den Vergabeunterlagen abverlangen
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung, die sich auf der bisherigen Linie des EuGH befindet, ist öffentlichen Auftraggebern anzuraten, entsprechende Informationen konkret in den Vergabeunterlagen anzufordern. Dabei ist darauf zu achten, dass die Anforderungen nicht überzogen werden. Insbesondere bei Großkonzernen können solche Forderungen einen erheblichen Aufwand erzeugen.
Miteinander verbundene Unternehmen stehen nicht unter einem Generalverdacht. Soweit Konzernunternehmen unabhängig voneinander bei gleichen Vergabeverfahren mitbieten wollen, empfiehlt es sich dessen ungeachtet, dass die Unternehmen die Eigenständigkeit der jeweiligen Angebotserarbeitung und -abgabe sauber organisieren und dokumentieren. Dann kann auf entsprechende Anfragen von Vergabestellen schnell und verlässlich reagiert werden.