29. November 2021
Koalitionsvertrag Homeoffice remote Arbeit
Ampel 21 – Auswirkungen des Koalitionsvertrages

Koalitionsvertrag: Homeoffice und mobile Arbeit

Es ist amtlich: Die Ampelkoalition hat sich (koalitions-)vertraglich gebunden. Was das für das Thema „Homeoffice und mobile Arbeit“ bedeutet, stellen wir nachfolgend dar.

Die Forderung der FDP, den rechtlichen Rahmen von Homeoffice-Arbeit den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen und den für mobile Arbeitsplätze geltenden Vorschriften anzugleichen, hat sich durchgesetzt. So heißt es im Koalitionsvertrag hierzu, dass Homeoffice als eine Möglichkeit der mobilen Arbeit von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung abgegrenzt werden soll.

Auch wenn noch nicht klar ist, wie dies im Detail umgesetzt werden soll, ist es eine gute Entscheidung, da sie zur Rechtssicherheit beiträgt und den Arbeitsvertragsparteien Flexibilität ermöglicht.

Kein Anspruch auf dezentrales Arbeiten 

Den insbesondere seitens der SPD geforderten Rechtsanspruch auf mobile Arbeit bzw. Homeoffice wird es in dieser Legislaturperiode nicht geben. Aber Beschäftigte* erhalten einen Erörterungsanspruch – ein Ansatz, der sich bereits im aktuellen Entwurf eines Gesetzes zur mobilen Arbeit (Mobile-Arbeit-Gesetz – MAG) niedergeschlagen hat. Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn betriebliche Belange entgegenstehen. Dies bedeutet, dass eine Ablehnung durch den Arbeitgeber nicht sachfremd oder willkürlich sein darf. Es bedeutet aber unter Berücksichtigung des Wortlauts auch, dass in der Person der bzw. des Beschäftigten vorhandene Gründe keinen Widerspruchsgrund darstellen können, was aus unserer Sicht zwingend wäre.

Für die HR-Welt ist hiermit ein nicht unerhebliches Mehr an Verwaltungsaufwand verbunden. Und die Arbeitsgerichtsbarkeit wird gefragt sein, um dem unbestimmten Rechtsbegriff der „betrieblichen Belange“ Kontur zu verleihen. Welche Tätigkeiten für die mobile Arbeit bzw. das Homeoffice geeignet sein sollen, bleibt offen. Denkbar ist hier die Anknüpfung an die in den Corona-Schutzbestimmungen enthaltene, aber ebenso wenig konkrete Begrifflichkeit „Büroarbeiten und vergleichbare Tätigkeiten“.

Öffnung für tarifliche und betriebliche Regelungen

Der Koalitionsvertrag stellt ausdrücklich fest, dass für abweichende tarifliche und betriebliche Regelungen Raum bleiben muss. Eine richtige und wichtige Weichenstellung, damit ein angemessener Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Beschäftigten, den betrieblichen Umständen und den Arbeitgeberinteressen gefunden werden kann. 

Freiwilligkeit von mobiler Arbeit bzw. Homeoffice

Auch wenn den Beschäftigten ein Erörterungsanspruch zusteht, bedeutet dies nicht, dass der Wunsch nach mobiler Arbeit bzw. Homeoffice einseitig umgesetzt werden kann. Denn der Arbeitgeber hat gerade die Möglichkeit, diesem Wunsch zu widersprechen

Es besteht daher kein Durchsetzungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber, aber auch keine Pflicht des Beschäftigten, von zuhause aus zu arbeiten.

Arbeitsschutz, Arbeitsumgebung, Aufteilung von zentralem und dezentralem Arbeiten

Nach dem Verständnis der Ampelkoalition sind Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes wichtige Voraussetzungen bei mobiler Arbeit. Eine wichtige Botschaft, bei der es abzuwarten gilt, ob und, wenn ja, wie diese Voraussetzungen sowie die Erklärungen, dass die Beschäftigten hierbei durch den Arbeitgeber informiert, beraten und angemessen unterstützt werden müssen, umgesetzt werden. 

Klar ist bereits jetzt, dass auch für die mobile Arbeit bzw. das Homeoffice die arbeitsrechtlichen Schutzgesetze (z.B. Arbeitszeitgesetz, Arbeitsschutzgesetz) Anwendung finden. Zu bedauern ist jedoch, dass die Koalition an dem Grundsatz des Acht-Stunden-Tages im Arbeitszeitgesetz festhalten wird und nur eng begrenzte sogenannte Experimentierräume für die Erprobung von mehr Arbeitszeitflexibilisierung schaffen möchte. Mehr Flexibilität, auch mit Blick auf die Arbeitszeit, kann jedoch für die mobile Arbeit bzw. das Homeoffice – wie sich gerade in den Zeiten der Pandemie zeigt – für die Beschäftigten sehr wertvoll sein. 

Ein gemeinsames Verständnis in Bezug auf die Verteilung der Arbeitstätigkeit auf Zeiten im Büro und außerhalb des Betriebsgeländes ist richtig und wichtig. Es sollte sich jedoch an den konkreten und betrieblichen Arbeits- und Teambedingungen orientieren. Gesetzliche (Rahmen-)Vorgaben hierzu dürften kaum praktikabel sein. Daher ist die Feststellung im Koalitionsvertrag, dass das Vorhandensein betrieblicher Arbeitsplätze ein wichtiger Bestandteil der mobilen Arbeit ist, in der Sache richtig, am Ende jedoch eine Frage des Einzelfalls und in Betrieben mit Betriebsrat gerade Gegenstand einer Vereinbarung im Rahmen des Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG.

Remote arbeiten im Ausland

Die Feststellung im Koalitionsvertrag, dass mobile Arbeit EU-weit unproblematisch möglich sein soll, ist wichtig, wenn auch in dieser Form etwas inhaltsleer.

In der Praxis spielt der Remote-Arbeitsplatz im Ausland – wie zuletzt die Entscheidung des Arbeitsgerichts München vom 27. August 2021 (12 Ga 62/21) zeigt – eine nicht unerhebliche Rolle. Denn der Hauptanwendungsfall des vom Arbeitnehmer gewünschten spontanen und kurzzeitigen mobilen Arbeitens aus dem Ausland kann mit nicht unerheblichen sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlichen Risiken verbunden sein, die aktuell nicht bzw. nicht ausreichend (europarechtlich) geregelt sind.

Rechtsrahmen zur Beendigung remoter Arbeitsformen ist wünschenswert

Zu der Frage, wie Formen der Remote-Arbeit wieder beendet werden können, äußert sich der Koalitionsvertrag nicht. Dies muss gesetzlich geregelt werden. Positioniert hatte sich hierzu – soweit bislang ersichtlich – nur die FDP in ihrem Wahlprogramm, die fordert, dass der anlassbezogene Widerruf möglich sein muss.

Ein in der rechtlichen Beratungspraxis bislang vorzugswürdiger Ansatzpunkt, jedoch, wie die aktuelle Entscheidung des LAG Nürnberg vom 11. Mai 2021 (7 Sa 289/20) zeigt, nicht der einzige. Das Gericht hatte eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung über alternierende Telearbeit zu prüfen, die für beide Parteien des Arbeitsvertrages eine Beendigung der Telearbeit mit einer Frist von drei Monaten vorsah und die Wirksamkeit der Beendigungserklärung seitens des Arbeitgebers an das Vorliegen eines betrieblichen Grundes knüpfte. Dies stellt nach der Auffassung der Richter eine wirksame Vereinbarung eines Teilkündigungsrechtes dar. 

Homeoffice und mobile Arbeit bleiben auch in Zukunft ein heißes Thema

Es bleibt abzuwarten, wie die Koalitionsparteien das Thema „Homeoffice und mobile Arbeit“ und die Verankerung des Erörterungsanspruchs tatsächlich angehen werden. Die Musik wird in der Festlegung der „Spielregeln“ spielen.

In unserer Blog-Serie zu den Auswirkungen des Koalitionsvertrags informieren wir Sie vertieft über die genannten und weitere spannende Themen, die uns in den nächsten vier Jahren beschäftigen werden.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Ausland Homeoffice Koalitionsvertrag mobiles Arbeiten remote