8. Dezember 2021
Brexit Limited Parteifähigkeit Rechtsfähigkeit
Brexit

UK-Limiteds post-Brexit: Game over vor deutschen Gerichten?

Das OLG München spricht einer UK-Ltd. die Rechts- und Parteifähigkeit ab. Wir zeigen auf, was das Urteil bedeutet und wie man es anders lösen könnte.

Der Brexit macht auch vor der Schönheit nicht halt: So hat das OLG München (29 U 2411/21 Kart) die Berufung einer UK-Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland, die Online-Handel mit Kosmetikwaren betreibt, mangels Rechts- und Parteifähigkeit zurückgewiesen. 

Die Berufung richtete sich gegen das erstinstanzliche Urteil des LG München (37 O 3787/21), das einen von der UK-Ltd. Anfang 2021 im Eilverfahren geltend gemachten kartellrechtlichen Unterlassungsanspruch wegen angeblich unzulässiger Preisbindung für Kosmetikprodukte verneint hatte. Das OLG München befasste sich – anders als die 1. Instanz – gar nicht mit der Sache, sondern lehnte bereits die Zulässigkeit des Eilantrags mit dem Argument ab, die UK-Ltd. habe ihre Rechts- und Parteifähigkeit am 31. Dezember 2020 infolge des Ablaufs der Übergangsphase nach dem am 31. Januar 2020 vollzogenen Brexit verloren. 

Gründungs- vs. Sitztheorie

Kernfrage war dabei, ob die Rechts- und Parteifähigkeit nach der Gründungs- oder der Sitztheorie zu bestimmen ist.

Der EuGH hat die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit den drei wegweisenden Entscheidungen „Centros“, „Überseering“ und „Inspire Art“ unter Hinweis auf die in Art. 49, 54 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit zur Anwendung der Gründungstheorie auf Gesellschaften aus der EU verpflichtet. Nach der Gründungstheorie beurteilt sich die Rechtsstellung einer Gesellschaft nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft gegründet wurde. Ist eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gegründet und nach dortigem Recht rechtsfähig, sind alle anderen Mitgliedstaaten verpflichtet, diese Rechtsfähigkeit und die damit einhergehende Parteifähigkeit zu achten. 

Für drittstaatliche Gesellschaften gilt im autonomen deutschen Kollisionsrecht hingegen die Sitztheorie, die auf das Recht des Staates am effektiven Verwaltungssitz der Gesellschaft abstellt. Befindet sich der effektive Verwaltungssitz einer in einem Drittstaat gegründeten Gesellschaft in Deutschland, bestimmt somit das deutsche Gesellschaftsrecht darüber, ob die Gesellschaft rechts- und parteifähig ist.

Was gilt für eine UK-Ltd. mit deutschem Verwaltungssitz nach dem Brexit?

Das OLG München hatte darüber zu entscheiden, ob für UK-Gesellschaften mit Ablauf der Übergangsfrist am 31. Dezember 2020 die Sitztheorie (wie grundsätzlich im Verhältnis zu drittstaatlichen Gesellschaften ohne bilaterales Abkommen) oder die Gründungstheorie (wie gegenüber Gesellschaften aus der EU und damit bis zum 31. Dezember 2020 ganz klar auch für UK-Gesellschaften) gilt. Diese Frage wurde in der juristischen Fachliteratur vor und nach Ablauf der Übergangsfrist heiß diskutiert. 

In einem Beschluss vom 14. Februar 2021 hielt der BGH (II ZB 25/17) fest, dass die Niederlassungsfreiheit auf eine UK-Ltd. nach dem Brexit grundsätzlich nicht mehr anwendbar ist. Damit war der Weg zurück zur Sitztheorie für UK-Gesellschaften geebnet. 

Keine Aussagekraft des Austrittsabkommens vom Dezember 2020

Das OLG München griff zunächst die umstrittene Frage auf, ob aufgrund des Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und UK vom 24. Dezember 2020 davon auszugehen sei, dass die Gründungstheorie für UK-Gesellschaften weiterhin gilt. Das OLG München verneinte dies und betonte, dass das Abkommen lediglich Regelungen über den Verkehr mit Handelsgütern und Dienstleistungen sowie zum freien Kapitalverkehr und zu Investitionen beinhalte; die hiervon abzugrenzende Niederlassungsfreiheit hingegen nicht adressiere. 

Das OLG München schloss sich damit der bereits vom VG Berlin in einem Beschluss vom 11. Februar 2021 (1 L 105/21) sowie der überwiegend in der deutschen Fachliteratur vertretenen Auffassung an, wonach für UK-Gesellschaften infolge des Brexits auf die Sitztheorie zurückzugreifen ist. 

Milde Sitztheorie: Limited grundsätzlich als GbR, OHG oder einzelkaufmännisches Unternehmen zu behandeln

Die Eilrechtsschutz suchende UK-Ltd. mit Hauptverwaltung in Deutschland unterlag somit dem numerus clausus der Gesellschaftsformen im deutschen Recht. Die Folge: Da dem deutschen Gesellschaftsrecht eine Ltd. fremd ist, ist ihr die Rechts- und Parteifähigkeit grundsätzlich zu versagen.

Das OLG München verwies zu Recht darauf, dass die UK-Ltd. allerdings nach der vom BGH anerkannten milden Sitztheorie (II ZR 158/06) nicht zu einem rechtlichen Nullum degradiert werden darf, sondern je nach tatsächlicher Ausgestaltung als GbR, OHG oder – bei nur einer Gesellschafterin – als einzelkaufmännisches Unternehmen zu behandeln ist. 

OLG München lehnt Rechts- und Parteifähigkeit der Antragstellerin ab – hätte jedoch den Eilantrag der Limited als Antrag der einzigen Gesellschafterin auslegen können

Die UK-Ltd., über deren Schicksal das OLG München zu entscheiden hatte, hat nur eine einzige Gesellschafterin: eine natürliche Person. Eine Anerkennung als GbR oder OHG kam somit – anders als in dem von VG Berlin (1 L 105/21) entschiedenen Fall – nicht in Betracht. Das OLG München hielt ohne weitere Begründung fest, der Eilrechtsantrag sei von einer nicht (mehr) existierenden juristischen Person erhoben worden und daher mangels Rechts- und Parteifähigkeit von Anfang an unzulässig. 

Dieses Ergebnis ist überraschend und überzeugt nicht auf Anhieb. 

Die UK-Ltd. war aufgrund der milden Sitztheorie als einzelkaufmännisches Unternehmen anzusehen. Inhaberin der Rechte und Pflichten dieses Unternehmens war die einzige Gesellschafterin der UK-Ltd., auch wenn sie im Rechtsverkehr unter der Firma der Ltd. auftrat. Die richtige Partei zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs war somit die einzige Gesellschafterin der UK-Ltd. als Einzelkaufmann. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Eilantrag trotz der Bezeichnung der UK-Ltd. als Partei nicht als Antrag der einzigen Gesellschafterin der UK-Ltd. auszulegen war. In diesem Fall wäre der Antrag nicht von einer nicht existierenden, sondern von einer (lediglich) falsch bezeichneten Partei erhoben worden, was von Amts wegen durch Rubrumsberichtigung zu korrigieren gewesen wäre. 

Wer Partei eines Gerichtsverfahrens ist, entscheidet sich nicht allein nach der Parteibezeichnung. Maßgeblich ist vielmehr, welcher Sinn der Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizumessen ist. Bei unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich die Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen sein soll (siehe BGH, X ZR 144/06). 

Für die Auslegung des Eilantrags vor dem OLG München als Antrag der einzigen Gesellschafterin der Ltd. sprechen zum einen die Grundsätze, die für Klagen eines Kaufmanns unter einer Firma gemäß § 17 Abs. 2 HGB gelten. Wird unter einer (in- oder ausländischen) Firma Klage erhoben, ist Kläger stets der tatsächliche Inhaber des unter der Firma betriebenen Handelsgeschäfts. Das gilt auch, wenn der Inhaber in der Klage nicht genannt ist oder die Verwendung der Firma unzulässig war. Es ist nicht erkennbar, warum diese Grundsätze nicht für eine nunmehr unechte Auslandsgesellschaft (wie eine UK-Ltd. nach dem Brexit) gelten sollen, wenn diese unter ihrer Auslandsfirma ein Gerichtsverfahren einleitet. 

Für die Behandlung der einzigen Gesellschafterin der UK-Ltd. als tatsächliche Partei des Eilverfahrens lässt sich zum anderen die Parallele zu der Klage einer (nicht existenten) Ein-Mann-GbR anführen, die laut OLG Hamm „mit unzweifelhafter Deutlichkeit“ als Klage des betreffenden Einpersonengesellschafters anzusehen ist. Dies ist im Wege der Rubrumsberichtigung zu korrigieren (siehe OLG Hamm, I-28 U 196/10).

Es liegen somit gute Gründe dafür vor, warum der Eilantrag der UK-Ltd. als Antrag der einzigen Gesellschafterin der Ltd. zu verstehen gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass das OLG München, ohne die Auslegung der Parteibezeichnung in Erwägung zu ziehen, unterstellt hat, dass einzig und allein die UK-Ltd. als Partei des Eilverfahrens anzusehen ist.

Verjährungsrisiko bei Klageerhebung und Eilanträgen

Das Urteil des OLG München birgt auch Risiken mit Blick auf die Verjährung von Ansprüchen im Kontext mit einer UK-Ltd. Die Zustellung eines Eilantrags und die Erhebung einer Klage entfalten zwar auch im Falle der Abweisung als unzulässig verjährungshemmende Wirkung. Das gilt allerdings nur, sofern sich der Eilantrag oder die Klage vom Berechtigten gegen den Verpflichteten richtet (siehe BGH VII ZR 160/80).

Eine bloße Falschbezeichnung einer Partei ist dabei unschädlich. Folgt man dem OLG München und sieht als Partei des Eilantrags bzw. der Klage einer UK-Ltd. die Ltd. selbst an, fehlt es allerdings an der Verfahrenseinleitung durch den Berechtigten. Denn die einzige Inhaberin von Rechten (und Pflichten) einer UK-Ltd. mit nur einer Gesellschafterin ist – wie bereits dargelegt – die Gesellschafterin selbst. 

Solange nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob für UK-Ltd. infolge des Brexits die (milde) Sitztheorie gilt und wer – bei Geltung der (milden) Sitztheorie – als richtige Partei eines Eilantrags bzw. einer Klage einer UK-Ltd. anzusehen ist, ist bei der Einleitung eines Gerichtsverfahrens zum Zwecke der Verjährungshemmung insgesamt Vorsicht geboten. Ein denkbarer Ansatz wäre etwa, dass eine UK-Ltd. ihre Ansprüche gegen einen Dritten an ihre einzige Gesellschafterin abtritt und Letztere gegen den Dritten aus eigenem Recht (als Inhaberin aller Rechte der UK-Ltd. bei Geltung der milden Sitztheorie) und hilfsweise aus abgetretenem Recht (aufgrund Abtretung durch die UK-Ltd. für den Fall der Fortgeltung der Sitztheorie) vorgeht. 

UK-Ltd. – was nun? Numerus clausus heißt unbeschränkte Haftung!

UK-Ltd. mit deutschem Verwaltungssitz sollten sich auf eine Rubrumsberichtigung also nicht verlassen, sondern aktiv handeln – schließlich droht aktuell unbeschränkte Haftung, was durch die Errichtung einer Ltd. im Regelfall gerade vermieden werden sollte.

Aus Sicht des deutschen Gesellschaftsrechts handelt es sich bei einer UK-Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland um eine unechte Auslandsgesellschaft, die nicht mehr als Kapitalgesellschaft anerkannt wird. Der numerus clausus des deutschen Gesellschaftsrechts greift und die Folge ist in der Regel eine unbeschränkte Haftung:

Das Vermögen der UK-Ltd. wächst dem Alleingesellschafter als Einzelkaufmann an. Entsprechendes würde gelten bei mehreren Gesellschaftern: Das Vermögen der UK-Ltd. wächst einer GbR oder einer oHG an, je nach Umfang der Geschäftstätigkeit. In all diesen Fällen haften die Betroffenen nun persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der ehemaligen UK-Ltd. Auch steuerrechtlich hat der Wegfall der UK-Ltd. unmittelbare Auswirkungen.

Mindestens Handelsregister berichtigen

Zudem ist das Handelsregister in all diesen Fällen unrichtig geworden. Eine Berichtigung ist also unbedingt erforderlich, wenn nicht schon von Amts wegen eine solche veranlasst wurde. Auf einen externen Anlass sollte man nicht warten, denn dann muss man das Thema im Zweifel zur Unzeit lösen. Dasselbe gilt für die Registrierung im UK Companies House, die aktiv zu beseitigen ist.

Außerdem wird es im Interesse der Beteiligten sein, erneut eine Gesellschaftsform zu wählen, die eine Haftungsbeschränkung verspricht, also etwa eine UG (haftungsbeschränkt), eine GmbH oder eine Kommanditgesellschaft.

Der Weg zurück zur Haftungsbeschränkung

Um wieder eine Haftungsbeschränkung zu erreichen, käme eine Übertragung der relevanten Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten im Wege des Asset Deal auf eine UG (haftungsbeschränkt) oder GmbH in Frage. Dazu ist allerdings die Zustimmung sämtlicher Vertragspartner erforderlich.

Denkbar ist auch eine Sachgründung einer GmbH durch Einbringung des Vermögens der ehemaligen UK-Ltd. Dazu sind unter anderem ein Sachgründungsbericht und entsprechende Werthaltigkeitsbescheinigungen erforderlich. Die Sachgründung einer UG (haftungsbeschränkt) ist dagegen nicht zulässig (§ 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG).

Verschmelzung und Formwechsel scheiden aus

Zu spät ist es inzwischen für eine grenzüberschreitende Verschmelzung.

Vom 1. Januar 2019 an war es möglich, eine UK-Ltd. über eine grenzüberschreitende Verschmelzung in ein deutsches Unternehmen umzuwandeln (§ 122m UmwG). Die Übergangsregelung ist auf Fälle, in denen die Entscheidung zur Verschmelzung erst nach dem 31. Dezember 2020 fiel, nicht mehr anwendbar. Aus dem Katalog der verschmelzungsfähigen Gesellschaften ist die UK-Ltd. infolge des Brexits herausgefallen (§ 122b UmwG). Dasselbe gilt für den Katalog der formwechselnden Gesellschaften (§§ 191, 3 UmwG).

Kein Bestandsschutz

Entgegen der Hoffnungen vieler hat sich der deutsche Gesetzgeber gegen einen Bestandsschutz entschieden. Wer die Warnungen ernst genommen hat, ist jetzt schon einen Schritt weiter. Wer abgewartet hat, sollte jetzt zur Schadensbegrenzung aktiv werden.

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