Das 14. Sanktionspaket erweitert die Compliance-Pflichten in Bezug auf Nicht-EU-Tochtergesellschaften und führt neue sektorale Beschränkungen ein.
Am 24. Juni 2024 verabschiedete die EU das 14. Sanktionspaket gegen Russland, das neue Beschränkungen für Waren und Dienstleistungen und Listungen weiterer natürlicher und juristischer Personen vorsieht. In der Praxis noch relevanter sind vor allem die neuen Bestimmungen, die „Umgehungen“ vermeiden sollen und Compliance-Pflichten für EU-Akteure einführen, insbesondere in Bezug auf das Verhalten ihrer Nicht-EU-Tochtergesellschaften.
Neben diesen neuen Compliance-Pflichten, auf die wir uns in diesem Artikel konzentrieren, bringt das 14. Sanktionspaket insbesondere die folgenden wesentlichen Änderungen mit sich:
- Sektorale Sanktionen gegen den russischen LNG-Sektor, einschließlich Beschränkungen in Bezug auf Infrastruktur, Investitionen und Transport, jedoch ohne Verbot von Einfuhren in die EU.
- Zusätzliche sektorale Beschränkungen des Waren- und Dienstleistungsverkehrs, einschließlich Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen insbesondere betreffend weitere Advanced Technology-Güter sowie eine Ausweitung der Sanktionen gegen den Transport- und Verkehrssektor (d.h. Schifffahrt-, Luft- und Straßenverkehr).
- Zusätzliche Listungen von 116 natürlichen und juristischen Personen, deren Vermögenswerte nun eingefroren werden und gegenüber denen es verboten ist, Gelder und wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
- Ein Verbot für EU-Banken, das System zur Übermittlung von Finanzmitteilungen (das russische Äquivalent zu SWIFT) zu nutzen, sowie ein Transaktionsverbot gegenüber Drittlands-Organisationen, die dieses System nutzen.
- Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufgrund einer Entscheidung nach russischem Recht, Vermögenswerte von Investoren, die mit „unfreundlichen“ Staaten in Verbindung stehen, unter vorläufige Verwaltung zu stellen, sowie von Personen oder Einrichtungen, die von einer solchen Entscheidung profitieren.
Für die meisten der neuen Beschränkungen sind zeitliche Übergangsregelungen sowie Ausnahme- und Genehmigungstatbestände vorgesehen.
Wichtige bestehende Ausnahmeregelungen wurden verlängert, unter anderem:
- Die Ausnahmeregelung für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen, die ansonsten gemäß Art. 5n für russische Tochtergesellschaften, die im Eigentum oder unter der Kontrolle von EU-Unternehmen stehen, verboten wären, wurde bis zum 30. September 2024 verlängert.
- Die Genehmigungsmöglichkeiten für den Abzug von EU-Unternehmen aus Russland in Art. 12b sind erneut bis zum 31. Dezember 2024 verlängert worden.
Neue Verpflichtung zur Vermeidung von Sanktionsuntergrabung durch Tochtergesellschaften
Während bisher EU-Sanktionen nur für juristische Personen galten, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet oder eingetragen wurden, führt das 14. Sanktionspaket eine neue Verpflichtung in Artikel 8a ein, wonach EU-Personen sich
„nach besten Kräften [bemühen], sicherzustellen, dass sich außerhalb der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die sich in ihrem Eigentum oder unter ihrer Kontrolle befinden, nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß [der Russland Sanktionsverordnung] untergraben.“
Auch wenn der genaue Begriff der „besten Kräfte“ noch entwickelt werden muss, kann die Regelung im Wesentlichen in der Weise verstanden werden, dass EU-Unternehmen ihre Nicht-EU-Tochtergesellschaften anweisen müssen, die EU-Sanktionen einzuhalten, als wären sie EU-Unternehmen. Auch wenn es einige Rechtfertigungsgründe für die Nichteinhaltung der EU-Sanktionen durch Nicht-EU-Tochtergesellschaften geben mag, stellt die Einführung der neuen Regelung eine gravierende Abkehr von dem (früheren) Grundsatz dar, dass EU-Vorschriften keine extraterritorialen Wirkungen haben sollten.
Das Konzept von „Eigentum oder Kontrolle“ setzt weiterhin voraus, dass EU-Unternehmen einen „maßgeblichen Einfluss“ auf ihre Nicht-EU-Tochtergesellschaften haben. Neu ist jedoch, dass „Eigentum“ in den Erwägungsgründen nun als Halten von 50 % oder mehr der Anteile definiert wird. Im Einklang mit dem von den USA verfolgten Ansatz ist somit eine Mehrheitsbeteiligung nicht mehr erforderlich. Es bleibt abzuwarten, ob dieser scheinbar neue Begriff des Eigentums in allen EU-Sanktionsregimen Anwendung finden wird. Die Frage könnte besonders relevant werden bei der Beurteilung, ob Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen einem nicht-gelisteten Unternehmen, das „im Eigentum“ einer gelisteten Person steht, zur Verfügung gestellt werden können.
Neue Compliance-Standards und Mindestsorgfaltspflichten?
Es ist seit langem ein etablierter Grundsatz, dass EU-Personen nicht haftbar gemacht werden sollten, auch nicht strafrechtlich, wenn sie nicht wussten und keinen vernünftigen Grund zu der Annahme hatten, dass sie mit ihrem Handeln gegen EU-Sanktionen verstoßen (Artikel 10).
In vielen Mitgliedstaaten wurde Art. 10 so verstanden, dass die Wirtschaftsteilnehmer nicht verpflichtet sind, aktiv nachzuforschen, aber die Augen vor dem Offensichtlichen nicht verschließen dürfen. Das Vorhandensein von „Red Flags“ löste dabei zusätzliche Sorgfaltsmaßnahmen und -anforderungen aus.
Etwas versteckt in Erwägungsgrund 36 scheint die Verordnung (EU) 2024/1745 nun einen neuen Mindeststandard einzuführen, der es den Betreibern verwehrt, sich auf die Haftungsausschlussklausel zu berufen, wenn sie keine „einfachen Kontrollen oder Überprüfungen“ durchgeführt haben. Es bleibt abzuwarten, wie die nationalen Behörden und Gerichte diese potenziell weitreichende Einführung eines Mindestmaßes an die Sorgfaltspflicht auslegen werden.
Neue „No Russia“-Klauseln
Zusätzlich zu der bekannten Verpflichtung, bei der Ausfuhr bestimmter Produkte in nicht-privilegierte Länder vertraglich „no Russia“-Klauseln vorzusehen, hat Brüssel nun in Art. 12ga eine vergleichbare Klausel für vorrangige Güter (sog. common high priority items), die für die Kriegsführung Russlands kritisch sind, eingeführt. Die Klausel betrifft insofern die Lizenzierungen und andere Vereinbarungen im Zusammenhang mit geistigem Eigentum und verbietet deren Nutzung in Bezug auf vorrangige Güter, die zur Lieferung nach oder Verwendung in Russland bestimmt sind.
Darüber hinaus verpflichtet Art. 12gb EU-Ausführern von für Russlands Kriegsführung wichtigen vorrangigen Gütern ausdrücklich zur Umsetzung bestimmter Mindestsorgfaltsvorkehrungen, insbesondere Risikobewertungen, Dokumentationen, Strategien, Kontrollen und Verfahren sowie Managementmaßnahmen, um die Ausfuhr oder Wiederausfuhr dieser Güter nach Russland oder zur Verwendung in Russland zu verhindern. Diese Maßnahmen müssen ab dem 26. Dezember 2024 auch von Nicht-EU-Tochtergesellschaften umgesetzt werden.
Aktualisierung des Umgehungsverbots
Das bekannte Umgehungsverbot in Artikel. 12, der die „wissentliche und vorsätzliche“ Teilnahme an Umgehungsaktivitäten verbietet, wurde geändert, um auch solche Fälle zu erfassen, „wenn mit der Beteiligung an solchen Tätigkeiten dieser Zweck oder diese Wirkung nicht absichtlich angestrebt wird, es aber für möglich gehalten wird, dass sie diesen Zweck oder diese Wirkung hat und diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen wird.“ Diese Änderung spiegelt lediglich die Auslegung dieses Verbots durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wider.
Auswirkungen auf alle Wirtschaftsbeteiligten
Mit dem 14. Sanktionspaket wurden neue Vorschriften für bestimmte Wirtschaftssektoren eingeführt, und obwohl diese Vorschriften vor allem Akteure in diesen Sektoren betreffen werden, müssen alle Wirtschaftsbeteiligten prüfen, inwieweit sich diese Vorschriften auf ihre Unternehmen auswirken werden. Noch wichtiger ist, dass jeder Wirtschaftsbeteiligte in der EU, der entscheidenden Einfluss auf Nicht-EU-Unternehmen hat, nun überdenken muss, wie er diese Unternehmen zur Einhaltung der EU-Sanktionen anweist und kontrolliert. Gut möglich ist, dass EU-Unternehmen ihre allgemeinen Compliance-Strukturen neu ausrichten müssen, um den Sorgfaltsanforderungen gerecht zu werden, die das 14. Sanktionspaket eingeführt hat.