24. April 2024
No Russia clause
Commercial

Verpflichtung zu „No Russia“-Klausel in Lieferverträgen

Bei manchen Exportgeschäften muss die Wiederausfuhr nach Russland vertraglich untersagt werden. Musterklauseln bergen Konflikte mit dem deutschen AGB-Recht.

Unternehmen müssen vor allem bei Exportgeschäften auch die Russland-Sanktionen im Blick haben und etwaige Umgehungsversuche ihrer Kunden möglichst unterbinden. Das ist seit längerem bekannt. Neu ist aber, dass seit dem 20. März 2024 Unternehmen bei Verkauf, Ausfuhr und Verbringung bestimmter Güter gesetzlich dazu verpflichtet sind, in ihren Verträgen Re-Exporte nach Russland oder zur Verwendung in Russland explizit zu verbieten (siehe Art. 12g Verordnung (EU) 833/2014, „Russland-Embargo-VO“).

Ziel der Regelung ist es, Umgehungslieferungen bestimmter gelisteter Güter nach Russland zu vermeiden. Ausführer sollen demnach die betroffenen Güter auch nicht mehr an nicht-EU-Personen, die nicht bereit sind, das vorgesehene vertragliche Wiederausfuhrverbot zu akzeptieren, verkaufen.

Welche Lieferbeziehungen sind betroffen? 

Die Verpflichtung betrifft Verträge zwischen Ausführern aus der EU und Vertragspartnern in Drittländern, mit Ausnahme der in Anhang VIII der vorliegenden Verordnung aufgeführten Partnerländer USA, Japan, UK, Südkorea, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz (Stand April 2024).

Ausgenommen ist auch die Erfüllung von vor dem 19. Dezember 2023 abgeschlossenen Verträgen bis zum 20. Dezember 2024 oder bis zu ihrem Ablaufdatum, je nachdem, welcher Zeitpunkt früher liegt. Für Verträge mit Erfüllungsdatum nach dem 20. Dezember 2024 kann also auch eine nachträgliche Vereinbarung erforderlich werden!

Welche Leistungen/Güter sind betroffen?

Die Pflicht zur Aufnahme der „No re-export to Russia clause“ bzw. „No Russia clause“ gilt für Verkauf, Lieferung, Verbringung oder Ausfuhr von Gütern oder Technologien, die wie folgt aufgeführt sind:

  • In der Russland-Embargo-VO in
    • Anhang XI – Flugzeugteile, Komponenten für die Luftfahrt, Propeller und Jets
    • Anhang XX – Flugzeugtreibstoffe und -additive
    • Anhang XXXV – Feuerwaffen und andere Waffen
    • Anhang XL – Militärisch relevante Elektronik- und Komponenten und andere Güter, die auf dem Schlachtfeld geborgen wurden, sowie Güter für deren Herstellung für die jeweils ein hohes Wiederausfuhrrisiko nach Russland besteht
  • Feuerwaffen und Munition gemäß der Liste in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 258/2012.

Da (i) bestimmte Drittländer mit großem Anteil am EU-Außenwirtschaftsverkehr ausgenommen sind und (ii) nur bestimmte gelistete Güter betroffen sind, lässt sich eine Anwendung des 12g Russland-Embargo-VO, in vielen Fällen vermutlich früh ausschließen, auch wenn sich eine durchaus weitere Verbreitung entsprechender Klauseln im Markt beobachten lässt.

Was sind die konkreten Verpflichtungen?

Ist der Vertrag erfasst, müssen Ausführer nach Art. 12g Abs. 1, 3 und 4 Russland-Embargo-VO

  1. in Bezug auf die betroffenen Güter die Wiederausfuhr nach Russland und die Wiederausfuhr zur Verwendung in Russland vertraglich untersagen,
  2. im Vertrag für den Fall eines Verstoßes gegen das vertragliche Wiederausfuhrverbot angemessene Abhilfemaßnahmen vorsehen, und
  3. Verstöße des Vertragspartners gegen das vertragliche Wiederausfuhrverbot an die zuständige Behörde ihres Mitgliedsstaates melden (Ort der Niederlassung/Wohnsitz), sobald ihnen dieser bekannt wird.

Die EU-Kommission hat in ihren FAQ (Stand April 2024) hierzu eine Musterklausel zur Verfügung gestellt, die mit entsprechenden Anpassungen verwendet werden kann:

(1) The [Importer/Buyer] shall not sell, export or re-export, directly or indirectly, to the Russian Federation or for use in the Russian Federation any goods supplied under or in connection with this Agreement that fall under the scope of Article 12g of Council Regulation (EU) No 833/2014.

(2) The [Importer/Buyer] shall undertake its best efforts to ensure that the purpose of paragraph (1) is not frustrated by any third parties further down the commercial chain, including by possible resellers.

(3) The [Importer/Buyer] shall set up and maintain an adequate monitoring mechanism to detect conduct by any third parties further down the commercial chain, including by possible resellers, that would frustrate the purpose of paragraph (1).

(4) Any violation of paragraphs (1), (2) or (3) shall constitute a material breach of an essential element of this Agreement, and the [Exporter/Seller] shall be entitled to seek appropriate remedies, including, but not limited to:

(i) termination of this Agreement; and
(ii) a penalty of [XX]% of the total value of this Agreement or price of the goods exported, whichever is higher.

(5) The [Importer/Buyer] shall immediately inform the [Exporter/Seller] about any problems in applying paragraphs (1), (2) or (3), including any relevant activities by third parties that could frustrate the purpose of paragraph (1). The [Importer/Buyer] shall make available to the [Exporter/Seller] information concerning compliance with the obligations under paragraph (1), (2) and (3) within two weeks of the simple request of such information.

Das strenge deutsche AGB-Recht zwingt zu Anpassungen!

Die Klausel wurde von der EU-Kommission für Ausführer aus allen EU-Staaten einheitlich vorgeschlagen und kann damit zwangsläufig nicht alle Besonderheiten der jeweiligen Rechtsordnung beachten. 

Für das deutsche Recht gilt dies in besonderem Maße, da die Klausel als vorformulierte Vertragsbedingung dem strengen deutschen AGB-Recht standhalten muss (§ 307 Abs. 1 BGB). An diesem strengen Maßstab droht insbesondere die vorgeschlagene verschuldensunabhängige Vertragsstrafe zu scheitern. Denn Vertragsstrafeklauseln ohne Verschuldenserfordernis sind im deutschen AGB-Recht auch im B2B-Verkehr in aller Regel unwirksam (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1013). Es bietet sich deswegen bei der Geltung deutschen Rechts an, ein solches Verschuldenserfordernis in die Klausel aufzunehmen.

Bestimmung der angemessenen Höhe außerordentlich komplex

Vergleichbare Schwierigkeiten bereitet die Bestimmung der zulässigen Höhe der Vertragsstrafe, die in der Musterklausel der EU-Kommission nicht vorgegeben wurde. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist eine Vertragsstrafe immer dann unwirksam, wenn sie außer Verhältnis zum Gewicht und der Zahl der Pflichtverletzung und den entsprechenden Folgen für die Parteien steht (BGH NJW 2016, 1230, Rn. 34). Zwar hat die Vertragsstrafe ihren Grund vor allem darin, Druck auf die andere Partei auszuüben. Deswegen darf grundsätzlich auch der durchschnittlich zu erwartende Schaden durchaus überschritten werden. Gleichzeitig muss die Höhe der Vertragsstrafe aber auch für die geringste denkbare Pflichtverletzung noch angemessen sein. Zudem darf eine Vertragsstrafe nie einen vorwiegend bestrafenden Charakter annehmen, da ein solcher dem deutschen Zivilrecht fremd ist.

Die Vertragsstrafe soll nicht strafen, sondern nur Druck ausüben

Diese „Quadratur des Kreises“ gelingt nur selten und die Vorgaben des deutschen AGB-Rechts beißen sich hier eindeutig mit dem primären Ziel des Art. 12g Russland-Embargo VO, das in der Musterklausel seinen Ausdruck findet: Die Vermeidung von Umgehungslieferungen über Drittländer. Denn dieses Ziel liegt weniger im originären Interesse des Ausführers, als vielmehr im öffentlichen Interesse. Auf dieser Grundlage wird deutlich, dass der strafende Charakter gerade im Vordergrund steht: Der Ausführer soll „als verlängerter Arm“ des Staates das Sanktionsrecht (mittelbar) durchsetzen und – entsprechend des Vorschlags in der Musterklausel – den Käufer bei Verstößen entsprechend „bestrafen“.  Doch auch wenn dies in zahlreichen anderen Rechtsordnungen möglich sein dürfte, ist ein solcher Mechanismus im deutschen Zivilrecht gerade nicht vorgesehen, weswegen die Ziele der EU auf diese Weise nur schwer umsetzbar sind.

(Unvollkommene) Lösung: Vertragsstrafe nach dem „Hamburger Brauch“ 

Was also kann man tun? Man könnte sich bei der Höhe der Vertragsstrafe an den mittlerweile im sonstigen Handelsverkehr üblichen 5% der Netto-Auftragssumme orientieren. Der BGH hat erst kürzlich noch einmal klargestellt, dass dies bei der Erbringung von Bauleistungen die höchste zulässige Summe ist (BGH, Urteil v. 15. Februar 2024 – VII ZR 42/22). Dagegen spricht allerdings, dass der Verzug einer Leistung im Bauvertrag kaum mit der Sanktion eines Verstoßes gegen ein Weiterlieferungsverbot nach Russland vergleichbar ist. Deswegen erscheint der Rückgriff auf die 5%-Rechtsprechung hier weitgehend willkürlich und inhaltlich nicht wirklich gut begründbar. Es bleibt daher meist nichts anderes übrig, als die Höhe der Vertragsstrafe – soweit möglich – im Einzelfall branchenspezifisch anzupassen.

Daneben kommt auch ein Rückgriff auf den sog. „Hamburger Brauch“ Betracht. Bei einer solchen Klausel wird die Höhe der Vertragsstrafe nicht in der Klausel selbst festgelegt. Sie wird vielmehr erst nach dem Verstoß von der anderen Partei (also von der „nicht verstoßenden“ Partei) mit Blick auf die Schwere der Pflichtverletzung „angemessen“ festgesetzt. Sofern die verstoßende Partei die Höhe nicht als angemessen empfindet, kann sie die Höhe von dem zuständigen Gericht (oder Schiedsgericht) überprüfen lassen. Mit einer solchen Klausel umschifft man zwar die hohen Hürden an die Wirksamkeit einer Vertragsstrafe durch die deutsche Rechtsprechung. International ist diese Art von Klausel (deren hohe Komplexität allein aus der recht lebensfernen Strenge der BGH-Rechtsprechung folgt) aber häufig unbekannt und oftmals nicht vermittelbar.

Achtung: Die bloße Anpassung der AGB reicht nicht aus

Es ist eher selten, dass die EU-Kommission dem grenzüberschreitenden Handel konkrete Vertragsklauseln Die Musterklausel der EU-Kommission sieht dabei ausdrücklich vor, dass die Regelung als ein „essential element“ des geschlossenen Vertrags identifiziert wird. Dazu ist es zunächst einmal notwendig, dass die Klausel überhaupt Bestandteil des Vertrags wird. Dies ist bei der bloßen Aufnahme in die eigenen Verkaufsbedingungen nur selten der Fall, da die AGB der Parteien bei einer – regelmäßig vorliegenden – Kollision von Verkaufs- und Einkaufsbedingungen (Battle of Forms) bekanntermaßen nicht Vertragsbestandteil werden. Die bloße Anpassung der eigenen AGB ist deswegen oft nicht ausreichend, um die Klausel auch tatsächlich zu einem Vertragsbestandteil werden zu lassen.

Bei noch nicht geschlossenen Verträgen ist es deshalb erforderlich, die Klausel in den eigentlichen Vertragstext selbst aufzunehmen. Die Identifizierung als „essential element“ spricht hier sogar dafür, die Klausel entsprechend optisch – etwa durch Fettdruck – hervorzuheben. Bei einem Vertragsschluss über Bestellungen und Bestellbestätigungen sollte hingegen eine Nebenvereinbarung (Side Letter) zu diesem Aspekt getroffen werden. Gleiches gilt, wenn der Vertrag bereits geschlossen wurde und Art. 12g der Russland-Embargo-VO nun eine nachträgliche Anpassung verlangt.

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