19. September 2024
Sanctions Compliance
Compliance Außenwirtschaft

Steigende Bedeutung der „Sanctions Compliance“ für Unternehmen

Um Haftungs- und Reputationsrisiken wegen Verstößen gegen sanktionsrechtliche Restriktionen zu mindern, bedarf es einer effektiven „Sanctions Compliance“.

Eine zunehmende Komplexität internationaler Handelsbeziehungen und geopolitische Spannungen veranlassten unter anderem den Unionsgesetzgeber zuletzt, verstärkt restriktive Maßnahmen im Außenhandel und in Bezug auf bestimmte, gelistete Personen zu erlassen. 

Verstöße gegen sanktionsrechtliche Restriktionen können neben Reputationsrisiken auch straf-, bußgeld- oder zivilrechtliche Haftungsrisiken bergen.

Entsprechend mussten Unternehmen der Realwirtschaft und des Finanzsektors einen verstärkten Fokus auf die Einhaltung dieser Maßnahmen („Sanctions Compliance“) legen. 

Was sind Sanktionen?

Sanktionen sind ein bewährtes politisches Mittel, um bestimmte politische oder humanitäre Ziele durchzusetzen.

Während Sanktionsgeber früher auf sogenannte Totalembargos setzten, welche den Wirtschaftsverkehr mit dem betroffenen Staat vollständig untersagten, versuchen moderne Sanktionsregime zunehmend zielgerichtete Maßnahmen einzusetzen. Diese Entwicklung beruht auf der Erkenntnis, dass Totalembargos unerwünschte Nebeneffekte mit sich brachten, da sie in hohem Maße die Zivilbevölkerung eines sanktionierten Landes trafen. Gezielte restriktive Maßnahmen sollen dies vermeiden und sich stattdessen ausschließlich gegen politische Entscheidungsträger oder Wirtschaftseliten richten, die für humanitäre oder politische Missstände verantwortlich sind, sowie gegen Personen oder Organisationen, die mit ihnen in Verbindung stehen. Sanktionen als gezielte restriktive Maßnahmen werden in Abgrenzung zum Totalembargo daher auch als „Smart Sanctions“ bezeichnet.

Welche Sanktionsregime sind für deutsche Unternehmen relevant?

Erster Schritt im Unternehmen ist die Definition des für das Unternehmen und seine Vertreter anwendbaren Rechtsrahmens. 

Als Faustregel sollte stets das im jeweiligen Sitzstaat anwendbare Sanktionsrecht beachtet werden. Für in Deutschland ansässige Unternehmen sind damit zuvorderst die nationalen Embargos Deutschlands (vorwiegend Waffenembargos und Einreisebeschränkungen) und das Sanktionsrecht der EU zu beachten.  

EU-Sanktionen im Fokus

Die EU ist sowohl verpflichtet, restriktive Maßnahmen der UN umzusetzen als auch berechtigt, von der UN unabhängig, eigenständige Maßnahmen zu erlassen. Sanktionsverordnungen gelten gegenüber in Mitgliedsstaaten niedergelassenen Unternehmen unmittelbar. 

EU-Sanktionsverordnungen enthalten jeweils eine Standardklausel, die den Anwendungsbereich letztlich einheitlich festlegt. Er kann sowohl über territoriale Anknüpfungspunkte (Territorialprinzip) als auch über personelle Anknüpfungspunkte (Personalprinzip) eröffnet werden. 

Nach dem Territorialprinzip gelten EU-Sanktionsverordnungen:

  • unabhängig von der Staatsangehörigkeit für alle Personen, die sich – wenn auch nur vorübergehend (z.B. auf Reisen) – im Gebiet der Union aufhalten, einschließlich ihres Luftraums, an Bord der Luftfahrzeuge und Schiffe, die der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstehen sowie
  • für alle juristischen Personen, Organisationen oder Einrichtungen hinsichtlich aller Geschäfte, die ganz oder teilweise innerhalb der Union betrieben werden. 

Nach dem Personalprinzip gelten EU-Sanktionsverordnungen

  • unabhängig vom Aufenthaltsort für natürliche Personen, die (auch) die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen sowie 
  • für juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union.

Unternehmen sollten sich der Weite des Anwendungsbereichs, der sich aus den vorgenannten Anknüpfungspunkten ergibt, stets bewusst sein. Insbesondere der Anknüpfungspunkt „ganz oder teilweise“ innerhalb der Union betriebener Geschäfte bietet im Hinblick auf damit einhergehende Auslegungsunsicherheiten ein Einfallstor für eine exterritoriale Anwendbarkeit von EU-Sanktionsverordnungen.

Gelten EU-Sanktionen auch für in Drittstaaten ansässige Tochtergesellschaften?

In Unternehmensgruppen stellt sich häufig die Frage, ob auch in Drittstaaten ansässige Tochtergesellschaften EU-Sanktionen zu beachten haben. Die Tochtergesellschaften unterfallen als nach dem Recht von Drittstaaten gegründete juristische Personen – anders z.B. als bloße Repräsentanzen oder Zweigniederlassungen – grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich der EU-Sanktionsverordnungen. Gleichwohl sind sie regelmäßig nach unternehmensinternen Richtlinien oder vertraglichen Regelungen an die Einhaltung von EU-Sanktionen gebunden. Zudem müssen bei solchen Tochtergesellschaften tätige EU-Personen wie z.B. die Geschäftsführer weiterhin das EU-Recht beachten.

Eine Besonderheit hierzu gilt für restriktive Maßnahmen aus der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 (Russland-Sanktionen). Durch Verabschiedung der Verordnung (EU) 2024/1745 des Rates vom 24. Juni 2024 (14. Sanktionspaket) sind EU-Unternehmen rechtlich dazu verpflichtet, sich nach „besten Kräften″ zu bemühen, sicherzustellen, dass sich in Drittstaaten ansässige Tochtergesellschaften, nicht an Handlungen beteiligen, die die restriktiven Maßnahmen gemäß der Verordnung untergraben (vgl. Erwägungsgrund 30 des 14. Sanktionspakets). Mit Verordnung (EU) 2024/1865 des Rates vom 29. Juni 2024 wurde eine gleichlautende Regelung in die Belarus-Sanktions-Verordnung (EG) Nr. 765/2006 eingeführt.

Diese neuen „Bemühenspflichten“ erfordern ein aktives Tätigwerden, um nach Möglichkeit zu vermeiden, dass im Ergebnis die Ziele der jeweiligen Sanktionsverordnung nicht durch Handlungen der Tochtergesellschaften untergraben werden. Welche Maßnahmen insoweit angemessen sind, ist eine Frage des Einzelfalls. In vielen Fällen dürfte sich aus praktischen Erwägungen anbieten, dass die EU-Unternehmen ihre Tochterunternehmen über unternehmensinterne Richtlinien an die Einhaltung von EU-Sanktionen binden und die Einhaltung auch überwachen. Wichtig ist insoweit eine ordentliche Dokumentation, um die erfolgten Bemühungen bei Bedarf nachweisen zu können. 

Praktische und rechtliche Schwierigkeiten stellen sich vor allem dort, wo Tochtergesellschaften gegenläufigem Sanktionsrecht oder Anti-Boykottregelungen des Staates, in dem sie ihren Sitz haben, unterworfen sind. Dies kann nur anhand der jeweiligen Regelungen geprüft werden, ist aber auch innerhalb der EU kein unbekanntes Problem: Soweit ausländische Sanktionen in der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 (sog. EU Blocking-Verordnung) aufgeführt sind, ist es EU-Wirtschaftsteilnehmern untersagt diesen nachzukommen, was vor allem in Bezug auf US-Sanktionen gegen Kuba und Iran ein echtes Dauerthema ist. Zusätzlich ist in Deutschland das Boykottverbot gem. § 7 AWV beachten.

Drittstaatliche Sanktionsregime können mitunter von (wirtschaftlicher) Bedeutung sein

Für Unternehmen können auch drittstaatliche Sanktionsregime von Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie Gruppengesellschaften oder wichtige Absatzmärkte in Drittstaaten haben. Von hoher praktischer Relevanz können hier z.B. die Sanktionsregime der USA oder Großbritannien sein, wobei insbesondere die Sanktionsregime der USA z.T. einen exterritorialen Anwendungsbefehl enthalten und nach dortigem Rechtsverständnis auch ohne territorialen oder personellen Anwendungsbereich „universell“ Geltung beanspruchen. Diese dürfen nach für deutsche Unternehmen anwendbarem Recht nur eingehalten werden, wenn dies nicht gleichzeitig einen Verstoß gegen anwendbares Antiboykottrecht darstellt. Hier gilt es im Einzelfall, mit einem gewissen „Fingerspitzengefühl“ vorzugehen.

Wie sind EU-Sanktionen aufgebaut?

Es gibt zahlreiche Sanktionsverordnungen der EU, die jeweils eine bestimmte Zielsetzung verfolgen und damit gegen einen Adressatenkreis gerichtet sind, der aus EU-Sicht für einen humanitären oder politischen Missstand verantwortlich ist. 

Die einzelnen Sanktionsverordnungen basieren auf einem „Baukastenprinzip“. Dies bedeutet, dass zahlreiche bereits entwickelte Sanktionsmaßnahmen in ähnlicher Form eingesetzt werden können. Zur Effektivitätssteigerung hat die EU einheitliche Definitionen und Standardformulierungen erarbeitet, welche sie in unterschiedlichen Verordnungen in ähnlicher Form, auf den Einzelfall angepasst, umsetzen kann. Dargestellt und beschrieben sind die Standardformulierungen in den Sanktionsleitlinien.

Mit den Russland-Sanktionen wurden inzwischen allerdings eine Vielzahl vollkommen neu formulierter Vorschriften eingeführt. 

Das strenge Listenprinzip als Grundsatz von „Smart Sanctions“

Ein weiteres zu beachtendes Prinzip im Zusammenhang mit EU-Sanktionen ist das Listenprinzip. Um nur für Missstände verantwortliche Adressaten zu treffen, sind Sanktionen gegen bestimmte Personen, Güter oder Bereiche gerichtet. Die betroffenen Bereiche werden oftmals in Listen beschrieben, welche den Sanktionsverordnungen als Anhänge beigefügt sind. Auf solchen Listen sind die entsprechenden Güter oder Personen, die von den Maßnahmen betroffen sind, möglichst exakt definiert. Wegen des strengen Listenprinzips sind im Grundsatz nur die gelisteten Personen, Organisationen und Einrichtungen von den Sanktionen betroffen.

Dennoch gilt das strenge Listenprinzip nicht uneingeschränkt. Praktische Schwierigkeiten können z.B. dann bestehen, wenn die unmittelbare Bereitstellung von Vermögenswerten gegenüber nicht gelisteten Personen erfolgt, aber (z.B. aufgrund einer Gesellschafterstellung oder in einem Streckengeschäft) der Verdacht naheliegt, dass die Vermögenswerte letztlich einer sanktionierten Person zukommen. 

Während Listenabgleiche bei Unternehmen in der Praxis standardisiert durchgeführt werden können, bedarf es einer vertieften (manuellen) Überprüfung, wenn auch die mittelbare Bereitstellung erfasst sein soll. 

Ausblick: Zahlreiche Unternehmen ab 2027 zu „Sanctions Screening“ verpflichtet

Während derzeit nur Kreditinstitute zum Listenabgleich ihres Kundenstamms verpflichtet ist (vgl. § 25h Abs. 2 Kreditwirtschaftsgesetz, KWG), wird der Kreis der hierzu verpflichteten Unternehmen ab Juli 2027 erheblich erweitert werden. Denn die VO (EU) Nr. 2024/1624 (EU-Anti-Geldwäsche-Verordnung) schreibt für verpflichtete Unternehmen (vgl. a.a.O., Art. 3) – neben anderen Präventionspflichten zur Vermeidung von Verstößen gegen Sanktionsverordnungen – verbindlich vor, ihren Kundenstamm gegen Sanktionslisten zu überprüfen (vgl. a.a.O., Art. 20 Abs. 1 lit. d).   

Welche Konsequenzen sind bei Verstößen zu erwarten?

Die Nichtbeachtung anwendbarer Sanktionen kann für Wirtschaftsteilnehmer ernstzunehmende Konsequenzen haben.

Das Strafmaß ist abhängig von der restriktiven Maßnahme, gegen die verstoßen wurde. Vorsätzliche Verstöße gegen u.a. Ausfuhr-, oder Einfuhrverbote, Bereitstellungs-, oder Investitionsverbote, Sende-, Übertragungs- oder sonstige Dienstleistungsverbote sowie Verfügungsverbote können mit Freiheitsstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren geahndet werden, vgl. § 18 Abs. 1 AWG. Wird gegen diese Vorschriften fahrlässig verstoßen, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeldern von bis zu EUR 500.000 geahndet werden kann (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 AWG). Vorsätzliche Verstöße gegen Waffenembargos können, je nach Art des Verstoßes, mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (vgl. § 17 Abs. 1 AWG) bzw. bis zu fünfzehn Jahren (vgl. § 17 Abs. 2,3 AWG) geahndet werden. 

Verstöße können unter bestimmten Umständen Unternehmen zugerechnet werden und zu Unternehmensgeldbußen führen, vgl. §§ 130, 30 OWiG. Die maximale Höhe beträgt derzeit EUR 10 Mio (§ 30 Abs. 2 Nr. 1 OWiG für den Fall vorsätzlicher Straftaten). 

Bei Bußgeldobergrenzen ist stets zu beachten, dass diese überschritten werden können, wenn dies zur Abschöpfung der Vorteile einer Tat erforderlich ist (§ 17 Abs. 4 S. 2 OWiG).

Es ist zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber in Bezug auf die Strafbewährung von Sanktionsverstößen und in Bezug auf bestehende Strafrahmen künftig nachschärfen werden wird, um den Anforderungen der Richtlinie (EU) 2024/1226 zur unionsweiten Harmonisierung von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union vollumfänglich gerecht zu werden. Die Umsetzungsfrist läuft noch bis zum 20. Mai 2025. 

Ein wirksames Sanctions Compliance System

Zur Vermeidung von Verstößen gegen anwendbare Sanktionen und damit einhergehende Rechts- oder Reputationsrisiken ist es, insbesondere für global tätige Unternehmen, unerlässlich, über ein risikoangemessenes, wirksames und effektives Sanctions Compliance System zu verfügen.

Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, sich am (gar nicht allzu fernen) Horizont abzeichnender verstärkter EU-Regulierung. 

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