27. November 2024
Sanctions Screening
Compliance Außenwirtschaft

Sanctions Screening – Herausforderungen für Zahlungsdienstleister unter der Echtzeit-Verordnung

Echtzeit-VO: Zahlungsdienstleister müssen Zahlungsaufträge binnen Sekunden auszuführen. Gegen Finanzsanktionen verstoßen dürfen sie dabei nicht. 

Zahlungsdienstleister in der EU unterliegen, wie alle EU-Wirtschaftsteilnehmer, der Pflicht zur Einhaltung von Finanzsanktionen und Präventionspflichten zur Vermeidung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen. Bislang besteht eine wesentliche Sicherungsmaßnahme darin, die Parteien sowie den Verwendungszweck eines Zahlungsvorgangs, zumindest im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, gegen Finanzsanktionslisten zu prüfen. Das ist mit der Verordnung (EU) 2024/886 (Echtzeit-VO) unvereinbar. 

Was regelt die Echtzeit-VO?

Für Zahlungsdienstleister im Euro-Währungsraum gilt ab dem 9. Januar 2025 die Echtzeit-VO. Die Echtzeit-VO sieht u.a. vor, dass Zahlungsdienstleister ab dem 9. Januar 2025 zur Entgegennahme und ab dem 9. Oktober 2025 zur Versendung von Echtzeitüberweisungen in Euro verpflichtet sind, vgl. Art. 5a Abs. 1, 8 Verordnung (EU) Nr. 260/2012 (SEPA-VO).

Was sind Echtzeitüberweisungen?

Eine Echtzeitüberweisung ist eine Überweisung, die an jedem Kalendertag rund um die Uhr sofort ausgeführt wird, Art. 2 Nr. 1a SEPA-VO. Um die Anforderungen an eine Echtzeitüberweisung zu erfüllen, muss der Zahlungsdienstleister des Zahlers unmittelbar nach Auftragseingang und Prüfung der für die Verarbeitung der Zahlung notwendigen Bedingungen dessen Konto sofort belasten und den Betrag versenden, Art. 5a Abs. 4 lit. b SEPA-VO. Der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers muss den Betrag dem Empfängerkonto innerhalb von zehn Sekunden nach Zahlungseingang gutschreiben, Art. 5a Abs. 4 lit. c SEPA-VO.

Vereinbarkeit mit Präventionspflichten zur Vermeidung von Verstößen gegen Finanzsanktionen

Die Echtzeit-VO weist in ihren Erwägungsgründen auf die unbedingte Pflicht zur Einhaltung von EU-Finanzsanktionen hin und konstatiert, dass es derzeit keine präzisen Anforderungen der Union an Präventionsmaßnahmen gäbe. Zahlungsdienstleister würden sich daher an von national zuständigen Behörden anempfohlenen Verfahren orientieren. Nach der derzeit vorherrschenden Praxis, wonach Zahlungsdienstleister Zahler und Zahlungsempfänger bei jedem nationalen oder – so in Deutschland – grenzüberschreitenden Überweisungsvorgang überprüften, würde eine hohe Zahl von Überweisungen generiert, bei denen möglicherweise Finanzsanktionen unterliegende Parteien beteiligt seien, die sodann einer manuellen Überprüfung bedürften. Letztere würde häufig ergeben, dass tatsächlich keine sanktionierten Parteien beteiligt seien (sog. „false positives“), vgl. Erwägungsgrund 25 Echtzeit-VO.

Nach derzeitiger nationaler Rechtslage und Verwaltungspraxis sind Kreditinstitute in Deutschland u.a. dazu verpflichtet, ihren (grenzüberschreitenden) Zahlungsverkehr transaktionsbezogen zu screenen, § 25h Abs. 2 KWG i.V.m. Ziff. 6 BaFin AuA BT-KI. Eine entsprechende (wenngleich abstraktere) Pflicht ergibt sich für Zahlungsdienstleister, die nicht gleichzeitig Kreditinstitute sind, aus § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 ZAG.

Die nationalen Regelungen werden für Echtzeitüberweisungen – im Anwendungsbereich des Art. 5a SEPA-VO – aufgrund des Anwendungsvorrangs von EU-Recht ab Gültigkeit ausgesetzt. Damit geht eine Abkehr vom transaktionsbezogenen Zahlungsverkehrsscreening im Anwendungsbereich von Echtzeitüberweisungen einher. 

Stattdessen werden die Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Verstößen gegen Finanzsanktionen bei Echtzeitüberweisungen nunmehr in Art. 5d SEPA-VO abschließend normiert, vgl. Erwägungsgrund 26 Echtzeit-VO.

Faktisches Verbot von Transaktionsscreening bei Echtzeitüberweisungen

Gem. Art. 5d Abs. 1 SEPA-VO sind Zahlungsdienstleister, die Echtzeitüberweisungen anbieten, zur mindestens täglichen und anlassbezogenen Überprüfung ihres Kundenstamms gegen EU-Finanzsanktionslisten verpflichtet. Art. 5d Abs. 2 SEPA-VO ist zwar wörtlich lediglich so zu verstehen, dass über das kundenstammbezogene Screening hinaus keine Pflicht zum zusätzlichen transaktionsbezogenen Screening besteht (vgl. Wortlaut: „Während der Ausführung einer Echtzeitüberweisung müssen der beteiligte Zahlungsdienstleister […] nicht zusätzlich zu den in Absatz 1 […] genannten Überprüfungen überprüfen…“  / “During the execution of an instant credit transfer, the […] PSP […] involved in the execution of that instant credit transfer shall not verify […]”). Faktisch ist darin allerdings ein Verbot zum transaktionsbezogenen Screening im Anwendungsbereich von Echtzeitüberweisungen zu sehen. Denn eine überobligatorische transaktionsbezogene Prüfung wäre mit der Pflicht zur Durchführung der Echtzeitüberweisung innerhalb von Sekunden unvereinbar. Dies ergibt sich aus Art. 5a Abs. 4 lit. b SEPA-VO, wonach der Zahlungsdienstleister des Zahlers unmittelbar nach Auftragseingang lediglich die für die Verarbeitung der Zahlung notwendigen Bedingungen prüfen darf und dann sofort dessen Konto belasten und den Betrag versenden muss und Art. 5a Abs. 4 lit. c SEPA-VO, wonach der Zahlungsdienstleister des Zahlungsempfängers den Betrag dem Empfängerkonto innerhalb von zehn Sekunden nach Zahlungseingang gutschreiben muss. 

Zwar müssen Zahlungsdienstleistern den Zahlern auch sog. Empfängerüberprüfungen (service ensuring verifications) anbieten (vgl. Art. 5c Abs. 1 SEPA-VO). Diese bieten allerdings keinen Spielraum für transaktionsbezogenes Sanktionslisten-Screening. Die Empfängerüberprüfungen müssen nämlich unmittelbar nach Eingabe der zahlungsrelevanten Informationen und vor der Möglichkeit der Autorisierung durch den Zahler erfolgt sein und beschränken sich inhaltlich auf die Verifikation der Identität des Zahlungsempfängers zum Zwecke der Betrugsprävention, vgl. Erwägungsgrund 20 Echtzeit-VO. 

Lösung: kalendertägliche und anlassbezogene Überprüfung des eigenen Kundenstamms

Nach der Echtzeit-VO besteht eine Pflicht für Zahlungsdienstleister zur anlassbezogenen und mindestens kalendertäglichen Überprüfung des Kundenstamms gegen EU-Finanzsanktionslisten, Art 5d Abs. 1 Ua. 2 SEPA-VO. Das korrespondiert mit der Pflicht zur „24/7“-Ausführung von Echtzeitüberweisungsaufträgen, stößt allerdings aufgrund des damit verbundenen organisatorischen Aufwands auf heftige Kritik durch Bankenverbände (DK-Stellungnahme vom 24. Januar 2024, S. 5).

Spannungsfeld im Bereich „Sanctions Screening“

Zahlungsdienstleister befinden sich folglich in einem Spannungsfeld zwischen der Pflicht zur Erfüllung von Echtzeitzahlungen und der Pflicht zum Vorhalten angemessener Präventionssysteme zur Vermeidung von Finanzsanktionen. 

Während das (faktische) Screening-Verbot aus Art. 5d Abs. 2 Ua. 1 SEPA-VO abschließend in Bezug auf das Zahlungsverkehrsscreening gegen Finanzsanktionen ist, gilt es unbeschadet von Maßnahmen, die Zahlungsdienstleister ergreifen, um andere restriktive Maßnahmen der Union, bei denen es sich nicht Finanzsanktionen handelt, oder Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorzubeugen, vgl. Art. 5d Abs. 2 Ua. 2 SEPA-VO. 

Damit dürfen transaktionsbezogene Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden, die sich auf die Prävention von z.B. sektoralen Sanktionen wie bestimmten güterbezogenen Restriktionen, Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung beziehen. Art. 5d Abs. 2 Ua. 2 SEPA-VO verbietet damit nicht, z.B. den Verwendungszweck, das Bestimmungsland oder den Zahlungsempfänger von Echtzeitzahlungen auf Anhaltspunkte für entsprechende Verstöße zu screenen. Aus Sicht der Verfasserin besteht folglich in Bezug auf solche Maßnahmen ein größerer Spielraum, Transaktionen bei Verdachtsmomenten bis zu deren Überprüfung zu suspendieren, wenngleich damit – insbesondere dann, wenn sich initiale Verdachtsmomente durch die Nachprüfung nicht bestätigen lassen – insbesondere zivilrechtliche Haftungsrisiken bergen. 

Ausblick: Vereinbarkeit mit der EU-Geldwäsche-Verordnung

Ab 9. Juli 2027 werden Zahlungsdienstleister als geldwäscherechtlich Verpflichtete unter der Verordnung (EU) 2024/1624(EU-AML-VO) auch im Rahmen der geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten ihre Geschäftspartner, deren wirtschaftliche Eigentümer und im Falle von juristischen Personen oder Organisationen natürliche oder juristische Personen, die einzeln oder kollektiv mehr als 50% der Eigentumsrechte oder eine Mehrheitsbeteiligung innehaben, gegen Finanzsanktionslisten prüfen müssen, vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. d EU-AML-VO.

Damit wird die – in der Ratio der Echtzeit-VO fixierte –bisherige Aufspaltung in Geldwäscheprävention und Prävention von Finanzsanktionen endgültig aufgehoben. Eine Trennung von zulässigen transaktionsbezogenen Maßnahmen in Bezug auf Geldwäsche u.a. und unzulässigen in Bezug auf Finanzsanktionen erscheint damit artifiziell und nicht risikogerecht. 

Um den Ansprüchen beider Verordnungen zu entsprechen, dürfte letztlich das kunden- und nicht transaktionsbezogene Prüfung gegen Finanzsanktionen und Risikoindikatoren der Geldwäsche Mittel der Wahl sein.  

„Always look on the bright side“ – Das faktisches Screening-Verbot sollte als Erleichterung betrachtet werden

Während die Echtzeit-VO Zahlungsdienstleister vor erhebliche Herausforderungen stellt – man denke nur an die Pflicht zum 24/7-Monitoring – beinhaltet sie auch begrüßenswerte Klarstellungen. So wäre auch ohne ein faktisches Screeningverbot (Art. 5d Abs. 2 Ua. 1 SEPA-VO) die bisherige Praxis des Zahlungsverkehrs-Screenings nicht mehr umsetzbar, wollte man den Anforderungen an sekundenschnelle Transaktionen (Art. 5a Abs. 4 lit. b,c SEPA-VO) entsprechen. Die klare Regelung in der SEPA-VO dürfte daher – zumindest auf den zweiten Blick – hilfreich sein. Verstöße gegen finanzsanktionsrechtliche Bereitstellungsverbote stellen für beteiligte natürliche Personen bei vorsätzlicher Begehungsweise eine Straftat (§ 18 Abs. 1 lit. a, b AWG), bei fahrlässiger Begehungsweise eine Ordnungswidrigkeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AWG i.V.m. § 18 Abs. 1 lit. a, b AWG) dar. 

Sollte es durch eine Echtzeitüberweisung zu einer Bereitstellung an einen sanktionierten Empfänger kommen, so hilft die – auf den ersten Blick sperrige Regelung – des Art. 5d Abs. 2 SEPA-VO auf subjektiver Tatbestandsebene, einen Verschuldensvorwurf abzuwehren. Vielmehr genügt es, wenn Beteiligte nachweisen können, dass die kundenstammbezogene Prüfung pflichtgemäß (leider kalendertäglich) durchgeführt worden ist.

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