Compliance im Außenwirtschaftsrecht betrifft nicht nur Exportkontrolle. Die AWV sieht Meldepflichten für grenzüberschreitende Zahlungen vor.
Jedes Unternehmen, das im Außenwirtschaftsverkehr tätig ist, möchte sich compliant verhalten. Naturgemäß fällt der Blick dann zunächst auf Waren- oder Zahlungsströme, die auf ihre Vereinbarkeit etwa mit der europäischen Dual-Use-Verordnung oder mit Embargovorschriften geprüft werden müssen. Häufig übersehen wird jedoch, dass Unternehmen – und Privatpersonen – selbst dann, wenn keinerlei „riskante“ Lieferungen, Empfänger oder Unternehmensbeteiligungen in Rede stehen, Compliance-Pflichten nach der Außenwirtschaftsverordnung unterliegen.
Es handelt sich um die statistischen Meldepflichten im Kapital- und Zahlungsverkehr der §§ 63 ff. der Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Danach müssen Zahlungen von Deutschland in das Ausland und Zahlungen aus dem Ausland nach Deutschland der Deutschen Bundesbank gemeldet werden. Das Gleiche gilt für Vermögen, Forderungen und Verbindlichkeiten von Deutschen im Ausland und von Ausländern in Deutschland.
Meldungen für statistische Zwecke
Der Handel mit dem Ausland ist in einer Marktwirtschaft frei. Wer mit dem Ausland in wirtschaftliche Beziehungen treten möchte, darf dies in Deutschland im Grundsatz uneingeschränkt tun. Dies gewährleistet § 1 Abs. 1 Satz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG):
Der Güter-, Dienstleistungs-, Kapital-, Zahlungs- und sonstige Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland sowie der Verkehr mit Auslandswerten und Gold zwischen Inländern (Außenwirtschaftsverkehr) ist grundsätzlich frei.
Schon aus der Formulierung „grundsätzlich“ geht jedoch hervor, dass der Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland gewissen Einschränkungen unterliegt. Zu diesen gehören die statistischen Meldevorschriften im Kapital- und Zahlungsverkehr. Die Meldevorschriften wurden erlassen, damit zu jedem Zeitpunkt die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland erstellt werden kann. Diese dient unter anderem dazu, den deutschen Beitrag zur Zahlungsbilanz der Europäischen Union und der Europäischen Währungsunion zu erstellen, und als Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen.
Im Folgenden werden die einzelnen Meldungen näher vorgestellt.
Zahlungsmeldungen im Sinne der AWV
Zahlungsmeldungen haben die größte praktische Relevanz, weil sie den größten Anwendungsbereich haben. Inländer haben der Deutschen Bundesbank Zahlungen zu melden, die sie von Ausländern oder für deren Rechnung von Inländern entgegennehmen oder an Ausländer oder für deren Rechnung an Inländer leisten. Sie werden nach den vormals einzureichenden Formularen Z4 und Z10 üblicherweise als Z4- oder Z10-Meldungen bezeichnet, wobei das Formular Z4 für gewöhnliche Zahlungen und das Formular Z10 zusätzlich für Wertpapiergeschäfte und Finanzderivate im Außenwirtschaftsverkehr auszufüllen war. Mittlerweile sind die Meldungen elektronisch abzugeben, die Bezeichnungen haben sich aber erhalten.
Erfasst sind damit eingehende und ausgehende Zahlungen. Meldepflichtig ist stets der Inländer. Darunter sind im Ergebnis alle Unternehmen und natürlichen Personen zu verstehen, die ihren Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt länger als ein Jahr in Deutschland haben, bei natürlichen Personen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit. Die Meldepflicht hat in der Vergangenheit viele Meldepflichtige überrascht, weil bis vor einigen Jahren Zahlungsmeldungen noch durch die ausführenden Geldinstitute als sogenannte Z1-Meldungen abgegeben wurden. Heute sind Geldinstitute nur noch zur Meldung von bestimmten Zahlungen verpflichtet, vornehmlich im Zusammenhang mit Wertpapieren und im Reiseverkehr.
Die dem Grunde nach sehr weite Meldepflicht der Unternehmen und Privatpersonen wird durch gesetzliche Ausnahmetatbestände begrenzt. Zahlungen bis zu einem Betrag von EUR 12.500 oder für die Gewährung, Aufnahme oder Rückzahlung von Krediten mit einer Laufzeit von nicht mehr als 12 Monaten müssen ebenso wenig gemeldet werden wie Zahlungen für die Einfuhr, Ausfuhr oder Verbringung von Waren. Letzteres hat den Hintergrund, dass Zahlungen, die im Zusammenhang mit Warenströmen stehen, nach den Vorschriften des Außenhandelsstatistikgesetzes und der Außenhandelsstatistik-Durchführungsverordnung erfasst werden. Insoweit bestehen also noch gesonderte Meldevorschriften außerhalb der Außenwirtschaftsverordnung. Für diese Meldungen ist das Statistische Bundesamt zuständig und nicht die Deutsche Bundesbank. Eine Zahlung kann in aller Regel nur unter eine der beiden Regelungen fallen.
Bestandsmeldungen im Sinne der AWV
Neben Zahlungen in das und aus dem Ausland, also Transaktionen, sind auch bestehende Vermögen, Forderungen und Verbindlichkeiten meldepflichtig. Dazu zählen zunächst Auslandsbeteiligungen (Direktinvestitionen). Inländer müssen der Deutschen Bundesbank den Stand und ausgewählte Positionen der Zusammensetzung ihres Vermögens im Ausland melden. Darunter fallen im Wesentlichen ausländische Unternehmen, an denen der Inländer mit mindestens 10 % der Anteile oder Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar mit mehr als 50 % beteiligt ist, und ausländische Zweigniederlassungen und auf Dauer angelegte Betriebsstätten, die dem Inländer unmittelbar oder mittelbar zuzuordnen sind (sogenannte K3-Meldungen). Die Meldepflichten gelten aber erst oberhalb der Meldeschwelle von EUR 3 Mio.
Spiegelbildlich zu den Meldungen deutschen Vermögens im Ausland sind auch der Stand und ausgewählte Positionen der Zusammensetzung ausländischen Vermögens in Deutschland meldepflichtig (sogenannte K4-Meldungen). Zu den meldepflichtigen ausländischen Direktinvestitionen gehören das Vermögen eines inländischen Unternehmens, an dem ein oder mehrere wirtschaftliche verbundene Ausländer mit mindestens 10 % der Anteile oder Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar mit mehr als 50 % beteiligt sind, sowie inländische Zweigniederlassungen und auf Dauer angelegte Betriebsstätten, die einem ausländischen Unternehmen unmittelbar oder mittelbar zugeordnet sind. Meldepflichtig ist das inländische Unternehmen.
Inländer, ausgenommen natürliche Personen, monetäre Finanzinstitute und Investmentaktiengesellschaften sowie Kapitalverwaltungsgesellschaften bezüglich der Forderungen und Verbindlichkeiten ihrer Investmentfonds, müssen der Deutschen Bundesbank außerdem ihre Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Ausländern melden, wenn diese Forderungen oder Verbindlichkeiten bei Ablauf eines Monats jeweils zusammengerechnet mehr als EUR 5 Mio. betragen. Die Meldungen werden, gegliedert nach Art der Forderungen und Verbindlichkeiten und mit im Einzelnen unterschiedlichen Meldeschwellen und Fristen, als Z5- bis Z5b-Meldungen abgegeben. Es handelt sich ebenfalls um Bestandsmeldungen. Zahlungen, die etwa der Erfüllung vorgenannter Verbindlichkeiten dienen, sind gegebenenfalls zusätzlich als Zahlungsmeldung (siehe oben) meldepflichtig.
Strenge Fristen und Probleme in der Praxis
Alle Meldungen sind fristgebunden. Die Fristen ergeben sich aus der Außenwirtschaftsverordnung. Sie unterscheiden sich erheblich zwischen den einzelnen Meldepflichten und sind teilweise sehr kurz, beispielsweise bis zum fünften oder siebten Kalendertag (nicht Werktag!) des jeweiligen Folgemonats. Die Meldepflichtigen müssen daher im Blick behalten, bis zu welchem Stichtag sie welche Meldungen abzugeben haben. Die meldepflichtigen Tatbestände sollten dazu fortlaufend überwacht und für die Abgabe der Meldungen aufbereitet werden. Die Meldungen werden dann elektronisch über das von der Deutschen Bundesbank dafür bereitgestellte Portal abgegeben.
Die Einhaltung der Meldepflichten stellt insgesamt nicht geringe Anforderungen an die Betriebsorganisation. In der Praxis werfen die Melde- und die Ausnahmevorschriften zudem einige Fragen auf, die sich teilweise erst aus den von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Leitfäden und Merkblättern ergeben. Beispielsweise sind Zahlungen nach dem sogenannten Bruttoprinzip zu melden. Das heißt zum Beispiel, dass etwaige im Ausland unmittelbar einbehaltene Steuern auf einen ausgezahlten Wertpapierertrag so gemeldet werden müssen, als wären sie an den Meldepflichtigen in Deutschland ausgezahlt und von diesem wieder zurück in das Ausland transferiert worden. Es sind daher in diesem Fall zwei Meldungen abzugeben. Die Leitfäden und Merkblätter spiegeln die Verwaltungspraxis der Deutschen Bundesbank wider und sind nicht nur eine wichtige Handreichung für den Umgang mit den Meldepflichten, sondern faktisch verbindlich.
Verstöße gegen Meldepflichten nach der AWV können Bußgelder nach sich ziehen
Gelegentlich kommt es zu einem – meist unbewussten – Verstoß gegen die Meldevorschriften. Beispielsweise kann es vorkommen, dass einem Meldepflichtigen die Meldepflichten insgesamt nicht bekannt sind oder er infolge einer Vergrößerung seines Geschäftsbetriebs in die Meldepflicht „hineinwächst“. Letzteres kommt etwa gelegentlich vor, wenn ein Startup ins Ausland expandiert oder in einer Finanzierungsrunde erstmals ausländische Investoren gewinnen kann.
Verstöße gegen die Meldepflichten sind Ordnungswidrigkeiten. Wer seiner Meldepflicht vorsätzlich oder fahrlässig nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt, kann mit einer Geldbuße von bis zu EUR 30.000 belegt werden.
Allerdings gibt es die Möglichkeit, eine Geldbuße abzuwenden. Die Rede ist von der sanktionsbefreienden Selbstanzeige einer versehentlich unterlassenen Meldung. Diese ist in § 22 Abs. 4 AWG vorgesehen. Mit ihr sollen – so der Wille des Gesetzgebers – Meldepflichtige motiviert werden, intern aufgedeckte Verstöße nicht „unter den Teppich zu kehren“, sondern die interne Compliance-Überwachung weiter zu verbessern und Arbeitsfehler, die sich auch in einem rechtstreuen Unternehmen nicht immer verhindern lassen, zu melden. Eine Selbstanzeige hat sanktionsbefreiende Wirkung, wenn
- ein fahrlässiger Verstoß gegen die Meldepflichten
- im Wege der Eigenkontrolle aufgedeckt und angezeigt wurde sowie
- angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund getroffen wurden.
Selbstanzeige: nur für Profis!
Bei der Abgabe einer Selbstanzeige lauern allerdings Fallstricke: Dies beginnt damit, dass die zuständige Verwaltungsbehörde für die Entgegennahme der Selbstanzeige das jeweils örtlich zuständige Hauptzollamt ist und nicht die Deutsche Bundesbank, bei der die Meldungen abgeben werden. Der häufige Reflex, bei der Deutschen Bundesbank „reinen Tisch“ machen zu wollen, kann deshalb zwar praktisch erfolgreich sein, rechtssicher ist er aber nicht. Nur eine rechtzeitig und vollständig abgegebene Selbstanzeige kann eine Verfolgung wirksam verhindern – alles andere beruht auf einer Art Kulanz der Behörden.
Die Selbstanzeige setzt voraus, dass der Verstoß fahrlässig geschehen ist, also nicht billigend in Kauf genommen wurde. Die Übergänge zum bedingten Vorsatz sind allerdings fließend. Unter dem Merkmal der „Aufdeckung durch Eigenkontrolle“ dürfte zu verstehen sein, dass das Bekanntwerden des Verstoßes auf die Sphäre des Meldepflichtigen zurückzuführen sein muss. Dafür genügt es, wenn der Verstoß beispielsweise durch das unternehmensinterne Compliance-System, die interne Revision oder durch sonstige interne oder intern beauftragte Kontrollen (etwa durch Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) aufgedeckt worden ist. Schließlich müssen angemessene Maßnahmen zur Verhinderung eines Verstoßes aus gleichem Grund getroffen werden. Welche Maßnahmen angemessen sind, ist eine Frage des Einzelfalls und bestimmt sich nach dem jeweiligen Unternehmen, seiner Größe und dem Volumen und der Anzahl der potenziell meldepflichtigen Transaktionen.
Die Selbstanzeige ist nicht fristgebunden, kann also auch noch längere Zeit nach der erstmaligen Aufdeckung noch abgegeben werden. Allerdings ist bei einer längeren Sachverhaltsaufklärung und gegebenenfalls Umsetzung von Compliance-Maßnahmen zu berücksichtigen, wie hoch die Entdeckungswahrscheinlichkeit eingeschätzt wird. Sobald die Behörden Kenntnis von dem Verstoß haben, ist eine Selbstanzeige rechtlich nicht mehr mit sanktionsbefreiender Wirkung möglich. Eine unwirksame Selbstanzeige hat nicht nur keine sanktionsbefreiende Wirkung, sondern könnte die Hauptzollämter gerade auf das bußgeldbewehrte Verhalten aufmerksam machen. Es empfiehlt sich daher, bei erkannten Unregelmäßigkeiten bei der Abgabe der statistischen Meldungen zügig erfahrene Berater an Bord zu holen, um die Lage zu bewerten und gegebenenfalls eine wirksame Selbstanzeige abzugeben.