14. Oktober 2022
MiCA-Verordnung Token Regulierung
MiCA-Verordnung

MiCA-Verordnung – Welche Tokens werden künftig reguliert?

Die MiCA soll Geschäfte mit Kryptowerten in der EU regeln. Wir erläutern, welche Arten von Tokens als Kryptowert voraussichtlich unter die MiCA fallen.

Kryptowerte basieren auf der sog. Distributed-Ledger-Technologie (DLT) oder auf einer vergleichbaren Technologie, insbesondere auf einer Blockchain. Der Verordnungsgeber betrachtet Kryptowerte als eine der wichtigsten DLT-Anwendungen.

Derzeit unterliegen Kryptowerte in der EU meist sehr unterschiedlichen nationalen Regelungen. Vor diesem Hintergrund wird die MiCA zu einer EU-weiten Vereinheitlichung der Regelungen für Kryptowerte führen, insbesondere in Bezug auf Informations- und Erlaubnispflichten. Da die MiCA direkt anwendbar sein wird und nicht erst in nationales Recht umgesetzt werden muss, liegt der Vorteil auf der Hand: Unternehmen können unter der MiCA EU-weit Dienstleistungen im Krypto-Sektor anbieten. Nur Details unterliegen nationalen Regelungen.

MiCA-Entwurf hat weites Verständnis von Kryptowerten als Oberbegriff

Die MiCA verwendet den Begriff „Kryptowerte“ für unterschiedliche Arten von Tokens. Nach der MiCA ist ein Kryptowert eine digitale Darstellung eines Wertes oder eines Rechts, der elektronisch unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann (Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 MiCA-Entwurf). 

Im Gegensatz zur nationalen Definition von Kryptowerten (Art. 1 Abs. 11 S. 4 Kreditwesengesetz [KWG]) verlangt der MiCA-Entwurf nicht, dass Kryptowerte handelbar sein müssen. Der Begriff „Kryptowert“ ist nach dem Begriffsverständnis des MiCA-Entwurfs weiter gefasst. Insbesondere ist die – in der Praxis schwer zu beantwortende – Frage, ob es Märkte für den Handel mit Tokens gibt, nicht relevant. Entscheidend ist allein, ob die Tokens übertragbar sind, unabhängig davon, ob Marktplätze dafür zur Verfügung stehen und, wenn ja, welche das sind.

Nichtübertragbare Tokens fallen nicht in den Anwendungsbereich des MiCA-Entwurfs. Zu den nichtübertragbaren Tokens gehören z.B. Tokens, die nur zu Dokumentationszwecken erzeugt werden. Solche Tokens sind vergleichbar mit einem Datenbankeintrag, der z.B. einen Zustand speichert. Es ist nur konsequent, solche Tokens nicht als durch die MiCA regulierte Kryptowerte einzustufen. Tokens, die als Treuepunkte fungieren, sind ebenfalls nicht vom MiCA-Entwurf erfasst, weil sie nicht übertragbar sind.

Regulierung von Kryptowerten in Titel II–IV des MiCA-Entwurfs

Die Vorschriften unter Titel II des MiCA-Entwurfs regeln die Anforderungen an die Emission von Kryptowerten, die keine wertreferenzierten Tokens oder E-Geld-Tokens sind, und ihre Zulassung zum Handel.

Regelungstechnisch fungiert Titel II somit als eine Art „Auffangregelung“ für jegliche Kryptowerte, die nicht als wertreferenzierte Tokens oder E-Geld-Tokens den gesonderten Regularien der Titel III und Titel IV unterworfen sind. 

„E-Geld-Tokens“ sind als Kryptowerte definiert, die vorgeben, einen stabilen Wert zu haben, indem sie auf den Wert einer offiziellen Währung eines Landes referenzieren, und die von einer Zentralbank oder sonstigen Währungsbehörde ausgegeben wurden (Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 MiCA-Entwurf). Hingegen meint „wertreferenzierter Token“ einen Kryptowert, der kein E-Geld-Token ist und bei dem verschiedene offizielle Währungen oder eine oder mehrere Waren, Rechte oder Kryptowerte oder eine Kombination solcher Werte als Bezugsgrundlage verwendet werden, um eine Wertstabilität zu erreichen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 MiCA-Entwurf).

Unter Titel II der MiCA werden sonstige Kryptowerte negativ bestimmt. Darunter fallen alle Kryptowerte, die nicht die Voraussetzungen von E-Geld-Tokens oder wertreferenzierten Tokens erfüllen. 

MiCA-Entwurf sieht Notwendigkeit eines Whitepapers vor

Das öffentliche Angebot in der EU von Kryptowerten, die weder wertreferenzierte Tokens noch E-Geld-Tokens sind, oder deren Zulassung zum Handel auf einer Handelsplattform für Kryptowerte, kann nur durch juristische Personen erfolgen und setzt insbesondere die Veröffentlichung eines Whitepapers voraus (Art. 4 Abs. 1 MiCA-Entwurf). 

Eine Genehmigung des Whitepapers durch die zuständige Aufsichtsbehörde ist nicht erforderlich. Jedoch bedarf es einer Notifizierung des Kryptowert-Whitepapers spätestens 20 Arbeitstage vor Veröffentlichung. Nach Veröffentlichung des Kryptowert-Whitepapers können Emittenten* ihre Kryptowerte, bei denen es sich nicht um wertreferenzierte Tokens oder E-Geld-Tokens handelt, EU-weit anbieten und die Zulassung dieser Kryptowerte zum Handel auf einer Handelsplattform für Kryptowerte beantragen.

Die für ein Whitepaper erforderlichen Informationen werden in Art. 5 MiCA-Entwurf und den Anhängen konkretisiert. Informationen müssen in fairer, klarer und nicht irreführender Weise dargestellt sein. Das Whitepaper muss etwa Informationen über den Anbieter, den Emittenten, den Betreiber der Handelsplattform, das Kryptowert-Projekt und den Kryptowert selbst enthalten. Auch über die mit dem Kryptowert verknüpften Rechte und Pflichten, die zugrunde liegenden Technologien und die Risiken muss informiert werden. Das Whitepaper muss folgenden Hinweis in klarer und eindeutiger Weise auf der ersten Seite enthalten:

Dieses Kryptowert-Whitepaper wurde von keiner zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union genehmigt. Der Emittent der Kryptowerte ist für den Inhalt dieses Kryptowert-Whitepapers allein verantwortlich.

(Art. 5 Abs. 3 MiCA-Entwurf; Zitat übersetzt aus dem Englischen)

Es muss auch über mögliche Wertverluste, eine mögliche eingeschränkte oder unmögliche Handelbarkeit und mögliche Illiquidität informiert werden. Das Whitepaper muss u.a. eine leicht verständliche Zusammenfassung über das Angebot bzw. die beabsichtigte Zulassung zum Handel und insbesondere über die Merkmale der betreffenden Kryptowerte aufweisen.

Um die Inhaber von Kryptowerten zu schützen, sieht der MiCA-Entwurf auch zivilrechtliche Haftungsvorschriften für Informationen vor, die der Öffentlichkeit durch das Whitepaper zur Verfügung gestellt werden (Art. 14 MICA-Entwurf). Danach können sowohl die Anbieter von Kryptowerten als auch andere Parteien in Regress genommen werden. Hat ein Anbieter, die Person, die die Zulassung zum Handeln beantragt hat, der Betreiber einer Handelsplattform oder haben die Leitungs- oder Aufsichtsorgane der vorgenannten Parteien gegen die MiCA-Anforderungen an das Whitepaper verstoßen, kann der Inhaber eines Kryptowerts von diesen Parteien Schadensersatz verlangen. Der Inhaber des Kryptowerts trägt nach Art. 5 Abs. 2 MiCA-Entwurf B die Beweislast dafür, dass ein Verstoß vorliegt und dass sich dieser Verstoß auf die Kauf-, Verkaufs- oder Umtauschentscheidung des Inhabers bezüglich des Kryptowerts ausgewirkt hat. Die Anforderungen an diese Beweislast werden durch die Gerichte konkretisiert werden müssen. Jedenfalls soll die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbegrenzung unwirksam sein und die zivilrechtliche Haftung nach der MiCA eine zivilrechtliche Haftung nach nationalen Vorschriften unberührt lassen. 

Besonderes Augenmerkt wird daher in Zukunft wohl auf die Gestaltung von AGB gelegt werden müssen, da ein etwaiger Haftungsausschluss die Haftung nach der MiCA ausnehmen muss, um Wirksamkeit erlangen zu können. Die bisherigen Haftungsregelungen der MiCA setzen kein Verschulden voraus, sodass derzeit von einer Gefährdungshaftung auszugehen ist, die auch bei einem Handeln ohne Fahrlässigkeit oder Vorsatz besteht. 

Widerrufsrecht für Verbraucher (Retail Holder)

Verbrauchern, die Kryptowerte, die keine wertreferenzierten Tokens oder E-Geld-Tokens sind, direkt vom Anbieter oder von einem Krypto-Dienstleister kaufen, der für den Anbieter die Platzierung übernimmt, räumt Art. 12 MiCA-Entwurf ein Widerrufsrecht ein. Die Widerrufsfrist beträgt 14 Kalendertage und beginnt ab dem Tag des Vertragsschlusses zu laufen. Über das Widerrufsrecht muss im Whitepaper informiert werden.

Das Widerrufsrecht besteht nicht, wenn Kryptowerte zum Handel auf einer Handelsplattform zugelassen sind. Denn in diesen Fällen sind die Preise der Kryptowerte von den Kursschwankungen auf dem Markt abhängig.

Pflichten der Anbieter und Personen, die eine Zulassung zum Handel von Kryptowerten anstreben

Art. 13 MiCA-Entwurf sieht darüber hinaus bestimmte Verpflichtungen für Anbieter und Personen vor, die eine Zulassung zum Handel von Kryptowerten anstreben. Neben der Vorgabe, ehrlich, fair und professionell zu handeln, soll auch die Kommunikation mit Inhabern und potenziellen Inhabern der Kryptowerte auf faire, klare und nicht irreführende Weise erfolgen.

Zudem bestehen Vorgaben hinsichtlich der Ermittlung etwaiger Interessenkonflikte, der Pflege der Systeme und Protokolle zur Gewährleistung der Zugriffssicherheit entsprechend den einschlägigen Standards der Union und der grundsätzlichen Gleichbehandlung von Kryptowert-Inhabern. Eine vom letzten Punkt abweichende Vorzugsbehandlung bestimmter Kryptowert-Inhaber und der Grund hierfür müssen im Whitepaper und in Marketing-Mitteilungen offengelegt werden. Im Falle einer Annullierung des öffentlichen Angebots müssen die Anbieter sicherstellen, dass alle eingesammelten Gelder innerhalb von 25 Tagen zurückgezahlt werden. 

Ausnahmen und Einschränkungen der Regulierung von Kryptowerten möglich

Anbieter, die andere Kryptowerte als wertreferenzierte Tokens oder E-Geld-Tokens der Öffentlichkeit anbieten, müssen in bestimmten Fällen nach Art. 4 Abs. 2 MiCA-Entwurf nicht die Vorgaben des Titels II beachten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Kryptowerte unentgeltlich in Umlauf gebracht werden.

Parallel zur Digitale-Inhalte-Richtlinie (EU Nr. 2019/770), die national in §§ 312 Abs. 1a, 327 Abs. 3 BGB umgesetzt wurde, sieht der MiCA-Entwurf vor, dass es an der Unentgeltlichkeit eines Angebots von Kryptowerten fehlt, wenn die Käufer verpflichtet sind oder sich bereit erklären müssen, dem Anbieter im Tausch gegen die Kryptowerte personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt, wenn der Anbieter potenziellen Inhabern Kryptowerte im Tausch gegen Gebühren, Provisionen, monetäre oder nichtmonetäre Vorteile überträgt. 

Auch die automatische Erstellung und Übertragung der Kryptowerte als Belohnung für die Pflege einer DLT oder die Validierung von Transaktionen stellt kein öffentliches Anbieten dar. Damit ist klargestellt, dass die Ausgabe von Tokens als Mining Reward bei DLT-Systemen mit einem Proof-of-Work-Konsensmechanismus sowie als Staking Reward bei DLT-Systemen mit einem Proof-of-Stake-Konsensmechanismus nicht der Regulierung des Titels II unterliegt. Gleiches gilt für Kryptowerte, die ausschließlich das Recht vermitteln, Waren und Dienstleistungen von einem begrenzten Netzwerk von Händlern mit vertraglichen Vereinbarungen mit dem Anbieter zu beziehen. 

Besondere Regeln für bestimmte Arten von Tokens

Es bestehen darüber hinaus spezifischen Bestimmungen des MiCA-Entwurfs für wertreferenzierte Tokens und E-Geld-Tokens.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Kryptowert MiCA Regulierung Token Verordnung