Die Automobilbranche verändert sich. Reagieren Unternehmen nicht, droht eine "Distressed"-Situation. Werden keine Investoren oder Unternehmenskäufer gefunden, bleibt nur die Insolvenz.
Der zunehmende wirtschaftliche Abschwung gepaart mit dem digitalen Wandel der Automobilindustrie führt zu einschneidenden Veränderungen in der Branche. Nicht jedes Unternehmen ist den Herausforderungen gewachsen, die mit diesen Veränderungen einhergehen.
Um dem neuen Umfeld gewachsen zu sein, sind regelmäßig Umstrukturierungs- und sonstige Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich. Scheitern diese aufgrund des zunehmenden wirtschaftlichen Drucks, bleibt in solchen „Distressed″-Situationen am Ende häufig nur die Aufnahme eines Investors, der Verkauf oder gar die Stellung eines Insolvenzantrags.
Entwicklung neuer Konzepte im Bereich Automotive
Im Automobilbereich beschäftigen die Unternehmen nicht nur neue Technologien, wie neue Antriebssysteme oder vernetzte Mobilität, sondern auch die Abkehr von traditionellen Geschäftsfeldern. Die Zahl der Autofahrer, die kein eigenes Auto mehr erwerben wollen, nimmt zu. Insbesondere junge Autofahrer wünschen Flexibilität. Dies bedeutet zum einen, dass ein Fahrzeug nicht ständig verfügbar sein muss, sondern nur dann, wenn es auch tatsächlich benötigt wird. Zum anderen bedeutet dies, dass Autofahrer immer häufiger nur dann bereit sind, die Kosten für ein Fahrzeug zu tragen, wenn sie dies auch tatsächlich nutzen.
Die verschiedenen Formen der Shared Mobility, ob Car Sharing oder Ride Sharing, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Der klassische Automobilmarkt und das After Sales Business verändern sich zunehmend. Die Branche hat erkannt, dass die bewährten Konzepte nicht mehr ausreichen, um dem veränderten Markt und dem veränderten Nutzungsverhalten der Autofahrer Rechnung zu tragen.
Investitionen und Joint Ventures als Reaktion auf den Wandel im Automobilbereich
Die möglichen Reaktionen sind dabei vielschichtig. Neue Technologien müssen entwickelt oder erworben werden. Derzeit noch hoch qualifizierte Mitarbeiter gilt es umzuschulen und auf den Wandel vorzubereiten. Zusätzlich müssen neue Mitarbeiter gewonnen und manche sogar entlassen werden. Das Produktportfolio ist anzupassen. Mit der Anpassung des Produktportfolios gehen wiederum die Anpassungen der Lieferanten- und Kundenbeziehungen einher. Nahezu jeder Bereich ist von den Veränderungen und deshalb erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen betroffen.
Dies alles ist oftmals mit erheblichen Kosten verbunden. Um diese Herausforderungen meistern zu können, ist, was vor Jahren noch undenkbar erschien, heute fast alltäglich geworden. OEMs gehen neue Wege und schließen sich in Joint Ventures zusammen, um gemeinsam neue Konzepte und Technologien zu entwickeln.
Holdingstrukturen und Fokus auf das Kerngeschäft
Um ausreichende Flexibilität für die Zukunft und den Wandel der Branche zu schaffen, haben Unternehmen wie Daimler und Continental ihre Konzernstruktur geändert. Einzelne Geschäftsfelder sind in eigenständige Gesellschaftsstränge separiert worden, die nur durch eine Holding-Gesellschaft miteinander verbunden sind.
Andere Unternehmen gehen mit der Separierung noch einen Schritt weiter und besinnen sich auf ihr Kerngeschäft. Ganze Geschäftsfelder, die nicht zum Kerngeschäft gehören, werden nicht nur abgespalten, sondern in eigene Unternehmen überführt (Carve-Out), die dann wiederum selbst an der Börse gelistet werden, so wie dies beispielsweise Honeywell im vergangenen Jahr mit der Turboladersparte „Garrett“ getan hat.
Spannungsverhältnis zwischen notwendigen Investitionen und abnehmender Konjunktur
Das Bedürfnis nach Investitionen und kostenintensiven Strukturänderungen trifft nun auf eine abnehmende Konjunktur. Es entsteht ein Spannungsverhältnis. Auf der einen Seite sind Unternehmen angehalten, Kosten zu sparen, auf der anderen Seite müssen teure Investitionen getätigt werden. Dies stellt die Unternehmen der Automobilbranche vor große Herausforderungen. Nicht jedes Unternehmen ist in der Lage, diese Herausforderungen aus eigener Kraft heraus zu meistern.
Nimmt der wirtschaftliche Druck auf das Unternehmen zu und ist dieses zum Handeln gezwungen, spricht man von einer „Distressed″-Situation. Diese Unternehmen benötigen dringend „frisches″ Kapital. Dieses kann von neuen Gesellschaftern, Investoren oder Banken kommen. Nimmt der wirtschaftliche Druck auf das Unternehmen zu und ist dieses zum Handeln gezwungen, spricht man von einer „Distressed″-Situation. Die Lösung dieser „Distressed″-Situation kann die Aufnahme eines Investors oder der Verkauf des Unternehmens sein. Möglicherweise ist auch die Sanierung im Wege eines Insolvenzverfahrens eine Option.
Distressed M&A im Bereich Automotive
In unserer neuen Blog-Reihe widmen wir uns typischen rechtlichen Problemfeldern und Herausforderungen, die sich im Rahmen einer „Distressed“-Situation stellen.
Dabei werden wir auf die Besonderheiten des Automobilsektors eingehen. Aus gesellschaftsrechtlicher Sicht werden wir neben den Herausforderungen, die sich bei einer Veräußerung im Rahmen der Kaufpreisfindung stellen, um den Ausgleich zwischen Chance und Risiko zu schaffen (Earn-out-Klausel), darauf eingehen, wie sichergestellt werden kann, dass nicht nur Geld an den Veräußerer fließt, sondern auch in das Unternehmen.
Wir werden dazu ausführen, inwieweit bei einer „Distressed″-Transaktion vom üblichen Haftungsregime einer M&A-Transaktion abgewichen wird und wie ein Gesellschafter abgesichert werden kann, der sich auf einmal nicht mehr in der Rolle eines Mehrheits-, sondern eines Minderheitsgesellschafters wiederfindet.
Aus Restrukturierungssicht werden wir uns den insolvenzrechtlichen Themen widmen. Beim Kauf im Vorfeld einer Insolvenz des Verkäufers oder des Targets sind bestimmte Spielregeln zu beachten, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Auch werden wir auf die Besonderheiten des Kaufs vom Insolvenzverwalter oder auch in der Eigenverwaltung eingehen, auf die Fallstricke bei der Sanierung eines Unternehmens, sowie auf die Herausforderungen des Schutzschirmverfahren und des Insolvenzplans.
Dies ist der Auftakt zu unserer Blog-Serie „Distressed M&A im Automobilbereich“. Anschließend haben wir gezeigt, warum der wesentliche Teil des Kapitals nicht vom Neu- an den Altgesellschafter fließt. Im Weiteren erscheint ein Beitrag zur Gesellschaftervereinbarung zum Interessenausgleich zwischen Altgesellschafter und Investor.