12. August 2022
Digitale Prozesse Aktienrecht
Elektronische Signaturen und Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht

Digitale Prozesse im Aktienrecht

Die Digitalisierung im Aktienrecht hat in jüngster Zeit einen enormen gesetzgeberischen Schub bekommen. Wir machen eine Bestandsaufnahme.

Das Aktienrecht ist seit langem ein Vorreiter der Digitalisierung im deutschen Gesellschaftsrecht. Im Vordergrund stehen hierbei die Information von und die Kommunikation mit Aktionären*, die Ausübung von Aktionärsrechten auf digitalem Wege sowie auch die virtuelle Hauptversammlung. Doch auch jenseits der Hauptversammlung ist die Digitalisierung im Aktienrecht deutlich vorangeschritten. Viele interne und externe Abläufe können oder müssen sogar inzwischen digital erledigt werden. 

Was fehlt, ist eine einheitliche Konzeption: Es ist eine Vielzahl von Online-Plattformen im Einsatz und auch bei internen Prozessen muss jeweils geprüft werden, ob besondere Formerfordernisse im Einzelfall Medienbrüche verursachen und den Griff zum Papier erzwingen. Dies führt zu einer gewissen Unübersichtlichkeit. Der vorliegende Beitrag im Rahmen unserer Blog-Serie kann daher nur einen ersten Überblick über einzelne Aspekte liefern, die es bei der Transformation zur digitalen Aktiengesellschaft zu berücksichtigen gilt. 

Hauptversammlungseinberufung und HV-Prozesse

Die Einberufung der Hauptversammlung ist im Bundesanzeiger zu veröffentlichen und damit online zugänglich. Für Aktiengesellschaften, deren Aktionäre namentlich bekannt sind, besteht die Möglichkeit, auf eine Veröffentlichung der Einberufung im Bundesanzeiger zu verzichten und stattdessen durch eingeschriebenen Brief einzuladen (vgl. § 121 Abs. 4 S. 2 AktG). Da die Satzung insoweit abweichende Regelungen treffen kann, ist es rechtlich möglich, auch rein elektronische Formen der Einberufung, etwa per E-Mail, zu gestatten. Dies ist insbesondere für kleine Aktiengesellschaften mit Namensaktien zweckmäßig, zumal in das Aktienregister zu jedem Aktionär ohnehin auch eine elektronische Adresse einzutragen ist (vgl. § 67 Abs. 1 S. 1 AktG). Eine Einberufung ausschließlich per E-Mail kann für Aktionäre allerdings das Risiko bergen, dass sie die Einladung womöglich nicht erreicht. 

In Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie durch das ARUG II wurden die Hauptversammlungsprozesse wesentlich geändert mit dem Ziel, die Aktionärsinformation zu verbessern und die Ausübung von Aktionärsrechten zu erleichtern. Das seit dem 3. September 2020 geltende neue Regelungsregime betrifft in erster Linie börsennotierte Aktiengesellschaften (vgl. §§ 125, 67a ff. AktG), findet aber in Teilen auch auf nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften Anwendung. 

Die Mitteilung der Hauptversammlungseinberufung durch Aktiengesellschaften gegenüber Intermediären erfolgt hiernach in einem elektronischen und maschinenlesbaren Format, das die Interoperabilität und vollautomatisierte Abwicklung ermöglicht und international geltenden Industriestandards (z.B. ISO 20022) entspricht. Die Einberufungsmitteilung wird digital per „Straight Through Processing“ (STP) entlang der Verwahrkette von der Clearstream Banking AG („Clearstream“) als Zentralverwahrer über Intermediäre, welche die Aktien für andere Intermediäre verwahren, bis hin zum Letztintermediär weitergeleitet, der schließlich die Information an den Aktionär (Retail-Depotkunde) übermittelt. In der Praxis erhält der Aktionär die Einberufungsmitteilung vom Letztintermediär nicht in Form von STP-fähigen ISO-Codes, sondern als aufbereiteten Text, entweder postalisch oder über sein elektronisches Postfach (z.B. als PDF-Datei). 

Der „Rücklauf“ von Informationen betreffend die Ausübung bestimmter Aktionärsrechte vom Aktionär hin zur Gesellschaft geht hingegen in aller Regel allein über den Letztintermediär und nur ausnahmsweise entlang der Verwahrkette unter Zwischenschaltung weiterer Intermediäre vonstatten. Dies betrifft u.a. die Anmeldung zur Hauptversammlung, die bei Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien erforderliche Bestandsbestätigung sowie die Stimmrechtsausübung. 

Bei Aktiengesellschaften mit ausschließlich Namensaktien hat das neue Regelungsregime eine geringere Praxisrelevanz, da hier der Informationsfluss zwischen der Gesellschaft und den im Aktienregister Eingetragenen direkt erfolgen kann. Es greift gleichwohl in den Fällen, in denen ein Intermediär anstelle des wahren Aktionärs im Aktienregister eingetragen ist (Legitimationsaktionär oder Nominee).

Im Zuge des ARUG II wurde darüber hinaus neu geregelt, dass die Gesellschaft bei einer elektronischen Stimmabgabe dem Abgebenden den Zugang elektronisch bestätigen und – bei einem Nichtintermediär jedoch nur auf dessen Verlangen – eine elektronische Bestätigung darüber erteilen muss, ob und wie seine Stimme gezählt wurde (vgl. §§ 129 Abs. 5, 118 Abs. 1 S. 3 bis 5, Abs. 2 AktG). Sofern die Bestätigungen einem Intermediär erteilt werden, muss er sie an den Aktionär entweder direkt übermitteln oder entlang der Verwahrkette weiterleiten.

Virtuelle Hauptversammlung

Bereits im Jahr 2009 hat der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der (ersten) Aktionärsrechterichtlinie durch das ARUG allen Aktiengesellschaften die Möglichkeit eröffnet, kraft einer Regelung oder Vorstandsermächtigung in der Satzung ihren Aktionären eine Online-Teilnahme an der (Präsenz-)‌Hauptversammlung mit Ausübung von Aktionärsrechten auf elektronischem Wege zu gestatten (vgl. § 118 Abs. 1 S. 2 AktG). Aufgrund bestimmter rechtlicher, praktischer und teils auch technischer Erwägungen ist die Möglichkeit einer solchen (Hybrid-)Hauptversammlung bislang allerdings nur selten und in beschränktem Umfang, nämlich bezogen auf die elektronische Stimmrechtsausübung, genutzt worden. Stattdessen wurde es Aktionären in digitaler Hinsicht vielfach ermöglicht, ihre Stimmen auch per elektronischer Briefwahl abzugeben (vgl. § 118 Abs. 2 AktG) und die Hauptversammlung im Internet per Video-Live-Stream zu verfolgen (vgl. § 118 Abs. 4 AktG), ohne virtuell teilnehmen zu können.

Eine virtuelle Hauptversammlung ohne physische Präsenz der Aktionäre wurde erst Ende März 2020 durch die Sonderregelungen des GesRuaCOVBekG aufgrund der Corona-Pandemie eingeführt. Nach den Praxiserfahrungen hat sich das rein virtuelle Hauptversammlungsformat während der Pandemiezeit bewährt, insbesondere auch im Hinblick auf die Teilnehmerzahl, die vielfach bei Gesellschaften im Vorjahresvergleich gesteigert oder im Wesentlichen gehalten werden konnte. Darüber hinaus führte die gesetzliche Verlagerung des Fragerechts der Aktionäre in das Vorfeld der Versammlung häufig dazu, dass sowohl die Anzahl von Aktionärsfragen als auch die Qualität der Beantwortung dieser Fragen zunahmen. Den Erleichterungen für die Unternehmen stand allerdings eine deutliche Beschneidung der Mitwirkungsrechte der Aktionäre gegenüber. Die Sonderregelungen des GesRuaCOVBekG laufen am 31. August 2022 aus.

Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber die virtuelle Hauptversammlung durch das Gesetz zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften, das am 27. Juli 2022 in Kraft getreten ist, nunmehr dauerhaft im Aktiengesetz verankert. Dabei unterscheidet sich das neue, verstetigte virtuelle Hauptversammlungsformat wesentlich von demjenigen nach dem GesRuaCOVBekG. Gesetzgeberisches Ziel war es, dass die Aktionäre im Falle einer virtuellen Hauptversammlung ihre Rechte ebenso bzw. weitestgehend vergleichbar wahrnehmen können wie bei der Präsenzhauptversammlung. Verabschiedet wurde das Gesetz in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 6. Juli 2022, die noch letzte Änderungen gegenüber dem im April veröffentlichten Regierungsentwurf vorsah. Der Regierungsentwurf wurde zuvor vor allem von Unternehmensseite als unpraktikabel kritisiert, während der Referentenentwurf sich insbesondere der Kritik von Aktionärsvertretern ausgesetzt sah. Es wird sich zeigen, wie die Praxis die neue virtuelle Hauptversammlung aufnehmen wird. Ob die virtuelle Hauptversammlung nur unter bestimmten Bedingungen bevorzugt zum Einsatz kommt (z.B. abhängig von der jeweiligen Tagesordnung und dem Aktionärskreis) oder sich zum Regelfall entwickeln kann, wird auch davon abhängen, ob die überfällige Reform des Beschlussmängelrechts noch kommt.

Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen sowie Gremienbeschlüsse

Die Nutzung digitaler Plattformen und Beschlussverfahren ist im Bereich von Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen weit verbreitet; Anbieter von Board Tools sind z.B. Loomion twelveDiligent und Sherpany. Soweit die Satzung und Geschäftsordnung entsprechend ausgestaltet sind, können digitale Abläufe unternehmensintern etabliert werden. Eine nähere rechtliche Ausgestaltung dieser Verfahren in der Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrats ist empfehlenswert, insbesondere auch um den Ausschluss des Widerspruchs von Aufsichtsratsmitgliedern gegen solche Beschlussfassungen zu regeln (vgl. § 108 Abs. 4 AktG). Die Bandbreite reicht hier von Sitzungseinladungen per E-Mail oder sonstigen elektronischen Systemen über Gremiensitzungen per Videokonferenz oder in hybrider Form bis hin zu hochsicheren Datenraumlösungen mit elektronischer Beschlussfassung. 

Darüber hinaus können im Einzelfall besondere Formerfordernisse zu erfüllen sein. So schreibt § 107 Abs. 2 AktG vor, dass über die Sitzungen des Aufsichtsrats eine Niederschrift anzufertigen ist, die der Vorsitzende zu unterzeichnen hat. Die Niederschrift muss daher im Ausdruck unterzeichnet oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden (§ 126a BGB). Das im Ausdruck unterzeichnete Protokoll kann selbstverständlich eingescannt und elektronisch weiterverteilt werden. Eine Niederschrift in Textform (§ 126b BGB) genügt hingegen nicht. In derartigen Fällen kommt es somit zwangsläufig zu Medienbrüchen, wenn nicht auf eine qualifizierte elektronische Signatur zurückgegriffen wird. 

Beteiligungsmeldungen, Stimmrechtsmitteilungen und kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungspflichten 

Ein Unternehmen, das mehr als 25 % des Kapitals einer Aktiengesellschaft hält oder über die Kapital- bzw. Stimmrechtsmehrheit verfügt, ist verpflichtet, dies der Aktiengesellschaft mitzuteilen (vgl. § 20 Abs. 1 bzw. Abs. 4 AktG). Die Mitteilung hat schriftlich zu erfolgen. Die Unterschrift kann daher nur durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden, falls die Mitteilung elektronisch übersandt werden soll. Die Gesellschaft wiederum ist verpflichtet, entsprechende Mitteilungen digital über die Veröffentlichungsplattform des Bundesanzeigers bekanntzumachen. 

Ganz anders sieht die Situation bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften aus: Hier erfolgen die Stimmrechtsmitteilungen der Aktionäre (vgl. §§ 33 ff. WpHG) und deren Veröffentlichungen durch die Gesellschaft (vgl. § 40 WpHG) über die elektronische Melde- und Veröffentlichungsplattform der BaFin (MVP-Portal) und damit rein digital. 

Auch im Übrigen sind viele kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungspflichten, insbesondere im Zusammenhang mit der Rechnungslegung, digital zu erfüllen; bspw. müssen Jahres- und Konzernabschlüsse sowie Lageberichte im European Single Electronic Reporting Format (ESEF) erstellt und beim Bundesanzeiger zur Offenlegung eingereicht werden. 

Durch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (2019/1151/EU) vom 5. Juli 2021 (DiRUG) ändert sich für Rechnungslegungsunterlagen und Unternehmensberichte, die bislang im Bundesanzeiger einzureichen waren, das Offenlegungsmedium abhängig vom Geschäftsjahresbeginn. Für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2021 begonnen haben, erfolgt die Offenlegung künftig im Unternehmensregister und nicht mehr im Bundesanzeiger. Zu den Änderungen bietet der Bilanz-Navigator des Bundesanzeigers in Form eines Online-Tools eine Orientierungshilfe.

Ad-hoc-Mitteilungen und Directors’-Dealings-Meldungen

Insiderinformationen (Ad-hoc-Mitteilungen) sind in einem fest vorgegebenen formalen Prozess zu veröffentlichen: Eine Ad-hoc-Mitteilung muss zunächst schriftlich mittels Telefax an die BaFin und die Geschäftsführungen der betroffenen Handelsplätze übermittelt werden (nach der BaFin soll dies 30 Minuten vor der Veröffentlichung geschehen), ehe dann die öffentliche Bekanntgabe durch Zuleitung an ein Medienbündel zur europaweiten Verbreitung vorzunehmen ist, gefolgt von der Anzeige auf der Internetseite der Gesellschaft und der elektronischen Übermittlung an das Unternehmensregister (vgl. Art. 17 Abs. 1 MAR, § 26 Abs. 1 WpHG, §§ 8, 9 WpAV). Zur technischen Abwicklung dieser eng getakteten Übermittlungs- und Veröffentlichungspflichten nutzen ad-hoc-publizitätspflichtige Emittenten, zu denen neben börsennotierten Gesellschaften auch Freiverkehrsemittenten gehören, in der Praxis häufig die Dienstleistungen von hierauf spezialisierten Anbietern wie z.B. EQS, die auch entsprechende Online-Tools für die Pflichtmitteilungen und -veröffentlichungen zur Verfügung stellen. 

Dies gilt gleichermaßen für den Mitteilungs- und Veröffentlichungsprozess bei Managers’ Transactions bzw. Directors’ Dealings (DD-Meldungen). Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen (i.d.R. nur Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder), sowie in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen müssen ihre getätigten Eigengeschäfte wie z.B. den Erwerb oder die Veräußerung von Aktien des Emittenten unverzüglich, spätestens aber drei Geschäftstage nach dem Datum des Geschäfts, sowohl dem Emittenten als auch der BaFin unter Nutzung eines hierfür vorgegebenen Formulars melden (vgl. Art. 19 Abs. 1 MAR). Die DD-Meldung an die BaFin erfolgt per Telefax und wird in der Praxis häufig vom Emittenten übernommen. Der Emittent selbst ist nach Erhalt der DD-Meldung verpflichtet, diese binnen zwei Geschäftstagen durch Zuleitung an ein Medienbündel zur europaweiten Verbreitung zu veröffentlichen, dem Unternehmensregister elektronisch zu übermitteln sowie die Veröffentlichung der DD-Meldung der BaFin durch Übermittlung eines Belegs, etwa per E-Mail oder MVP-Portal, mitzuteilen (vgl. Art. 19 Abs. 3 MAR, § 26 Abs. 2 WpHG, §§ 11, 3c WpAV). Auch zur Erfüllung dieser Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten schalten Emittenten typischerweise Dienstleister ein oder nutzen von diesen bereitgestellte Online-Tools.

Handelsregisteranmeldungen und sonstige Einreichungen zum Handelsregister

Seit dem 1. August 2022 ist die Beglaubigung von Handelsregisteranmeldungen für Kapitalgesellschaften im Wege des notariellen Online-Verfahrens möglich. Dies bedeutet, dass künftig Handelsregisteranmeldungen von den Vorstandsmitgliedern im Wege der Online-Beglaubigung erledigt werden können. Hierbei gilt es diverse technische und rechtliche Anforderungen zu überwinden. 

Es ist daher empfehlenswert, sich mit diesen neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und die technischen Voraussetzungen zu schaffen, da hierdurch der Aufwand für Registeranmeldungen deutlich reduziert werden kann. Natürlich mag es im Einzelfall noch erforderlich sein, dem Notar weitere Dokumente in elektronischer Form oder auch in Schriftform zu übersenden. Die Beglaubigung der Unterschriften der Vorstandsmitglieder (bzw. im Einzelfall auch des Aufsichtsratsvorsitzenden) kann jedoch im Videoverfahren erfolgen. 

Darüber hinaus sieht das Aktiengesetz eine Reihe von Einreichungen zum Handelsregister vor, die nicht im Wege einer Handelsregisteranmeldung gem. § 12 Abs. 1 HGB zu erfolgen haben. Beispiele hierfür sind Aufsichtsratslisten gem. § 106 AktG oder die Anmeldung des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats gem. § 107 Abs. 1 S. 2 AktG, die Mitteilungen über die Vereinigung aller (außenstehenden) Aktien in der Hand eines Alleinaktionärs gem. § 42 AktG oder auch die Einreichung von privatschriftlichen Hauptversammlungsprotokollen bei nichtbörsennotierten Gesellschaften gem. § 130 Abs. 1 S. 3 AktG

Derartige Einreichungen zum Handelsregister sind nicht per E-Mail zulässig, da eine einfache E-Mail keine eindeutige Identifikation des Versenders ermöglicht. Seit Anfang des Jahres steht Unternehmen hierfür jedoch das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) zur Verfügung. Das eBO ermöglicht eine abgesicherte elektronische Kommunikation mit Behörden und Gerichten und damit auch elektronische Einreichungen zum Handelsregister. Daneben gibt es in einzelnen Bundesländern weitere App-gestützte Lösungen, wie bspw. die BayernID, die es Unternehmen ebenfalls ermöglicht, elektronische Einreichungen zum Handelsregister vorzunehmen. Dies gilt aber natürlich nur insoweit, als nicht eine förmliche Handelsregisteranmeldung i.S.v. § 12 Abs. 1 HGB in Rede steht, die nur über einen Notar erfolgen kann. 

Aktienübertragungen und Aktienurkunden

Die dingliche Übertragung von Aktien ist durch formfreie Abtretung möglich (vgl. §§ 398, 413 BGB) und kann daher auch in elektronischer Form erfolgen. Wenn allerdings Aktienurkunden ausgegeben sind, kann es erforderlich oder zumindest empfehlenswert sein, die Aktienurkunde selbst nach sachen- oder wertpapierrechtlichen Grundsätzen zu übertragen, wozu bei Namenaktien neben der Übereignung auch ein Indossament gehört (vgl. § 68 Abs. 1 AktG). 

Aktien können bislang nicht als elektronische Wertpapiere ausgegeben werden. Die Einführung von elektronischen Aktien wird jedoch in dem Eckpunktepapier der Bundesregierung zum Zukunftsfinanzierungsgesetz angesprochen und soll dadurch umgesetzt werden, dass der Anwendungsbereich des am 10. Juni 2021 in Kraft getretenen Gesetzes über elektronische Wertpapiere (siehe hierzu eWpG-Briefing) auf Aktien ausgeweitet wird . Dies würde es ermöglichen, Aktien zukünftig auch mittels Blockchain- bzw. Distributed-Ledger-Technologie zu begeben. Die in den Gesetzesmaterialien zum eWpG noch geäußerte Zurückhaltung wegen (vermeintlich) erheblicher gesellschaftsrechtlicher Auswirkungen dieser neuen Begebungsform hat der Gesetzgeber damit offenbar aufgegeben.

Allerdings spielen Urkunden bereits heute nur eine geringe praktische Rolle bei der Übertragung von Aktien. Bei börsennotierten Gesellschaften erlaubt die Einbeziehung in den Effektengiroverkehr einen rein elektronischen Handel, auch wenn am Anfang der Verwahrkette eine bei der Clearstream zur Sammelverwahrung eingelieferte Urkunde in Papierform steht. 

Bei nichtbörsennotierten Gesellschaften mit Namensaktien wird vielfach auf die Ausgabe von Aktienurkunden verzichtet, da sich die Berechtigung der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft aus dem Aktienregister ergibt. Unverbriefte Aktien können ohne besondere Formerfordernisse durch bloße Abtretung übertragen werden. Aus Sicht des Käufers ist allerdings immer eine Verbriefung zu empfehlen, um – vorsorglich – durch Übereignung der Aktienurkunde und Indossament einen gutgläubigen Erwerb zu ermöglichen. Die Anmeldung des neuen Aktionärs bei der Gesellschaft kann ebenfalls grds. in elektronischer Form erfolgen, auch wenn hier die Schriftform aus Nachweisgründen im Einzelfall ratsam sein kann. 

Gründung einer Aktiengesellschaft 

Eine der letzten Bastionen der analogen Welt ist die Gründung von Aktiengesellschaften, die nach heutiger Rechtslage nicht in einem Online-Verfahren möglich ist. Auch das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (2019/1151/EU) vom 5. Juli 2021 (DiRUG) und dessen Ergänzung durch das DiREG vom 15. Juli 2022 haben hieran nichts geändert. Durch die Verwendung von Vollmachten ist das persönliche Erscheinen der Gründer beim Notar allerdings auch nicht zwingend erforderlich und auch die von der Gründerversammlung zu bestellenden Mitglieder des ersten Aufsichtsrats müssen beim Notartermin nicht persönlich anwesend sein, da insoweit auch die Vorlage von schriftlichen Annahmeerklärungen im Original genügt.

Auf dem Weg zur digitalen Aktiengesellschaft

Aktiengesellschaften sollten regelmäßig die Digitalisierungspotenziale ihrer aktien- und kapitalmarktrechtlichen Prozesse evaluieren, um interne Organisationsstrukturen, Abläufe, Arbeitsweisen und Informationsflüsse effizienter zu gestalten sowie ggf. regulatorischen Anpassungsbedarf zu identifizieren.

In unserem CMS-Blog informieren wir Sie fortlaufend mit aktuellen Beiträgen über elektronische Signaturen und die Nutzung von Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Aktienrecht ARUG Aufsichtsrat blockchain Digitalisierung DiREG Elektronische Signaturen und Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht Virtuelle Hauptversammlung Vorstand