Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung beinhaltet diverse Vorhaben zur Förderung der Fachkräfteeinwanderung, insbesondere die Schaffung einer sog. „Work-and-Stay-Agentur“.
oDie trotz der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage fortbestehende Fachkräftelücke in Deutschland veranlasst Arbeitgeber zunehmend, ausländische Mitarbeitende* zu rekrutieren. Das hierin liegende Potenzial hat auch die neue Bundesregierung erkannt. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD zur bevorstehenden 21. Legislaturperiode finden sich diverse Vorhaben zur Förderung der Fachkräfteeinwanderung.

Fortbestehende „Fachkräftelücke“ in Deutschland und Bekenntnis zur Förderung der Einwanderung qualifizierter Mitarbeitender im Koalitionsvertrag
Ungeachtet der konjunkturellen Probleme und bestenfalls gedämpften Erwartungen für die künftige wirtschaftliche Entwicklung setzte sich der bereits seit einigen Jahren bestehende allgemeine Fachkräftemangel in Deutschland auch im Jahr 2024 fort. Laut einer Studie des „Instituts der Deutschen Wirtschaft“ aus dem Februar 2025 verringerte sich die sog. „Fachkräftelücke“, in der Bundesrepublik zum zweiten Mal in Folge auf nunmehr 487.029 Stellen. Die Zahl der betreffenden Stellen bleibt dennoch hoch, zumal in bestimmten Bereichen, wie z.B. bei Schlüsselberufen für die Energiewende, Gesundheitsberufen und Sozialberufen, nach wie vor besonders große Engpässe bestehen. Aufgrund des demografischen Wandels ist zudem davon auszugehen, dass die Fachkräftelücke auch künftig bestehen oder sich gar wieder verschärfen dürfte. Die Lösungsansätze für die Problematik sind vielfältig und umfassen unter anderem eine Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitkräften, Verbesserung der Aus- und Weiterbildung sowie verstärkte Rekrutierung ausländischer Mitarbeitender.
Das Potenzial letzterer hat auch die seit dem 6. Mai 2025 im Amt befindliche neue Bundesregierung erkannt. So finden sich im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD diverse Vorhaben zur Förderung der Fachkräfteeinwanderung. Demnach sollen Arbeitsgenehmigungen für qualifizierte Fachkräfte beschleunigt und durch eine konsequente Digitalisierung, Zentralisierung von Prozessen sowie schnellere Anerkennung von Berufsqualifikationen bürokratische Hürden eingerissen werden (S. 11, 14). Konkret geplant ist die Schaffung einer digitalen „Work-and-Stay-Agentur“ als einheitliche Ansprechpartnerin für ausländische Fachkräfte. Die Agentur soll alle Prozesse der Erwerbsmigration einschließlich der Anerkennung von Berufs- sowie Studienabschlüssen bündeln, beschleunigen und mit den Strukturen in den Ländern verzahnen. Eine ad-hoc-Arbeitsgruppe werde zeitnah Maßnahmen zur Beschleunigung der Anerkennungsverfahren sowie Prozesse entwickeln und sich auch mit einer Anpassung der Struktur und Organisation der Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen (ZAB) befassen (S. 14). Geplant sind schließlich Vereinfachungen bei der Visavergabe für Fachkräfte aus der Wissenschaft und Studierende sowie Beschleunigungen, Vereinfachungen und Ausweitungen bei der Anwerbung internationaler Fachkräfte für Kitas (S. 77, 98).
Einordnung der Vorhaben der neuen Bundesregierung zur Förderung der Fachkräfteeinwanderung
Die aufgeführten Vorhaben zur Förderung der Fachkräfteeinwanderung verdeutlichen, dass die neue Bundesregierung an vielen richtigen Stellen ansetzt. Dies betrifft zunächst die geplante Beschleunigung der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für Fachkräfte. Im internationalen Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeitende werden sich allein jene Staaten behaupten können, die Verfahren zur Erteilung von Visa bzw. Aufenthaltstiteln zur Erwerbsmigration zügig durchführen (und nicht wie bisher in der Bundesrepublik teilweise viele Monate beanspruchen). Die beabsichtigte Digitalisierung, Zentralisierung von Prozessen und schnellere Anerkennung von Berufsqualifikationen sind zwingende Voraussetzung der geplanten Beschleunigung. Zu häufig treten in der täglichen Praxis aufgrund fehlender (funktionsfähiger) digitaler Prozesse, der Beteiligung verschiedenster Behörden sowie Stellen und mehrmonatiger Anerkennungsverfahren erhebliche Verzögerungen auf. Begrüßenswert sind schließlich auch die angekündigten Vereinfachungen bei der Visavergabe für Wissenschaftler sowie Studierende und – angesichts des insoweit bestehenden besonders großen Engpasses – die geplanten Beschleunigungen, Vereinfachungen sowie Ausweitungen bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte für Kitas.
Inwiefern die Ziele der Bundesregierung mit Hilfe der im Koalitionsvertrag erwähnten Mittel zu erreichen sind, bleibt abzuwarten. Dies gilt insbesondere für die beabsichtigte „Work-and-stay-Agentur“. Insoweit drängt sich die Frage auf, inwieweit es sich bei den von der Agentur zu übernehmenden Aufgaben nicht um jene handelt, die bereits von zentralen Ausländerbehörden der Länder im Rahmen des beschleunigten Fachkräfteverfahrens gemäß § 81a AufenthG erfüllt werden, und, falls ja, warum es einer zusätzlichen Bundesagentur bedarf. Die Erfahrungen mit dem beschleunigten Fachkräfteverfahren auf Länderebene zeigen, dass entsprechende Stellen zwingend personell und finanziell hinreichend ausgestattet werden müssen. Soweit die Agentur eine bloße Funktion als Verfahrensmittlerin sowie zentrale Ansprechpartnerin wahrnehmen soll, dürfte ihre Schaffung nur dann den gewünschten Beschleunigungseffekt haben, wenn die anderen an den Verfahren beteiligten Behörden und Stellen (wie z.B. Botschaften oder die ZAB) ebenfalls mit zusätzlichen personellen Ressourcen ausgestattet werden. Schließlich ist zu erwähnen, dass sich die CDU/CSU nicht mit ihrer Forderung nach einer Öffnung der Zeitarbeit für ausländische Arbeits- und Fachkräfte durchsetzen konnte. Diese Öffnung würde helfen, um die in Deutschland bestehende Fachkräftelücke nachhaltig spürbar zu schließen.
Chancen der Fachkräfteeinwanderung für Arbeitgeber
Unabhängig davon, inwieweit die Bundesregierung ihre Vorhaben zur Förderung der Fachkräfteeinwanderung aus dem Koalitionsvertrag tatsächlich umsetzt, eröffnet bereits der gegenwärtig bestehende Rechtsrahmen die Möglichkeit, qualifizierte ausländische Mitarbeitende zu rekrutieren. Arbeitgeber sollten die Anwerbung entsprechender Mitarbeitender als elementaren Bestandteil ihrer Toolbox zur Bekämpfung des Fachkräftemangels verstehen und sich die nachfolgenden rechtlichen Grundsätze bewusst machen:
- Staatsangehörige anderer EU-Staaten, Islands, Liechtensteins, Norwegens und der Schweiz dürfen im Rahmen der europäischen Freizügigkeit ohne Weiteres in Deutschland tätig werden.
- Alle sonstigen Staatsangehörigen (sog. „Drittstaatsangehörige“) benötigen einen die jeweilige Beschäftigung erlaubenden Aufenthaltstitel.
- Für Arbeitgeber sind insbesondere die in Abschnitt 4 des Aufenthaltsgesetzes (§§ 18 ff. AufenthG) normierten Aufenthaltstitel zum Zwecke der Erwerbstätigkeit von Interesse.
- Die Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels setzt zunächst das Vorliegen der sog. „allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen“ gemäß § 5 AufenthG voraus (wie z.B. die Sicherung des Lebensunterhaltes und das Nicht-Bestehen eines Ausweisungsinteresses).
- Zudem erfordert die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke der Erwerbstätigkeit gemäß § 18 Abs. 2 AufenthG stets ein konkretes Arbeitsplatzangebot und eine Versicherung des Kandidaten sowie des Arbeitgebers, dass die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt werden soll.
- Schließlich müssen die besonderen Voraussetzungen des jeweiligen konkreten Aufenthaltstitels erfüllt sein (wie z.B. eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit, Berufsausübungserlaubnis, gleichwertige bzw. vergleichbare Qualifikation oder Mindestgehaltsschwellen).
Vom Fachkräftemangel betroffene Arbeitgeber sollten bei der Besetzung offener Stellen unbedingt prüfen, ob es für diese qualifizierte ausländische Interessenten gibt, ein die Beschäftigung erlaubender Aufenthaltstitel erforderlich ist, und, falls ja, die Voraussetzungen für einen solchen erfüllt werden können. Je nach Einzelfall können neben den aufenthaltsrechtlichen Hürden zu beachtende arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Besonderheiten bestehen. Aufgrund der Vielschichtigkeit der rechtlichen Herausforderungen sowie der mehrmonatigen Dauer aufenthaltsrechtlicher Verfahren sollte eine Rekrutierung ausländischer Mitarbeitender frühzeitig initiiert und anwaltlich begleitet werden. Arbeitgebern, die die Zeit sowie Kosten hierfür nicht scheuen, eröffnet sich der Zugang zu einem weltweiten Bewerbermarkt mit umfangreichen Ressourcen an gleichermaßen motivierten wie qualifizierten (oder qualifizierbaren) Kandidaten. Das hierin liegende Potenzial gilt es zu nutzen.
* Gemeint sind Mitarbeitende jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen ausschließlich die grammatikalisch männliche Form verwendet.