Die vorübergehende mobile Arbeit im Ausland (Workation) ist beliebt. Arbeitgeber müssen dabei aber auch die Mitbestimmung des Betriebsrats im Blick haben.
Mit der Digitalisierung ist die ständige persönliche Anwesenheit im Büro oft nicht mehr notwendig. So wundert es nicht, dass viele Arbeitnehmer* nicht mehr nur von zuhause aus arbeiten wollen, sondern den Wunsch nach noch mehr örtlicher Flexibilität haben. Die Möglichkeit, nach einem Arbeitstag noch eine Runde im Mittelmeer zu schwimmen, erscheint dabei so manchem sehr verlockend.
„Workation“ – die Verbindung von Arbeit (work) mit Urlaub (vacation) – ist eine weitere Form der mobilen Arbeit, die in jüngerer Zeit zunehmend von Mitarbeitern nachgefragt wird. Besteht ein Betriebsrat, müssen sich die Arbeitgeber allerdings mit den Regelungen zur Mitbestimmung befassen.
Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bei der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen für Workation
Möchte der Arbeitgeber den Arbeitnehmern im Betrieb die Möglichkeit einer Workation einräumen und dabei unternehmensinterne Leitlinien aufstellen (Checkliste), so wird er dabei in vielen Fällen den Betriebsrat beteiligen müssen. Zu beachten ist insbesondere § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, der für die Ausgestaltung mobiler Arbeit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht vorsieht: Auch wenn der Arbeitnehmer mittels mobiler Geräte seine Arbeitsleistung im Ausland erbringt, stellt das „mobile Arbeit“ im Sinne der Vorschrift dar und ist grundsätzlich von dem Mitbestimmungstatbestand umfasst.
Mitbestimmungsfrei im Rahmen der mobilen Arbeit ist deren „Ob“: Die Entscheidung, ob die Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Workation haben sollen (oder eben nicht), obliegt allein dem Arbeitgeber. Bei dieser Frage hat der Betriebsrat nicht mitzubestimmen. Allerdings ist die Abgrenzung der mitbestimmungsfreien Einführung der Möglichkeit einer Workation („Ob“) und der mitbestimmten Ausgestaltung („Wie“) nicht einfach. Auch sind die Einzelheiten in Anbetracht dessen, dass es sich bei diesem Mitbestimmungsrecht um eine junge Vorschrift handelt, höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Offen ist bislang insbesondere die Frage, ob der zeitliche Umfang der mobilen Arbeit im Ausland noch unter das mitbestimmungsfreie „Ob“ oder bereits unter das mitbestimmungspflichtige „Wie“ fällt. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll der Zeitumfang zum mitbestimmten „Wie“ gehören. Autoren in der Literatur differenzieren diesbezüglich aber zwischen einer mitbestimmungsfreien Festlegung des zeitlichen Anteils der mobilen Arbeit am Gesamtdeputat der Arbeitnehmer und einer mitbestimmungspflichtigen Verteilung der Zeitblöcke. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll die Anzahl der Tage, die Arbeitnehmer mobil im Ausland arbeiten dürfen, daher der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen. Einige Stimmen in der Literatur sehen dies anders und halten nur die Verteilung bzw. zeitliche Lage der Tage der mobilen Arbeit im Ausland für mitbestimmungspflichtig. Da die Entscheidung über den zeitlichen Gesamtumfang der mobilen Arbeit im Ausland weit in den Bereich des „Ob“ reicht, sollte man diese richtigerweise dem mitbestimmungsfreien Bereich zuordnen. Argumentieren lässt sich hier mit der Rechtsprechung des BAG zum Mitbestimmungsrecht bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers: Neben der Entscheidung über das „Ob“ liegt auch der Dotierungsrahmen – also der Umfang der freiwilligen Leistungen, den der Arbeitgeber zur Verfügung stellen will – im mitbestimmungsfreien Bereich (vgl. etwa BAG, Beschl. v. 21. Februar 2017 – 1 ABR 12/15).
Die Ausgestaltung und damit das „Wie“ der Workation unterliegt dagegen klar der Mitbestimmung des Betriebsrats. Möchte der Arbeitgeber deshalb die Konditionen der Workation (z.B. Erreichbarkeits- und Abstimmungspflichten, notwendige Anwesenheit im Betrieb zu bestimmten Anlässen, z.B. zu wichtigen Besprechungen und Meetings) festlegen, erfordert dies die zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats. Das Gleiche gilt für generelle Arbeitsanweisungen, die gerade wegen der besonderen Bedingungen der mobilen Arbeit erforderlich werden. In Betracht kommt das etwa bei Verhaltensvorgaben zu Datensicherheit und Vertraulichkeit.
Wichtig zu wissen ist für Arbeitgeber in diesem Zusammenhang auch, dass nicht nur die regelmäßige mobile Arbeit im Ausland das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen kann. Auch eine anlassbezogene oder gar einmalige Workation für die Arbeitnehmer des Betriebs, z.B. im Rahmen von Brückentagen, ist vom Mitbestimmungstatbestand der mobilen Arbeit grundsätzlich erfasst.
Weitere Mitbestimmungstatbestände gem. § 87 Abs. 1 BetrVG
Neben der Mitbestimmung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG sind bei der Ausgestaltung der Workation ggf. noch weitere Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG zu beachten, etwa:
- bei Aufstellung von Regeln zur Arbeitszeit im Rahmen der Workation (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG),
- im Rahmen der Einführung von „technischen Einrichtungen“ wie der Einführung von Laptops zur Erbringung der Arbeit mobil im Ausland (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG),
- bei der Regelung von Vergütungsfragen oder Aufwandsentschädigungen im Zusammenhang mit der Workation (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) oder auch
- bei Regelungen, die dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Rahmen der Workation dienen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).
Einzelfallentscheidungen erfordern keine Mitbestimmung
Möchte der Arbeitgeber lediglich einzelnen Arbeitnehmern in besonders gelagerten Ausnahmefällen wegen außergewöhnlicher persönlicher Umstände (z.B. zum einmaligen verlängerten Besuch von Verwandten im Ausland) eine Workation erlauben, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht nach § 87 Abs. 1 BetrVG beteiligen.
Dasselbe gilt auch dann, wenn die mobile Arbeit im Ausland aufgrund der Eigenheiten des speziellen Jobs erforderlich ist. In diesen Fällen fehlt es am kollektiven Bezug der Maßnahme oder es geht um die Erbringung der Arbeitsleistung selbst, so dass der Mitbestimmungstatbestand nicht greift.
Workation regelmäßig keine mitbestimmungspflichtige Versetzung gem. § 99 BetrVG
Neben der Beteiligung des Betriebsrats bei der Aufstellung genereller Regelungen zur Workation ist auch an dessen Mitbestimmungsrecht bei der konkreten Durchführung der Workation zu denken. Handelt es sich dabei um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gem. § 99 BetrVG?
Die Begründung und Beendigung von mobiler Arbeit kann aufgrund der Änderung des Arbeitsortes und der Änderung der Arbeitsumstände eine gem. §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellen. Erfolgt die mobile Arbeit (auch im Ausland als Workation) jedoch nur gelegentlich und im Wechsel mit der Arbeit im Betrieb, liegt grundsätzlich keine Versetzung vor.
Eine Versetzung setzt zudem die arbeitgeberseitige Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs voraus (§ 95 Abs. 3 BetrVG). Eine solche Zuweisung liegt im Fall der Workation in aller Regel nicht vor, soweit sie ausschließlich auf Initiative des Arbeitnehmers erfolgt. Der sozialversicherungsrechtliche Begriff der Entsendung, unter den man mittlerweile auch die mobile Arbeit im Ausland auf Wunsch des Mitarbeiters fasst, dürfte auf den Begriff der Versetzung im BetrVG nicht übertragbar sein: Es handelt sich um unterschiedliche Rechtsgebiete, die in ihrer Begrifflichkeit einer eigenständigen Definition unterliegen.
Sollte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer demgegenüber für einen längeren Zeitraum mobile Arbeit im Ausland gestatten, könnte eine zustimmungspflichtige Versetzung vorliegen: Diesen Fällen dürfte eine wohlüberlegte Entscheidung des Arbeitgebers zugrunde liegen, die der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs i.S.d. § 99 BetrVG entspricht. Die mobile Arbeit im Ausland für längere Zeit ist daher – neben den in den vorangegangenen Beiträgen aufgezeigten Risiken – auch aus diesem Grund mit Vorsicht zu genießen.
Praxistipp: Bei Aufstellung der Voraussetzungen, unter denen Arbeitnehmern Workation gestattet ist, sollte jedenfalls vorgesehen werden, dass die Workation nur auf Wunsch und Initiative des Arbeitnehmers erfolgt.
Interessenausgleich und Sozialplan für Workation nur bei Betriebsänderung erforderlich
Es stellt sich zudem die Frage, ob Arbeitgeber auch an Interessenausgleich und Sozialplan denken müssen, wenn sie die Möglichkeit zu mobiler Arbeit im Ausland einführen. In der Regel ist dies nicht der Fall, da mit mobilem Arbeiten im Ausland regelmäßig keine Betriebsänderung einhergeht:
Die Digitalisierung der Arbeitswelt macht die persönliche Anwesenheit aller Mitarbeiter im Büro heutzutage oftmals nicht mehr erforderlich. Mittels Laptops und Handys ist die Zusammenarbeit ohne weiteres ortsungebunden möglich. Die Einführung mobiler Arbeit im Ausland (Workation) dürfte daher meist keine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation (§ 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG) oder Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden (§ 111 S. 3 Nr. 5 BetrVG) mit sich bringen. In einer Vielzahl der Fälle, in denen Arbeitgeber den Mitarbeitern ermöglichen, mobil aus dem Ausland zu arbeiten, dürfte außerdem bereits zuvor die mobile Arbeit im Inland eingeführt worden sein. Eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation oder Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden liegt mit der örtlichen Erweiterung der mobilen Arbeit auch auf das Ausland daher regelmäßig nicht vor.
Freilich kann dies je nach Umständen des Einzelfalls anders sein: Je länger die Workation dauern darf, je größer der Umfang ist, in dem sie eingeführt wird und je tiefgreifender daher für sie in die bestehende Arbeitsorganisation eingegriffen werden muss, umso eher kann aber im Einzelfall doch eine Betriebsänderung vorliegen, bei der Arbeitgeber an Interessenausgleich und Sozialplan denken müssen. Dies gilt insbesondere, wenn ein weltweites mobiles Arbeiten erlaubt ist, das für die Zusammenarbeit über Zeitzonen hinweg neue Formen der Arbeitsorganisation erfordert.
Fazit: Mitbestimmungsrechte bei Workation beachten!
Der Arbeitgeber muss bei Workation auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Blick haben: Zwar entscheidet der Arbeitgeber allein über die Möglichkeit zur Workation. Werden Regeln aufgestellt, die Näheres zur Workation vorgeben, hat der Betriebsrat aber oftmals zwingend mitzubestimmen. Dies gilt insbesondere für Regeln zur Arbeitszeit und zu Erreichbarkeiten während der Workation, die sicherlich sinnvoll sind, um die Workation zu einem sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber zufriedenstellenden Konzept zu machen.
Nach dem Auftakt zu unserer Serie „Mobile Arbeit im Ausland (Workation)“ haben wir bereits die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte beleuchtet. Im nächsten Beitrag befassen wir uns mit dem Aufenthaltsrecht.
*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.